Nr. 21/2018
Wahrheitspflicht / Trennung von Fakten und Kommentar / Identifizierung / Menschenwürde

Verein Netzwerk Asyl Aargau / X. c. «20 Minuten.ch» Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 6. Juli 2018

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Zusammenfassung

Asylbewerber korrekt zitiert

Der Schweizer Presserat weist zwei Beschwerden gegen die Pendlerzeitung «20 Minuten» ab. Diese hatte im Oktober 2017 online über einen jungen äthiopischen Asylbewerber berichtet und dabei im Titel die Frage aufgeworfen: «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?»

Im Artikel zitierte «20 Minuten» den abgewiesenen, knapp volljährigen Asylbewerber mit der Aussage, der Mitarbeiter eines Hilfswerks habe ihm empfohlen, online politisch aufzutreten. So könne er seine Chancen erhöhen, in der Schweiz bleiben zu dürfen. Das Netzwerk Asyl Aargau und ein Schweizer, der den Äthiopier zum Gespräch beim Hilfswerk begleitet hatte, führten darauf Beschwerde beim Presserat. Sie monierten, «20 Minuten» stelle den Asylbewerber als Asylbetrüger bloss, unterschiebe ihm Zitate und hätte den jungen Mann über das Ziel des Artikels getäuscht.

Der Presserat bewertet in seinem Entscheid diese Vorwürfe als nicht berechtigt. Der Asylbewerber wusste, worüber der Journalist schreiben würde und autorisierte seine Zitate. Für das Gremium ist es auch zulässig, die Frage aufzuwerfen, wie der Tipp des Rechtsberaters eines Hilfswerks rechtlich zu werten ist. Zudem hat «20 Minuten» das Hilfswerk zum Vorwurf angehört – dieses dementierte, es gebe grundsätzlich keine Empfehlungen ab. «20 Minuten» machte dies bereits im Lead klar. Zulässig war auch, den Namen des Äthiopiers zu nennen, da dieser in ein Videointerview und die Namensnennung eingewilligt hatte. Der Presserat weist jedoch darauf hin, dass mit dem Wort Asylmissbrauch und der Nennung seines Namens eine Verbindung hergestellt wird, die nicht unproblematisch ist und deren Konsequenzen für den jungen Mann nicht abschätzbar waren.

Résumé

Un requérant d’asile cité correctement

Le Conseil suisse de la presse rejette deux plaintes contre le journal gratuit «20 Minuten». Ce dernier avait, en octobre 2017, évoqué un jeune requérant d’asile éthiopien dans un article publié en ligne en posant dans le titre la question suivante: «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?» (l’œuvre d’entraide lui a-t-elle donné des conseils pour abuser du droit d’asile)

Dans son article, «20 Minuten» citait le requérant d’asile tout juste majeur, dont la demande a été rejetée, en affirmant que le collaborateur d’une œuvre d’entraide lui avait recommandé de faire de l’activisme politique sur Internet et qu’il pourrait ainsi augmenter ses chances de rester en Suisse. Sur ces entrefaites, le réseau Asyl Aargau et un Suisse qui avait accompagné l’Ethiopien lors de son entretien auprès de l’œuvre d’entraide ont porté plainte auprès du Conseil de la presse. Ils reprochaient à «20 Minuten» de ridiculiser le requérant en le traitant de pseudo-réfugié, de lui attribuer des citations et d’avoir trompé le jeune homme sur l’objectif de l’article.

Le Conseil de la presse juge ces reproches injustifiés. Le requérant savait ce sur quoi le journaliste écrirait et a autorisé qu’on le cite. L’organe juge également admissible de soulever la question de savoir comment le conseil juridique d’une œuvre d’entraide doit être considéré au plan du droit. De plus, «20 Minuten» a entendu l’œuvre d’entraide au sujet du reproche qui lui était fait; elle a démenti donner des recommandations par principe. «20 Minuten» l’indiquait clairement dans le chapeau de l’article. Il était également possible de citer le nom de l’Ethiopien étant donné que celui-ci y avait consenti dans une interview par vidéo. Le Conseil de la presse signale cependant que les termes d’abus du droit d’asile et la citation du nom du requérant établissent un lien qui n’est pas sans poser problème et que les conséquences pour le jeune homme sont incertaines.

Riassunto

Richiedente asilo correttamente citato

Il Consiglio svizzero della stampa respinge due reclami contro il quotidiano «20 minuti». Nell’ottobre 2017 «20 minuti» ha riferito online di un giovane richiedente l’asilo etiope respinto, sollevando una domanda nel titolo dell’articolo: «Organizzazione umanitaria dà consigli su come abusare in tema d’asilo?»

Nell’articolo di «20 minuti» vengono riportate le parole del richiedente asilo respinto- da poco maggiorenne- secondo il quale un dipendente di un’organizzazione umanitaria gli avrebbe consigliato di profilarsi politicamente online per aumentare le sue possibilità di rimanere in Svizzera. L’associazione di aiuto agli asilanti di Argovia e un cittadino svizzero che aveva accompagnato l’etiope a un incontro con l’organizzazione umanitaria hanno presentato una denuncia al Consiglio della stampa. Secondo loro «20 minuti» fa apparire il richiedente asilo come un truffatore. Il quotidiano lo avrebbe ingannato circa lo scopo del servizio e avrebbe riportato in modo scorretto le sue dichiarazioni.

Nella sua decisione, il Consiglio della stampa ritiene che tali accuse siano infondate. Il richiedente asilo era stato informato dell’obiettivo dell’articolo e aveva autorizzato le sue citazioni. Secondo il Consiglio della stampa era inoltre legittimo sollevare la questione e la correttezza delle raccomandazioni date da un consulente giuridico di un’organizzazione umanitaria. «20 minuti» ha dato voce anche all’organizzazione, che ha risposto di non dare mai raccomandazioni per principio. «20 minuti» lo ha riportato chiaramente in testa dell’articolo. Era anche consentito citare il nome dell’etiope, in quanto aveva accettato una video-intervista e autorizzato che venisse fatto il suo nome. Tuttavia il Consiglio della stampa sottolinea che accostare il nome dell’etiope al termine «abuso di asilo» non è privo di problemi ed è difficile valutare quali conseguenze potrebbe avere per il giovane.

