Nr. 7/2022
Trennung von redaktionellem Teil und Werbung

(X. c. «Jungfrau Zeitung»)

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Zusammenfassung

Die «Jungfrau-Zeitung», die online erscheint, veröffentlichte im vergangenen November einen Artikel mit dem Titel «Warum Berner ihr Auto in XY kaufen». Der Text beschrieb in lobenden Tönen und mit vielen Bildern die Vorzüge eines Autohauses in XY. Der Artikel war mit einem kleinen Vermerk «Premium» gekennzeichnet.

Ein Leser reichte beim Presserat dagegen Beschwerde ein, weil der Text die Trennung von redaktionellem Teil und Werbung missachte. Die «Jungfrau Zeitung» wies demgegenüber darauf hin, dass der Artikel den Vermerk «Premium» trage, womit die Redaktion extern bezahlte Auftragsarbeit kennzeichne. Am Schluss des Beitrages finde sich auch ein Link, der auf eine andere Webseite führt, wo erklärt werde, was unter «Premium» zu verstehen sei. Dort steht, wie viel AuftraggeberInnen bezahlen müssen, wenn sie in der «Jungfrau Zeitung» einen journalistisch anmutenden PR-Beitrag publiziert haben möchten. Damit sei, so argumentiert die Zeitung, für die LeserInnen klare Transparenz hergestellt.

Der Presserat stellte im Ergebnis einen eindeutigen Verstoss gegen den Berufskodex fest: Die gebotene klare Trennung von redaktionellem Text und Werbung werde nicht eingehalten. Der Vermerk «Premium» sei kaum wahrnehmbar, «Premium» suggeriere zudem eine erhöhte Qualität, nicht aber, dass es sich um einen bezahlten Werbetext handle. Stossend sei auch, dass der Text von einer Autorin stamme, die üblicherweise im redaktionellen Teil schreibe, und der Werbetext – gegen erheblichen Aufpreis – auch in der Rubrik «News» integriert werde.

Résumé

La «Jungfrau-Zeitung», qui parait en ligne, a publié en novembre dernier un article intitulé «Warum Berner ihr Auto in XY kaufen» (pourquoi les Bernois achètent leur voiture à XY). Le texte décrivait en termes flatteurs et avec moult images les avantages d’un concessionnaire automobile de XY. L’article portait la mention «Premium» en petits caractères.

Un lecteur s’en est plaint auprès du Conseil de la presse, estimant que le texte ne respecte pas la séparation entre partie rédactionnelle et publicité. La «Jungfrau Zeitung» a invoqué le fait que l’article portait la mention «Premium» signalant que la rédaction avait travaillé sur commande et contre rémunération. À la fin de l’article figurait aussi un lien vers un autre site web où il était expliqué ce que «Premium» signifie. On y voyait ce que les clients doivent payer pour pouvoir publier dans la «Jungfrau Zeitung» un article RP d’apparence journalistique. Le média argumente que la transparence règne donc pour le lectorat.

Le Conseil de la presse a conclu qu’il y a clairement une atteinte au code de déontologie des journalistes: la séparation claire exigée entre partie rédactionnelle et publicité n’est pas respectée. La mention «Premium» est à peine visible, elle suggère une qualité accrue, non qu’il s’agit d’un texte publicitaire payé. Il juge également choquant que le texte émane d’une autrice qui écrit d’habitude dans la partie rédactionnelle et que le texte publicitaire soit intégré – moyennant un surcoût élevé – dans la rubrique «News».

Riassunto

Lo scorso novembre, la «Jungfrau-Zeitung», diffusa online, ha pubblicato un articolo intitolato «Perché i bernesi comprano la loro auto a XY». Il testo descriveva in toni elogiativi e con abbondanza d’immagini i vantaggi di un concessionario di automobili a XY. L’articolo era contrassegnato dalla dicitura «Premium», di piccole dimensioni.

