Nr. 17/2022
Wahrheit

(X. c. «Walliser Bote»)

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I. Sachverhalt

A. Am 26. August 2021 erschien im «Walliser Bote» ein ausführliches Interview mit Yves Mittaz, dem «Walliser Sportmanager hinter dem erfolgreichen Omega European Masters», dem Golfturnier von Crans-Montana. Neben dem Titel «Yves Mittaz, wie viele Millionen verdienen Sie mit dem Turnier?» war ein grosses Foto eines unscharf im Vordergrund abgebildeten Golfspielers zu sehen, im Hintergrund, scharf und deutlich erkennbar, eine dicht gedrängte Menge von Zuschauern ohne Maske, die ihn bei einem Schlag beobachten. Bildlegende: «Als wäre nichts gewesen: Das beliebte internationale Golfturnier auf dem Walliser Hochplateau erweist sich in Zeiten der Pandemie als eines der gesündesten in Europa.»

B. Am 25. November 2021 reichte X. Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er macht geltend, das Bild und der dazugehörige Text verletze die Ziffer 1 (Wahrheitsgebot) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»). Zur Begründung weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass der durchschnittliche Leser, die durchschnittliche Leserin aufgrund der Bildlegende («als wäre nichts gewesen», «in Zeiten der Pandemie») davon ausgehen müsse, dass das Bild mit dem sehr dicht gedrängten, maskenlosen Publikum entweder aus dem Jahr 2020 oder aus dem laufenden Jahr 2021 stammen müsse und man sich entsprechend verblüfft frage, ob Crans jetzt zum Corona-Hotspot werde. Er verweist auf die Stellungnahme 42/2021, in welcher der Presserat festgehalten hat, dass die Kombination von Bild und Bildlegende eine falsche Aussage ergeben könne. Zwar werde aus dem Text des Interviews in der vierten Frage klar, dass das Bild nicht aus dem Jahr 2020 stammen könne. Ob es ein aktuelles Bild sei, bleibe für die durchschnittliche Leserschaft aber offen. Diese werde effektiv in die Irre geführt, im Glauben, es handle sich um ein aktuelles Bild aus Corona-Zeiten.

C. Am 7. Februar 2022 nahm der Chefredaktor des «Walliser Bote», Armin Bregy, Stellung zur Beschwerde. Er hielt fest, dass es «präziser und auch besser» gewesen wäre, man hätte von einem Archivbild gesprochen. Es erschliesse sich der Leserschaft aber, dass das Bild aus der Vor-Corona-Zeit stammen müsse. Erstens werde im Text darauf hingewiesen, dass das letzte Turnier 2019 stattgefunden habe. Ein Bild von 2020 könne es also nicht sein. Und auch 2021 falle ausser Betracht, denn das Turnier habe ja erst am Tag des Erscheinens des Artikels begonnen, der Text habe eine Vorschau darauf beinhaltet. Die Wahrheitspflicht sei damit nicht verletzt.

D. Am 18. Februar 2022 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Max Trossmann, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin.

E. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 1. April 2022 verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Die Ziffer 1 der «Erklärung» verlangt, dass JournalistInnen sich an die Wahrheit halten. Beide Parteien sind sich darin einig, dass es mindestens «präziser und auch besser» gewesen wäre, man hätte die Illustration als Symbol- oder Archivbild gekennzeichnet. Damit wäre der Leserschaft klar geworden, dass es sich nicht um einen aktuellen bildlichen Beleg handelt. Bild (dicht gedrängte Zuschauer) und Text («als wäre nichts gewesen», «in Zeiten der Pandemie») ergeben zusammen einen mindestens stark irreführenden Eindruck. Daran ändert auch nichts, dass im Text, in der vierten Frage eines langen Interviews, impliziert wird, dass das Bild nicht aus der Corona-Zeit im Jahr 2020 stammen kann. Der falsche Eindruck löst sich nur für diejenigen auf, welche überhaupt bis dorthin lesen und dies erst noch sehr aufmerksam. Und dass das Bild nicht aktuell sein könne, nicht aus dem Jahr 2021, weil das Turnier ja erst am Erscheinungstag des Turniers veröffentlicht worden sei, ändert auch nichts an der irreführenden Gesamt-Aussage. Denn nur die allerwenigsten LeserInnen wissen, wann genau das Golfturnier von Crans beginnt, und auf der ganzen Doppelseite ist davon nicht die Rede.

2. Wenn Bild und Legende zusammen einen falschen Eindruck erweckt haben, stellt sich noch die Frage, ob es sich – der Praxis des Presserates folgend – um einen eigentlichen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht handelt, oder allenfalls um einen handwerklichen Fehler von weniger erheblicher Bedeutung. Der Presserat geht vom zweiten aus. Der Artikel drehte sich nicht primär um die Pandemie und den Umgang mit dieser im Rahmen eines Golfturniers. Das zwar sehr wohl auch, es ging aber insgesamt um ein breites Spektrum von Fragen im Rahmen von Profi-Golfturnieren. Und dabei wiederum ging es nicht um eine falsche Aussage in diesem Text, sondern «nur» um eine missverständliche Bildlegende. In Anbetracht dessen sieht der Presserat von einer Rüge ab, mahnt aber den «Walliser Bote», sich an die «Erklärung» und die Richtlinien zur «Erklärung» zu halten und gemäss Richtlinie 3.4 Symbolbilder (respektive hier ein Archivfoto) «deutlich zu kennzeichnen und sie damit von Bildern mit Dokumentations- und Informationsgehalt unterscheidbar zu machen, die zum Gegenstand der Berichterstattung einen direkten Bezug herstellen». Genau dies war hier nicht der Fall. Oder um es mit dem Chefredaktor des «Walliser Bote» zu formulieren: Es wäre präziser und besser gewesen, in der Bildlegende von einem Archivbild zu sprechen.

III. Feststellungen

1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.

2. Der «Walliser Bote» hat mit dem Artikel «Yves Mittaz, wie viele Millionen verdienen Sie mit dem Turnier?» die Ziffer 1 (Wahrheit) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.