I. Sachverhalt

A. Am 12. Oktober 2017 veröffentlichte «20 Minuten.ch» um 07.05 Uhr einen Artikel von Désirée Pomper und Daniel Krähenbühl mit dem Titel «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?». Der Lead lautete: «Ein Heks-Mitarbeiter soll einem Asylbewerber empfohlen haben, online politisch aufzutreten, um in der Schweiz bleiben zu dürfen. Das Heks widerspricht.» Im Artikel heisst es, der Rekurs des 19-jährigen Äthiopiers Abdul Wasi Kadir sei vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen worden, der Vollzug der Wegweisung könne als zumutbar bezeichnet werden. In der Folge kommt Kadir selbst zu Wort, teilweise mit direkten Zitaten. Er habe sich in Äthiopien für die Oromo- Bewegung engagiert und sei deshalb im Gefängnis gesessen. Vor zwei Jahren sei er aus seiner Heimat in die Schweiz geflüchtet, wo er weiter politisch aktiv sei. Kürzlich sei ihm eine Lehrstelle als Koch angeboten worden, die er als abgewiesener Asylbewerber aber nicht habe annehmen dürfen. Unter dem Zwischentitel «Der Heks-Mitarbeiter empfahl mir, online politisch aufzutreten» wird Kadir wie folgt zitiert: «Ein Mitarbeiter, den ich besucht habe, empfahl mir, eine Onlinepräsenz zu erstellen, auf der ich in Englisch oder meiner Landessprache von meinen politischen Aktivitäten berichte und sie mit Fotos und Videos dokumentiere.» Somit würde er auf den Radar der äthiopischen Regierung geraten. Seine Chancen, trotz negativen Asylentscheides doch noch in der Schweiz bleiben zu dürfen, würden steigen. Der Mitarbeiter des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Schweiz (Heks) habe ihn auf den Fall eines Äthiopiers aufmerksam gemacht, welcher vor dem Bundesverwaltungsgericht Beweise für seine exilpolitischen Tätigkeiten in der Schweiz vorgelegt habe, worauf er vorläufig in der Schweiz aufgenommen worden sei. Mit den Aussagen Kadirs konfrontiert, wird der Sprecher des Heks wie folgt zitiert: «Unsere Leute geben keine Empfehlungen ab. Das entspricht nicht unserer Arbeitsweise.» Sie würden einzig abwägen, wie gut die Chancen auf einen erfolgreichen Rekurs stünden. Im konkreten Fall habe der Heks-Mitarbeiter der Rechtsberatungsstelle Aargau Kadir und seiner schweizerischen Begleitperson ausdrücklich gesagt, dass er die Erfolgschancen eines Wiedererwägungsgesuchs nach dem abgelehnten Rekurs als sehr gering beurteile. Auf Drängen der Begleitperson habe der Mitarbeiter aber das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juli 2017 erwähnt. Er könne nur vermuten, dass die Begleitperson Kadir in diesem Sinne beeinflusst habe. Er sehe keinen Grund, an der Darstellung der Fachpersonen der Rechtsberatungsstelle zu zweifeln, Kadir müsse da etwas missverstanden haben.

Gleichentags folgte ein weiterer Artikel zum Thema: Um 21.19 Uhr veröffentlichte «20 Minuten.ch» den Artikel «‹Asylmissbrauch› oder ‹mutige Tat›?». Zitiert wird noch einmal Kadir, wonach ein Mitarbeiter des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Schweiz Heks ihm empfohlen habe, seine politischen Aktivitäten in Äthiopien und der Schweiz zu dokumentieren, was er nun auch plane. Erwähnt wird auch das Heks, wonach ein Mitarbeiter Kadir zwar auf das zitierte Urteil aufmerksam gemacht, jedoch keine Empfehlung abgegeben habe. Unter dem Zwischentitel «Keine vorläufige Aufnahme mehr bei exilpolitischen Aktivitäten» kommt «SVP-Asylchef» Andreas Glarner zu Wort, unter dem Zwischentitel «Logisch, dass Flüchtlinge alles ausprobieren, um in der Schweiz zu bleiben» vertreten SP-Nationalrat Tim Guldimann sowie Luzian Franzini, Co- Präsident der Jungen Grünen, ihren Standpunkt. Unter dem Titel «Menschenrechtssituation in Äthiopien verschlechtert sich» kommt schliesslich der Sprecher von Amnesty International zur Situation in Äthiopien sowie zu derjenigen der äthiopischen Diaspora in der Schweiz zu Wort.

B. Am 21. November 2017 reichte der Verein Netzwerk Asyl Aargau, genauer die Verantwortlichen des Projekts UMA (unbegleitete minderjährige Asylsuchende), eine Beschwerde gegen die beiden Artikel «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?» sowie «‹Asylmissbrauch› oder ‹mutige Tat›?» vom 12. Oktober 2017 beim Schweizer Presserat ein. Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung von Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) geltend. Im Artikel «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?» würden die Fakten zur Person von Abdul Wasi Kadir und seine Erfahrungen im Asylverfahren mit den persönlichen Kommentaren der beiden Journalisten vermischt. Mit unwahren und unbelegten Aussagen zur Motivation des politischen Engagements von Kadir und Ausdrücken wie «Asylmissbrauch» im Titel werde suggeriert, Kadir wolle vor allem das schweizerische Asylrecht mit einem Trick aushebeln und bewege sich im Graubereich zur Illegalität. Eine solche Meinung der Verfasser gehöre, wenn schon, als erkennbarer Kommentar gekennzeichnet vom Fliesstext der Reportage abgesetzt. Weiter sehen die Beschwerdeführer Richtlinie 3.1 (Verdeckte Recherche) und Richtlinie 4.6 (Recherchegespräche) verletzt: Der Journalist D. Krähenbühl habe sich das Interview mit Kadir mit falschen Angaben erschlichen. Er habe angegeben, ein Gespräch über die Lehrstellensituation von abgewiesenen Asylsuchenden führen zu wollen, habe dann aber zusammen mit D. Pomper daraus zu Lasten des Interviewpartners einen Artikel über angeblichen Asylmissbrauch konstruiert. Auch die Schulleitung und die Akteure vor Ort hätten unter falschen Voraussetzungen Autor Krähenbühl bei seiner Reportage unterstützt. Die Täuschung sei allen erst mit der Veröffentlichung klar geworden. Es gebe gemäss Richtlinie 3.1 keinen entschuldbaren Grund für dieses Täuschungsmanöver. Die Thematik der Schaffung von Asylgründen durch politische Tätigkeiten in der Schweiz hätte auch offen angegangen werden können. Dabei hätten die Beschwerdeführer jedoch die Persönlichkeit des Schwächsten schützen können und es wäre nicht zur ungerechtfertigten Blossstellung eines Asylsuchenden in der Öffentlichkeit gekommen. Auch gestützt auf Richtlinie 4.6 hätte Autor Krähenbühl alle Beteiligten über das Ziel seiner Recherche orientieren müssen. Vor allem aber hätte er zwingend die eingebauten Zitate autorisieren lassen müssen. Er habe jedoch auch auf Nachfrage bestritten, Zitate verwenden zu wollen.