Un lettore ha presentato un reclamo presso il Consiglio della stampa perché il testo non rispettava la separazione tra parte editoriale e pubblicità. La «Jungfrau-Zeitung» ha per contro fatto notare che l’articolo era contrassegnato dalla nota «Premium», utilizzata dai redattori per indicare un lavoro su commissione retribuito dall’esterno. Sottolineava come in calce all’articolo ci fosse inoltre un link che collegava ad un altro sito web in cui veniva spiegato cosa s’intendesse per «Premium». In questo sito è indicata la somma che i clienti devono pagare se vogliono che sulla «Jungfrau-Zeitung» venga pubblicato un articolo pubblicitario con un taglio giornalistico. Il media sostiene che in tal modo viene fornita un’informazione chiara e trasparente ai lettori.

Il Consiglio della stampa ha riscontrato un’inequivocabile violazione del Codice di condotta professionale: non è stata rispettata la richiesta di una netta separazione tra testo editoriale e pubblicità. La dicitura «Premium» è quasi impercettibile. Inoltre, «Premium» suggerisce l’idea di qualità superiore ma non che si tratta di un testo pubblicitario a pagamento.
Oltre a ciò, è risultato scioccante che questo testo appartenga a una giornalista che di solito si occupa di articoli redazionali e che sia stato integrato anche nella rubrica «News», con un notevole aumento del prezzo.

I. Sachverhalt

A. Am 19. November 2021 veröffentlichte «jungfrauzeitung.ch» einen Artikel gezeichnet von Sarah Neuhaus mit dem Titel «Warum Berner ihr Auto in Frutigen kaufen». Im Text wird reportageartig über das Unternehmen «Autohaus von Känel» berichtet, illustriert mit elf Fotos und einem Videointerview mit dem Auftraggeber. Es wird dargestellt, wie engagiert der Chef des Hauses seine 70 MitarbeiterInnen führt, wie der Betrieb von dessen Vater gegründet wurde, wie es kommt, dass mittlerweile Kunden aus dem ganzen Berner Oberland, aber selbst über Bern hinaus bis Solothurn ihre Autos in Frutigen kaufen und pflegen lassen, wie sehr der Betrieb trotz Pandemie wächst, wie kreativ man die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Covid-Vorgaben bewältigt habe, wie das Autohaus Sportvereine unterstützt und wie jetzt weiter expandiert werden soll. Autorin ist eine im redaktionellen Teil zeichnende Journalistin der nur noch online erscheinenden «Jungfrau Zeitung». Am Schluss des Artikels erscheint die Adresse und ein Link zum Autohaus von Känel AG. Über dem Titel des Artikels findet sich in sehr viel kleinerer, schwarz unterlegter weisser Schrift das Wort «PREMIUM», gefolgt von der Byline «Frutigen» und Datum. Am Schluss des Artikels, nach der Adresse und den Links zum Autohaus von Känel der Hinweis in – wieder – sehr kleiner Schrift: «PREMIUM Informationen zum News Format Premium finden Sie hier». «Hier» ist unterlegt mit einem Link, der auf die Ebene «Werbeformen» führt und dort zur Erläuterung, dass «Premium» eine Werbeform ist, bei der die Redaktion mittels «Storytelling» dazu verhelfe, ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung vorzustellen. «Wir bieten die perfekte Lösung, gemeinsam mit Ihnen erarbeiten wir die Geschichte dazu.» Kostenpunkt für eine Seite Fr. 4000.–, für zwei Seiten 6000.–. Für zusätzliche 1500.– erscheint ein Beitrag in der Nachrichtensendung «Panorama».

B. Am 19. November 2021 reichte X. Beschwerde gegen den Artikel beim Schweizer Presserat ein. Der Beschwerdeführer macht einen Verstoss gegen die Ziffer 10 (Trennungsgebot von Werbung und redaktionellem Inhalt) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») geltend.