Weiter monieren die Beschwerdeführer eine Verletzung von Richtlinie 4.5 (Interview). Zwar sei das Interview selbst korrekt durchgeführt worden, das Video gebe auch das Gespräch richtig wieder. Es sei jedoch anschliessend in einen Artikel eingebaut worden, der kaum mit dem Inhalt des aufgezeichneten Gesprächs zu tun habe. Damit diene der Film letztlich nur dazu, die des Asylmissbrauchs angeprangerte Person unter Umgehung des Rechts am eigenen Bild in der Öffentlichkeit abbilden zu können. Weiter seien scheinbar am Rande des Interviews geäusserte Informationen des Asylsuchenden dazu verwendet worden, um Zitate zu konstruieren. Kadir habe zu den in dieser Form nicht richtig zitierten Aussagen nie Stellung nehmen können. Sie seien so nie Inhalt des geführten Interviews und entsprechend nicht autorisiert gewesen.

Das Netzwerk Asyl erkennt in den beiden Artikeln weiter eine Verletzung von Richtlinie 7.1 (Schutz der Privatsphäre) und 7.2 (Identifizierung). Wenn Kadir sich bereit erkläre, namentlich und in einem Video über seine Erlebnisse als abgewiesener Asylsuchender bezüglich seiner fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten zu berichten, bedeute das noch lange nicht, dass dieses Material zu seiner Person in einem anderen Zusammenhang eingesetzt und er als verdächtigter potentieller Asylmissbraucher mit Namen und Bild dargestellt werden dürfe. Hier werde sowohl das Recht auf Privatsphäre wie auch das Recht auf sein eigenes Bild verletzt. Zudem werde die Lehrkraft X. im Artikel als allfälliger Helfer zum Asylmissbrauch dargestellt, dieser habe im Artikel dazu jedoch keine Stellung nehmen können. Obwohl nicht namentlich genannt, liessen sich im Zusammenhang mit einem früher in der «Aargauer Zeitung» erschienenen Artikel problemlos Rückschlüsse auf dessen Identität ziehen.

Schliesslich macht das Netzwerk eine Verletzung von Richtlinie 8.2 (Menschenwürde) geltend. Im Falle von Abdul Wasi Kadir sei einseitig zugunsten einer möglichst effekthaschenden Geschichte und möglichst vieler Klicks bei den digitalen Medien entschieden worden. Es sei mit der Kritik (unberechtigterweise) auf ein Hilfswerk gezielt, vor allem aber ein Asylsuchender getroffen worden. Ausser Acht sei dabei gelassen worden, dass der Artikel sich sehr negativ für Kadir bei weiteren Asylverfahren, etwa bei einem Härtefallgesuch auswirken könne. Zudem sei Kadir nun in der Öffentlichkeit enorm exponiert und als gebrandmarkter, scheinbarer «Asylmissbraucher» durch mögliche Übergriffe von rechtsextremen Kreisen gefährdet.

C. Am 24. November 2017 reichte auch X. beim Presserat eine Beschwerde gegen die beiden Artikel «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?» sowie «‹Asylmissbrauch› oder ‹mutige Tat›?» vom 12. Oktober 2017 ein.

D. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2017 beantragte der Rechtsdienst von Tamedia im Namen von «20 Minuten», die Beschwerde X. sei zur Verbesserung zurückzuweisen und ein zweiter Schriftenwechsel unter neuer Fristensetzung anzuordnen. Der Beschwerdeführer versäume es, konkret zu benennen, welche Bestimmungen der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») die Medienberichte aus seiner Sicht wie verletzt hätten. Auch für nicht fachkundige und nicht durch einen Rechtsbeistand vertretene Beschwerdeführer sei das Erfordernis der Benennung in der Verfahrensbeschreibung unter www.presserat.ch/beschwerde/ablauf-beschwerde klar ersichtlich.

E. Am 8. Januar 2018 hiess das Präsidium des Presserats den Antrag von Tamedia gut und setzte Beschwerdeführer X. eine Nachfrist zur Verbesserung seiner Eingabe an.

F. Am 10. Januar 2018 reichte X. eine überarbeitete Version seiner Beschwerde beim Presserat ein. Er hält fest, dass er am Nachmittag des 12. September 2017 Begleiter von Abdul Wasi Kadir bei der Rechtsberatung des Heks in Aarau war. Überdies sei er längere Zeit der Lehrer von Kadir an der Schule für unbegleitete minderjährige Asylsuchende des Netzwerks Asyl Aargau gewesen. Die beiden Artikel vom 12. Oktober 2017 hätten sich auf die Publikation der «Aargauer Zeitung» vom 9. Oktober 2017 «Flüchtling muss Lehrstelle ablehnen wegen Arbeitsverbot» bezogen. Darin sei er namentlich erwähnt, es wäre für «20 Minuten» somit ein Leichtes gewesen, ihn zu kontaktieren. «20 Minuten» habe davon ausgehen können, dass er auch der Begleiter von Kadir bei der Rechtsberatung des Heks gewesen sei und somit einziger Zeuge der Beratung. X. macht zudem geltend, die – wenn auch in Frageform – erhobenen schweren Vorwürfe des Asylmissbrauchs seien wahrheitswidrig. Der Rechtsberater des Heks habe keine «Tipps zum Asylmissbrauch» gegeben und Abdul Wasi Kadir betreibe keinen Asylmissbrauch. Der Rechtsberater habe das anwendbare geltende Schweizer Recht und namentlich die für Kadir relevanten Implikationen eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zur Beschwerde eines äthiopischen Landsmanns erläutert. Er habe keinerlei Tipps oder Empfehlungen abgegeben, sondern im Gegenteil mehrmals betont, Kadir müsse selber entscheiden, ob er sich weiter politisch betätigen wolle. Bei der Besprechung der Rechtslage habe der Mitarbeiter des Heks nicht dazu gedrängt werden müssen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu thematisieren. Die Aussage einer Drittperson sei falsch, wonach er, der Beschwerdeführer, möglicherweise den Mitarbeiter des Heks gedrängt habe, das Urteil zu erwähnen. Dessen Erörterung gehöre zu den Kernaufgaben der Heks-Rechtsberatung. Die von den beiden Autoren publizierten Vorwürfe seien Mutmassungen und Unterstellungen, sie hätten keinerlei Bemühungen unternommen, diese zu erhärten. Namentlich seien weder der Rechtsberater noch er als Beschwerdeführer befragt worden. Er sieht darin eine Verletzung von Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche).

Weiter macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Richtlinie 3.1 (Quellenbearbeitung) geltend. Die publizierten Mutmassungen und Vorwürfe seien durch keine Quellen und durch keine Dokumentation bestätigt. Zeugen seien keine kontaktiert worden. Zudem hätten die Autoren der Artikel mit ihren unbelegten und falschen Mutmassungen und Vorwürfen in irreführender Weise Politiker kontaktiert und um ihre Meinung zu diesen unzulässigen Mutmassungen befragt. Sie hätten damit eine Kampagne als Akteure geführt und gegen Richtlinie 3.7 (Meinungsumfragen) sowie Ziffer 2 (Unabhängigkeit und Würde des Berufs) der «Erklärung» verstossen. Wichtige Informationselemente hätten sie unterschlagen, indem der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juli 2017 nicht richtig eingeordnet und falsch dargestellt worden sei. Unterschlagen werde auch, dass dieses Urteil integraler Teil des Schweizer Rechts sei und in rechtsstaatlichen Rechtsverfahren gar nicht missbraucht werden könne. Der Rechtsberater habe korrekt gehandelt. Aber auch er sei zu den Vorwürfen nicht befragt worden. Es werde heftige Kritik an Kadir, dem Rechtsberater und der Begleitperson vorgebracht ohne korrekte Wiedergabe der Fakten. Der Beschwerdeführer sieht neben einer Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» auch Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) nicht respektiert. Die Autoren hätten schwere Anschuldigungen erhoben und die direkt Betroffenen nicht konkret damit konfrontiert. Diese hätte keine Gelegenheit gehabt, sich zu äussern, namentlich nicht zu den unterstellten Zitaten. Die Autoren hätten auch nicht versucht, die Betroffenen zu erreichen. Zudem sei die Veröffentlichung eines schweren Vorwurfs in Frageform unfair, die Autoren schadeten damit der Glaubwürdigkeit der Medien.

Abdul Wasi Kadir seien zudem Zitate unterstellt und ihm nicht zur Genehmigung unterbreitet worden. Dies obwohl mit dem Projektleiter und dem Schulleiter vereinbart worden sei, dass keine Zitate veröffentlicht würden. Die Zitate in den Artikeln könnten zudem nicht von Kadir stammen; sie entsprächen nicht dem Stand seiner Sprache. Auch habe er keine Kenntnis von den Recherchezielen gehabt, da er im Glauben gelassen worden sei, es handle sich um eine Vertiefung der in der «Aargauer Zeitung» thematisierten Problematik (Arbeitsverbot; Artikel vom 9. Oktober 2017). Die vor Gesprächsbeginn getroffenen Vereinbarungen über die Zitierung seien nicht eingehalten worden. Das Thema des Artikels sei nicht angegeben worden und habe in keinem Zusammenhang mit dem Recherchegespräch gestanden. Dieses sei nachträglich aus unbegründeten Mutmassungen konstruiert worden. «20 Minuten» habe somit das Rechercheziel verschleiert. Abdul Wasi Kadir habe kaum Erfahrung im Umgang mit Medien, kenne die Schweizer Medienkultur wie auch ihre Unkultur nicht, könne die Tragweite eines Artikels nicht einschätzen und sei überdies aus der Sicht der journalistischen Fairness verletzlich und schutzbedürftig. Weder er noch seine Betreuer seien im Bild gewesen über das verschleierte Rechercheziel. Die Zitate seien unterstellt, nicht unterbreitet und nicht autorisiert.

G. Am 28. Februar 2018 nahm der Rechtsdienst von Tamedia zur Beschwerde des Vereins Netzwerk Asyl Stellung. Er beantragte, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Zum Vorwurf der mangelnden Trennung von Fakten und Kommentar (Richtlinie 2.3) führt Tamedia aus, im Artikel «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?» sei für das Publikum klar ersichtlich, wann es sich um unbestrittene Fakten und wann um subjektive Aussagen der Beteiligten handle. Diese seien klar getrennt und als solche gekennzeichnet. Tatsache sei, dass zwei unabhängige Quellen bestätigt hätten, dass ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation Heks einem abgewiesenen Asylbewerber gegenüber das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juli 2017 erwähnt habe. Inwiefern es sich dabei um eine Empfehlung handelte, wie ein abgewiesener Asylbewerber trotz negativen Entscheids in der Schweiz bleiben könne, werde von den Redaktoren nicht abschliessend beantwortet. Es würden lediglich die divergierenden Aussagen der Parteien dargestellt. Es erscheine durchaus als legitim und im öffentlichen Interesse, die kritische Frage zu stellen, inwiefern das Hinweisen auf ein solches Urteil einen Missbrauch des Asylprinzips darstelle. Den Vorwurf der Beschwerdeführer, der Artikel unterstelle Kadir, Asylmissbrauch begangen zu haben, weise die Redaktion entschieden zurück. Zu keinem Zeitpunkt werde behauptet, Kadir habe Asylmissbrauch begangen, noch werde dieser Anschein erweckt. Kadir werde nicht als Asylbetrüger dargestellt, der plötzlich eine Geschichte erfinde, um sich so in der Schweiz Asyl zu erschleichen. Im Gegenteil: Gleich zu Beginn des Artikels werde Kadirs politisches Engagement in der Opposition in seinem Heimatland Äthiopien festgehalten. Er berichte von Verfolgung und Folter und dass er auch in der Schweiz regelmässig an regimekritischen Demonstrationen teilnehme, was auch die publizierten Bilder dokumentierten. Durch das Bundesverwaltungsgerichtsurteil motiviert habe Kadir angekündigt, seine politischen Aktivitäten online dokumentieren zu wollen. Autor Krähenbühl sei Zeuge gewesen, dass Kadir zusammen mit zwei Zivildienstleistenden des Vereins Netzwerk Asyl Aargau bereits an seiner Homepage arbeitet. Ob Kadir mit einem solchen Online-Auftritt das Asylrecht untergraben würde oder nicht, werde von den Verfassern zu keinem Zeitpunkt abschliessend beurteilt. Im Zentrum des Artikels stehe ohnehin eine andere Frage: diejenige nach der Rolle von Hilfswerken bei der Asylberatung und wie weit deren Hilfe gehen dürfe. Die fachliche und politische Einschätzung dieser Frage finde in der Berichterstattung kritisch und ausgewogen durch diverse Politiker beider Lager statt. Es sei für das Publikum klar ersichtlich, dass es sich dabei um subjektive Meinungen handle. Die Trennung zwischen Fakten und den Einschätzungen der Politiker sei stets gewährleistet.

Zu Richtlinie 4.2 (Verdeckte Recherchen – fälschlicherweise als 3.1 bezeichnet) und 4.6 (Recherchegespräche) hält die Beschwerdegegnerin fest, es seien zu keinem Zeitpunkt verdeckte Recherchen geführt worden. Redaktor Daniel Krähenbühl habe Kadir ursprünglich in der Absicht getroffen, eine Reportage über seine Lehrstellensituation zu machen. Erst im Verlauf des Gesprächs mit Kadir habe er vom angeblichen Hinweis des Heks erfahren. Das Heks habe das Erwähnen eines entsprechenden Bundesverwaltungsgerichtsurteils bestätigt. Aufgrund dieser neuen Ausgangslage habe sich der Fokus der Geschichte verändert. Krähenbühl habe Projektleiter Senn versichert, seine Zitate oder Aussagen seiner Frau zum Gegenlesen vorzulegen, sollten diese im Artikel verwendet werden. Da aber keine Vertreter des Netzwerks in den Artikeln zu Wort kämen, habe sich das Vorlegen von Zitaten erübrigt. Der Autor habe Senn zu keinem Zeitpunkt versprochen, ihm die Zitate Kadirs vorzulegen. Somit liege weder eine Verletzung von Richtlinie 4.2 noch von Richtlinie 4.6 vor.

Zum Video-Interview und zur angeblichen Verletzung von Richtlinie 4.5 (Interview) macht Tamedia geltend, das Video-Interview sei zu Beginn des Treffens aufgenommen worden. Erst im anschliessenden Gespräch habe Kadir gegenüber dem Autor die Rolle des Heks erläutert. Daher sei der Inhalt des Interviews nicht identisch mit dem Inhalt der Berichte. Ein Zusammenhang sei jedoch klar gegeben. Kadir habe Krähenbühl ausdrücklich das Einverständnis gegeben, das Video-Interview zu publizieren. Kadir sei stets über den Inhalt der Berichterstattung im Bilde gewesen – auch als sich der Fokus geändert habe – und er habe auch dann der Publikation zugestimmt. Krähenbühl habe Kadir zudem persönlich zum Gespräch getroffen und danach aufgrund der Brisanz seiner Aussagen mehrfach telefonisch Rücksprache mit ihm genommen. Als der Autor vom Hinweis des Heks-Mitarbeiters erfahren habe, habe er nachgehakt. Kadir habe seine Aussagen mehrmals glaubhaft und unmissverständlich wiederholt. Es habe sich mitnichten um «am Rande des Interviews geäusserte Informationen» gehandelt, noch seien Zitate konstruiert worden. Alle Zitate seien Kadir mündlich vorgelegt worden, worauf er diese gutgeheissen habe. Richtlinie 4.5 sei somit nicht verletzt.

«20 Minuten» weist auch eine Verletzung von Richtlinie 7.1 (Schutz der Privatsphäre) und 7.2 (Identifizierung) zurück. Kadir sei bewusst gewesen, in welchem Kontext sein Name und sein Bild verwendet würden. Kadir habe die Berichterstattung auch als Chance gesehen, öffentlich seine Sicht der Dinge darzustellen und aufzuzeigen, dass der Asylentscheid seiner Meinung nach falsch gewesen sei. Der Begleiter von Kadir, X., werde im Artikel als «schweizerische Begleitperson» beschrieben und nicht namentlich genannt. Auch sein Arbeitgeber, der Verein Netzwerk Asyl Aargau, sei nicht erwähnt. Redaktor Krähenbühl habe mehrmals versucht, X. telefonisch zu erreichen. Da im Artikel dessen Rolle nicht im Vordergrund stand und dieser dementsprechend auch nicht zu identifizieren war (und zwar auch in Bezug auf den Bericht der «Aargauer Zeitung»), sei seine Stellungnahme nicht zwingend notwendig gewesen. Eine Identifizierbarkeit durch den Durchschnittsleser sei ausgeschlossen.

Schliesslich weist Tamedia auch den Vorwurf der Verletzung von Richtlinie 8.1 (Achtung der Menschenwürde) zurück. Der Artikel unterstelle Kadir mit keiner Zeile, Asylmissbrauch begangen zu haben. Die Menschenwürde des Asylsuchenden sei in keiner Weise tangiert. Insofern sei auch keine Interessenabwägung vorzunehmen. Dass sich die Artikel allenfalls negativ auf das Verfahren des Asylbewerbers auswirken könnten und dieser nun in der Öffentlichkeit enorm exponiert sei, tangiere den Schutzbereich der Menschenwürde nicht. Der Behauptung des Netzwerks Asyl, der Asylsuchende sei aufgrund der Berichte durch mögliche Übergriffe rechtsextremer Kreise gefährdet, könne nicht gefolgt werden. Selbst wenn dem so wäre, stelle diese Konsequenz keine Verletzung der Menschenwürde durch die Berichte dar.

H. Ebenfalls am 28. Februar 2018 nahm der Rechtsdienst von Tamedia zur Beschwerde von X. Stellung. Er beantragte, auch diese Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Zur geltend gemachten Verletzung von Richtlinie 1.1 führt Tamedia aus, zwei unabhängige Quellen, und zwar der Heks-Sprecher und Kadir persönlich, hätten bestätigt, ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation Heks habe dem abgewiesenen Asylbewerber durch das Erwähnen des Urteils des Bundesverwaltungs-gerichts einen Hinweis gegeben, wie er trotz negativem Asylentscheid in der Schweiz bleiben könnte. Weiter habe Kadir berichtet, dass der Heks-Mitarbeiter ihn nicht nur auf das besagte Urteil hingewiesen, sondern ihn explizit dazu motiviert habe, politisch online aufzutreten, um so in der Schweiz bleiben zu können. Im Artikel werde festgehalten, das Heks wehre sich gegen diese Darstellung. Es sei klar ersichtlich, dass es sich dabei um subjektive Aussagen der Betroffenen handle, die im Kern übereinstimmten, jedoch den Hinweis auf das Urteil unterschiedlich interpretierten. Die Grenze zwischen Hinweis und Empfehlung dürfte dabei fliessend sein. Die Titel «‹Asylmissbrauch› oder ‹mutige Tat›?» und «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?» enthielten keineswegs schwere Vorwürfe. Vielmehr stellten die Autoren aufgrund der Recherchen und Aussagen der Betroffenen Fragen in den Raum, die im Interesse der Öffentlichkeit stünden. Diese Fragen zu stellen sei nicht nur legitim, sondern im Hinblick auf das Recht der Öffentlichkeit auf Information geradezu eine journalistische Pflicht. Es würden zu keinem Zeitpunkt wahrheitswidrige Vorwürfe erhoben oder aus der Luft gegriffen, Richtlinie 1.1 sei in keiner Weise verletzt.

Wenn ein Gerücht nach einer Recherche eine gewisse Grundlage behalte, sei dessen Publikation zulässig, wenn seine Herkunft erläutert und die betroffene Person um eine Reaktion gebeten oder allenfalls ein Dementi veröffentlicht werde. Zur Rüge von X., als Begleitperson hätte er angehört werden müssen, führt Tamedia aus, Redaktor Daniel Krähenbühl habe versucht, ihn telefonisch zu kontaktieren, dies mehrere Male über mindestens zwei Tage. Von einer Publikation in Eile könne keine Rede sein. Der Beschwerdeführer werde im Artikel nicht namentlich erwähnt und sei auch durch die Umschreibung «schweizerische Begleitperson» nicht identifizierbar ohne Erwähnung des Vereins Netzwerk Asyl Aargau als seinen Arbeitgeber, womit seine Stellungnahme nicht zwingend notwendig gewesen sei. Im Zentrum der Berichterstattung stehe ganz klar das Hilfswerk Heks. Es liege im Ergebnis somit keinerlei Verletzung der Richtlinien 1.1, 2.2, 3.1, 3.8 bzw. von Ziffer 3 der «Erklärung» vor.

Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, es seien wichtige Informationselemente unterschlagen worden bzw. Tatsachen entstellt, sei auf die Ausführungen von Tamedia zur ersten Beschwerde verwiesen.

Zum Vorwurf, die Autoren der Artikel hätten mit ihren unbelegten und falschen Mutmassungen und Vorwürfen in irreführender Weise Politiker kontaktiert und um ihre Meinung dazu befragt und damit gegen Richtlinie 3.7 verstossen sowie sie hätten dadurch eine Kampagne als Akteure geführt, was gegen Ziffer 2 (Unabhängigkeit und Würde des Berufs) der «Erklärung» verstosse, hält die Beschwerdegegnerin Folgendes fest: In den beiden kritisierten Artikeln würden keine Meinungsumfragen zu unzulässigen Mutmassungen durchgeführt. Im ersten Artikel würde Kadirs Aussage festgehalten, wonach ein Mitarbeiter des Hilfswerks Heks ihm die Empfehlung gegeben habe, online politisch aufzutreten. Sodann, dass sich das Hilfswerk gegen diese Darstellung wehre. Klargestellt werde auch, dass laut Aussagen des Hilfswerks der Mitarbeiter den Asylbewerber zwar auf das Urteil aufmerksam gemacht, ihm aber keine Empfehlung abgegeben habe. Dies sei auch gegenüber den angefragten Politikern transparent gemacht worden. Richtlinie 3.7 sei somit in keiner Weise verletzt. Die Anschuldigung, die Autoren hätten durch die Meinungsumfrage eine Kampagne geführt und damit gegen die Unabhängigkeit und Würde des Berufes verstossen, sei offensichtlich unrichtig und entbehre jeglicher Grundlage. Die Redaktion von «20 Minuten» haben lediglich verschiedene Politiker mit Aussagen konfrontiert und um deren Meinung gebeten. Die Wiedergabe verschiedener Meinungen zu einer spezifischen Ausgangslage sei im seriösen Journalismus üblich und zeige dem Leser die Kontroverse eines Themas auf. Ziffer 2 der «Erklärung» sei somit nicht verletzt.

Zum Vorwurf, Abdul Wasi Kadir seien Zitate unterstellt und nicht zur Genehmigung unterbreitet worden, das Rechercheziel sei verschleiert worden, zudem verfüge Kadir nur über elementare Deutschkenntnisse und sei schutzbedürftig, sei auf die Ausführungen Tamedias zur Richtlinie 4.6 verwiesen.

I. Das Präsidium des Presserates vereinigte die beiden Beschwerden und wies den Fall der 3. Kammer zu, der Max Trossmann (Präsident), Marianne Biber, Jan Grüebler, Barbara Hintermann, Seraina Kobler und Markus Locher angehören.

J. Die 3. Kammer des Presserates behandelte die Beschwerde in ihrer Sitzung vom 19. April 2018 und auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Ziffer 1 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie sich an die Wahrheit halten ohne Rücksicht auf die sich daraus ergebenden Folgen und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten lassen, die Wahrheit zu erfahren.

Beschwerdeführer X. macht geltend, die – wenn auch in Frageform – im Titel erhobenen schweren Vorwürfe des Asylmissbrauchs seien wahrheitswidrig. Abdul Wasi Kadir betreibe keinen Asylmissbrauch und der Rechtsberater des Heks habe keinerlei Tipps oder Empfehlungen zum Asylmissbrauch abgegeben, sondern im Gegenteil mehrmals betont, Kadir müsse selbst entscheiden, ob er sich weiter politisch betätigen wolle. Der Rechtsberater habe nicht dazu gedrängt werden müssen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu thematisieren. Die von den beiden Autoren publizierten Vorwürfe seien Mutmassungen und Unterstellungen, sie hätten keinerlei Bemühungen unternommen, diese zu erhärten. Namentlich seien weder der Rechtsberater noch der Beschwerdeführer befragt worden. Tamedia führt dazu aus, Autor Krähenbühl sei vom Heks-Sprecher und Kadir selbst bestätigt worden, dass ein Mitarbeiter des Heks dem abgewiesenen Asylbewerber durch das Erwähnen des Urteils einen Hinweis gegeben habe, wie er trotz negativem Asylentscheid in der Schweiz bleiben könnte. Kadir habe zudem erklärt, der Heks-Mitarbeiter habe ihn explizit dazu motiviert, politisch online aufzutreten. Das Heks hingegen verneine, konkrete Empfehlungen ausgesprochen zu haben. Diese divergierenden Aussagen der Betroffenen würden in den Artikeln als solche wiedergegeben.

Festzuhalten ist, dass Kadir und Heks im Artikel mit ihren Aussagen zitiert werden. Diese unterscheiden sich in Teilen, was für die Lesenden erkennbar ist. Die Autoren haben das Heks mit den Aussagen Kadirs konfrontiert und insofern versucht, diese zu überprüfen. Es kann ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden, X. und den Rechtsvertreter des Heks nicht kontaktiert zu haben. Gegen X. wird kein schwerer Vorwurf erhoben, er wird namentlich nicht genannt. Das Heks seinerseits wurde angehört.

Beschwerdeführer X. sieht weiter seine eigene Rolle falsch dargestellt, indem das Heks zitiert wird mit der Aussage, auf Drängen der Begleitperson habe wohl der Mitarbeiter das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erwähnt. Hier steht Aussage gegen Aussage. Für den Presserat bleibt deshalb letztlich offen, ob die Wahrheitspflicht verletzt wurde.

Der Titel «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?» ist in Frageform verfasst, es werden hier somit keine Fakten dargestellt. Gefragt wird mit diesem Titel, wie das Verhalten des Rechtsberaters des Heks zu werten sei. Bereits aus dem Lead geht deutlich hervor, dass sich das Heks davon distanziert, Tipps abgegeben zu haben; er endet mit «Das Heks widerspricht». Weder wird mit diesem Titel gesagt, das Heks habe Hilfestellung zu einem allfälligen Asylmissbrauch gegeben, noch der betroffene Asylbewerber Kadir habe Asylmissbrauch betrieben. Allerdings kann der Begriff Asylmissbrauch im vorliegenden Zusammenhang leicht missverstanden werden. Das Erörtern der Rechtslage, also die Erwähnung des Urteils des Bundesverwaltungs- gerichts durch den Rechtsberater des Heks kann nicht als Tipp für einen Asylmissbrauch gewertet werden. Die Frage, wie es rechtlich zu würdigen wäre, wenn der Heks-Mitarbeiter Kadir tatsächlich explizit dazu motiviert hätte, online politisch aufzutreten, beantwortet der Artikel nicht; sie muss auch vorliegend offen bleiben. Diese Frage aufzuwerfen kann «20 Minuten» jedenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden. Im Ergebnis liegt somit keine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung» vor.

2. Der Verein Netzwerk Asyl Aargau sieht Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) verletzt, indem Fakten zur Person von Abdul Wasi Kadir und seine Erfahrungen im Asylverfahren mit den persönlichen Kommentaren der beiden Journalisten vermischt würden. Tamedia sagt, für das Publikum sei klar ersichtlich, wann es sich um unbestrittene Fakten handle und wann um subjektive Aussagen der Beteiligten.

Richtlinie 2.3 verpflichtet Journalisten, darauf zu achten, dass das Publikum zwischen Fakten und kommentierenden, kritisierenden Einschätzungen unterscheiden kann. Der Presserat hält fest, dass die Fakten, welche im Artikel über Kadir publiziert werden, nicht bestritten sind. Im Fokus des Artikels steht das Hilfswerk Heks, genauer die Frage, wie ein Hinweis auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bzw. ein (allfälliger) Tipp an einen abgewiesenen Asylbewerber durch das Hilfswerk zu werten ist. Der Artikel gibt darauf keine abschliessende Antwort. Diese Frage aufzuwerfen ist legitim und liegt im öffentlichen Interesse. Leserinnen und Leser können dabei einschätzen, wo es sich um die Darstellung von Fakten bzw. von bestrittenen Fakten handelt, wo um Aussagen der Beteiligten und wo Fragen in Bezug auf die Konsequenzen eines allfälligen Tipps durch das Heks gestellt werden. Kadir wird dabei in keinem Moment Asylmissbrauch vorgeworfen, insofern ist die Verwendung des Wortes Asylmissbrauch auch nicht als kommentierend zu werten. Eine Verletzung von Richtlinie 2.3 ist somit nicht geben.

3. X. macht eine mehrfache Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» dadurch geltend, dass die publizierten Mutmassungen und Vorwürfe durch keine Quellen und durch keine Dokumentation bestätigt seien, dass die Autoren persönliche Mutmassungen und Gerüchte veröffentlicht hätten und zudem mit ihren unbelegten und falschen Mutmassungen in irreführender Weise Politiker kontaktiert hätten, womit sie eine Kampagne als Akteure geführt hätten und gegen Richtlinie 3.7 (Meinungsumfragen) und Ziffer 2 (Unabhängigkeit und Würde des Berufs) der «Erklärung» verstossen hätten. Dazu ist festzuhalten, dass eine Befragung von drei Politikern und einem Vertreter eines Hilfswerks noch keine Meinungsumfrage darstellt – Richtlinie 3.7 ist somit nicht anwendbar. Für die Leserinnen und Leser ist zudem klar, auf welcher Basis die befragten Personen Antwort gegeben haben. Auch veröffentlichten die Autoren keine Gerüchte, sondern sie stützten sich bei ihrer Frage auf die Aussagen von Kadir. Ziffer 3 der «Erklärung» ist daher nicht verletzt.

4. Beschwerdeführer X. moniert im Weiteren, Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) sei verletzt, weil die Betroffenen – und somit er selbst – mit den schweren Vorwürfen nicht konfrontiert worden seien. Worin die schweren Vorwürfe bestehen, führt er nicht im Detail auf. Gestützt auf die Praxis des Presserats ist von einem schweren Vorwurf dann auszugehen, wenn jemandem ein illegales oder ein damit vergleichbares Verhalten vorgeworfen wird. Wenn im Artikel festgehalten wird, der Heks-Vertreter habe auf Drängen von Begleitperson X. das Bundesverwaltungsgerichtsurteil erwähnt, so liegt darin kein schwerer Vorwurf. Der Autor war somit nicht verpflichtet, X. anzuhören. Etwas anders liegen die Dinge beim Heks. Dieses steht im Zentrum der Berichterstattung und hat zum Vorgehen seines Rechtsberaters Stellung nehmen können. Insofern kann offenbleiben, ob gegen das Heks überhaupt schwere Vorwürfe erhoben worden sind.

5. Das Netzwerk Asyl Aargau sieht weiter die Richtlinien 4.2 (Verdeckte Recherchen – fälschlicherweise als 3.1 bezeichnet), 4.5 (Interview) und 4.6 (Recherchegespräche) dadurch verletzt, dass Autor Krähenbühl sich das Interview mit Kadir mit falschen Angaben erschlichen habe. Auch die Schulleitung und die Akteure vor Ort hätten Daniel Krähenbühl unter falschen Voraussetzungen bei seiner Reportage unterstützt. Dieser hätte zwingend die eingebauten Zitate autorisieren lassen müssen. Das korrekt geführte Video-Interview mit Kadir sei in einen Artikel montiert worden, der kaum mit dem Inhalt des aufgezeichneten Gesprächs zu tun habe. Damit diene der Film letztlich nur dazu, die des Asylmissbrauchs angeprangerte Person unter Umgehung des Rechts am eigenen Bild in der Öffentlichkeit abbilden zu können.

Richtlinie 4.2 bestimmt, dass verdeckte Recherchen ausnahmsweise zulässig sind, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an den damit recherchierten Informationen besteht und wenn sich diese Informationen nicht auf andere Weise beschaffen lassen. Richtlinie 4.5 (Interview) hält fest, ein Interview basiere auf einer Vereinbarung zwischen zwei Partnerinnen/Partnern, welche die dafür geltenden Regeln festlegen. Im Normalfall müssen Interviews autorisiert werden. Richtlinie 4.6 hält zudem fest, dass Journalisten ihre Gesprächspartner über das Ziel des Recherchegesprächs informieren sollen. Der befragten Person muss bewusst sein, dass sie eine Autorisierung der zur Publikation vorgesehenen Äusserungen verlangen darf.

Tamedia führt glaubhaft aus, Redaktor Krähenbühl habe sich mit Kadir in der ursprünglichen Absicht getroffen, eine Reportage über seine Lehrstellensituation zu machen. Erst im Verlauf des Gesprächs mit Kadir habe er vom angeblichen Hinweis des Heks erfahren. Es liegt im Wesen eines Interviews, dass dieses neue Elemente zu Tage fördern kann. Es entspricht seriöser Recherche, dass ein Journalist diesen nachgeht und nachhakt. Dies hat er laut nicht bestrittenen Aussagen von Tamedia zum einen mehrere Male bei Kadir getan, nachgefragt hat er aber auch beim Heks: Dieses bestätigte, ein Mitarbeiter des Rechtsdienstes habe das Bundesverwaltungsgerichtsurteil erwähnt, dies jedoch auf Drängen der Begleitperson. Der Autor hat somit die massgeblichen Protagonisten mit diesem neuen Informationselement konfrontiert. Er war nicht verpflichtet, die Schulleitung darüber zu informieren oder deren Meinung einzuholen. Dass der Inhalt des Video-Interviews nicht in allen Teilen identisch ist mit dem Inhalt der Berichterstattung, ist dabei hinzunehmen.

Der Verein Netzwerk Asyl macht geltend, scheinbar am Rande des Interviews geäusserte Informationen Kadirs habe Krähenbühl dazu verwendet, um Zitate zu konstruieren. Kadir habe zu den in dieser Form nicht richtig zitierten Aussagen nie Stellung nehmen können. Sie seien so nie Inhalt des geführten Interviews und entsprechend nie autorisiert gewesen. Auch Beschwerdeführer X. macht geltend, Kadir seien Zitate unterstellt worden. Diese könnten gar nicht von Kadir stammen, da sie nicht dem Stand seiner Sprache entsprächen. Zudem seien ihm die Zitate nicht zur Genehmigung unterbreitet worden, dies obwohl mit dem Projektleiter und dem Schulleiter vereinbart worden sei, dass keine Zitate veröffentlicht würden. Tamedia widerspricht. Redaktor Krähenbühl habe Kadir alle Zitate mündlich vorgelegt, worauf der sie guthiess. Der Journalist habe während des Gesprächs Redaktionskollegen beigezogen, die Kadirs Aussagen mithörten und sie bestätigen könnten.

Der Presserat konstatiert, dass der Artikel keine Zitate des Projektleiters oder des Schulleiters enthält, somit war diesen auch nichts vorzulegen. In Bezug auf die Autorisierung und korrekte Wiedergabe der Zitate von Kadir steht Aussage gegen Aussage. Eine Verletzung von Richtlinie 4.5 (Interview) und 4.6 (Recherchegespräch) ist jedenfalls nicht erstellt. Festzuhalten ist, dass Kadir im Video klar und verständlich auf Deutsch Auskunft gibt und die Fragen auch versteht. Festzuhalten ist ferner, dass Richtlinie 4.2 über verdeckte Recherchen vorliegend nicht anwendbar ist, da sich der Autor von Anfang an als Journalist zu erkennen gegeben hat.

6. Richtlinie 7.1 (Schutz der Privatsphäre) hält fest, dass jede Person Anspruch auf den Schutz ihres Privatlebens hat. Journalistinnen und Journalisten dürfen im Privatbereich keine Ton-, Bild- oder Videoaufnahmen ohne Einwilligung der Betroffenen machen. Richtlinie 7.2 (Identifizierung) verpflichtet Journalisten zudem, die beteiligten Interessen (Recht der Öffentlichkeit auf Information, Schutz der Privatsphäre) sorgfältig abzuwägen. Eine identifizierende Berichterstattung ist u.a. zulässig, sofern die betroffene Person im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Medienberichts in die Publikation einwilligt. Das Netzwerk Asyl macht geltend, wenn Kadir sich bereit erkläre, namentlich und in einem Video über seine Erlebnisse als abgewiesener Asylsuchender bezüglich seiner fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten zu berichten, bedeute dies noch lange nicht, dass dieses Material zu seiner Person in einem anderen Zusammenhang eingesetzt und er als verdächtigter potentieller Asylmissbraucher mit Namen und Bild dargestellt werden dürfe. Hier werde sowohl das Recht auf Privatsphäre wie auch das Recht auf sein eigenes Bild verletzt. Zudem werde eine Lehrkraft als allfälliger Helfer zum Asylmissbrauch dargestellt. Obwohl nicht namentlich genannt, sei er wegen des früher in der «Aargauer Zeitung» erschienenen Artikels problemlos zu identifizieren.

Nicht bestritten ist somit die Einwilligung Kadirs in das Interview und die Freigabe desselben. Eine Verletzung von Richtlinie 7.1 liegt folglich nicht vor. Gestützt auf Richtlinie 7.2 ist eine identifizierende Berichterstattung zulässig, sofern die betroffene Person im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Medienberichts öffentlich auftritt oder auf andere Weise in die Veröffentlichung einwilligt. Zu fragen ist somit, ob der nunmehr umfassendere Gegenstand des Medienberichts durch die Einwilligung noch abgedeckt ist. Der Presserat ist der Meinung, dass dies der Fall ist. Wie das beigefügte Video zeigt, hat Kadir nicht nur zu seiner Lage als abgewiesener Asylbewerber, als der er die ihm angebotene Lehrstelle als Koch nicht annehmen durfte, Auskunft gegeben, sondern auch zum Asylverfahren generell. Zum erweiterten Gegenstand des Artikels kommt er im Artikel selbst zu Wort. Eine identifizierende Berichterstattung war daher zulässig. Dies umso mehr, als das Vorgehen des Heks im Zentrum des Artikels steht und nicht das Handeln von Kadir selbst. Kadir wird nicht als verdächtiger potentieller Asylmissbraucher dargestellt, sondern es wird ganz generell die Frage gestellt, ob ein allfälliger Tipp des Heks einen Asylmissbrauch zur Folge haben könne. Offen bleibt, ob die Umsetzung dieses allfälligen Tipps tatsächlich als Asylmissbrauch zu qualifizieren wäre (s. oben). Im Ergebnis liegt somit kein Verstoss gegen Ziffer 7 der «Erklärung» vor. Der Presserat weist jedoch darauf hin, dass es sich vorliegend um ein heikles Verfahren eines fast noch Minderjährigen handelt, der mit den Gepflogenheiten der Schweizer Medien nicht vertraut ist. Mit dem Titel «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?», mithin der Verwendung des Wortes Asylmissbrauch verbunden mit der Nennung seines Namens wird eine Verbindung hergestellt, die nicht unproblematisch ist und deren Konsequenzen für Kadir nicht abschätzbar sind. Insofern wäre es «20 Minuten» gut angestanden, die Publikation von Name und Video noch einmal abzuwägen. Zudem hätte ein Einbezug des Begleiters bzw. dessen Befragung ein journalistisch abgerundeteres Bild ergeben. Unabdingbar war dies jedoch nicht.

7. Zu prüfen ist schliesslich, ob «20 Minuten» mit dem Artikel gegen Richtlinie 8.1 (Achtung der Menschenwürde) bzw. 8.2 (Diskriminierungsverbot) verstossen hat. Danach hat sich die Informationstätigkeit an der Achtung der Menschenwürde zu orientieren. Sie ist ständig gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information abzuwägen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der direkt betroffenen Personen als auch gegenüber der gesamten Öffentlichkeit. Dazu hält der Presserat fest, dass der Artikel grundsätzlich in einem positiven Grundton gehalten ist. Die Situation Kadirs wird respektvoll geschildert, von einer Brandmarkung Kadirs als scheinbarer «Asylmissbraucher» kann nicht die Rede sein. Tamedia ist zudem darin zuzustimmen, dass die Möglichkeit, dass sich der Artikel allenfalls negativ auf das Verfahren des Asylbewerbers auswirken könnte und dieser nun in der Öffentlichkeit exponiert sei, den Schutzbereich der Menschenwürde nicht tangiert. Die Richtlinien 8.1 und 8.2 sind nicht verletzt. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in Ziffer 6 der Erwägungen verwiesen.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. «20 Minuten» hat mit den Artikeln «Gab Hilfswerk Tipps zum Asylmissbrauch?» sowie «‹Asylmissbrauch› oder ‹mutige Tat›?» vom 12. Oktober 2017 die Ziffer 1 (Wahrheitspflicht), 2 (Trennung von Fakten und Kommentar), 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen), 7 (Identifizierung) und 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.