Zur Begründung führt er an, de facto handle es sich bei Beiträgen wie diesem um bezahlte Werbung oder PR-Texte, diese seien mit dem kleinen Vermerk «Premium» für durchschnittliche LeserInnen nicht als solche erkennbar. Insbesondere auch deswegen nicht, weil die AutorInnen solcher Beiträge Personen des Redaktionsteams seien, den LeserInnen bekannt aus redaktioneller Arbeit. Vor allem aber weise der Ausdruck «Premium» in keiner Weise auf Werbung hin. Es stelle sich grundsätzlich die Frage, wie deutlich Werbung in einem redaktionellen Umfeld kenntlich gemacht werden müsse bzw. ob es ausreiche, wenn eine Publikation, die sich als Zeitung definiere, ein eigenes Label für Werbeinhalte kreiere.

C. Am 6. Dezember 2021 nahm Herausgeber Urs Gossweiler für die «Jungfrau Zeitung» zur Beschwerde Stellung. Er stellt keinen Antrag hinsichtlich des Antrags des Beschwerdeführers (Gutheissung der Beschwerde, Verstoss gegen Ziffer 10 der «Erklärung»), hingegen erläutert er einfach die Praxis der «Jungfrau Zeitung»: «Premium» sei die Bezeichnung für bezahlte Inhalte auf der Plattform Jungfrau Zeitung. Deswegen seien diese Beiträge folgendermassen gekennzeichnet:
Dieser Rubrik vorangestellt sei das Wort Premium.
Nur diese eine Bezeichnung erscheine in Form von Grossbuchstaben, zusätzlich sei sie mit Farbe unterlegt.
Am Schluss stehe ein Link zum Produktebeschrieb, damit erhalte der Nutzer Transparenz, sogar über die Höhe der finanziellen Abgeltung.
Die Premium-Beiträge würden nicht in der Rubrik «News» abgelegt, sondern in einem separaten Hauptkapitel «Premium».
Die Beiträge würden zwar von Kunden bestellt, jedoch von redaktionellen MitarbeiterInnen verfasst. Diese könnten hinter ihren Beiträgen stehen, daher firmierten sie auch mit ihren Namen.
Themen von Premium-Beiträgen seien KMU, NGO und Behörden, sie behandelten konstruktive, zukunftsfähige Initiativen. So habe man im Falle des Autohauses von Känel die vorbildliche Umsetzung der Covid-Vorgaben dargestellt.

D. Am 7. Februar 2022 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde gemäss Artikel 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats von dessen Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Max Trossmann, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin.

E. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 4. März 2022 verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Die Ziffer 10 der «Erklärung» ist eine der zentralen Säulen eines unabhängigen, freien Journalismus. Sie schreibt vor, dass die Leserschaft jederzeit wissen muss, womit sie es zu tun hat. Es muss klar und offensichtlich sein, ob der vorliegende Text von einer unabhängigen Redaktion verfasst worden ist oder aber im Auftrag eines zahlenden Werbekunden.

Die klein gehaltene Bezeichnung «Premium» zu Beginn des vorliegenden Artikels erfüllt diesen Anspruch in keiner Weise. «Premium» signalisiert «hochwertig», «von erster Qualität». Aber sicher nicht: «Es folgt bezahlter Inhalt.» Diese Täuschung der Leserschaft wird noch verstärkt durch den Umstand, dass als AutorInnen Personen fungieren, die der Leserschaft bekannt sind aus ihrer üblichen regulären redaktionellen Tätigkeit.

2. Wenn der Herausgeber argumentiert, die «Jungfrau Zeitung» lege diese Artikel nicht im Bereich «News» ab, sondern im separaten Hauptkapitel «Premium», dann stimmt das nur zum Teil. Wer die News-Seite öffnet, bekommt in der rechten Spalte «Premium»-Artikel angeboten. Dass dies technisch und redaktionell Hinweise auf eine andere Rubrik sind, erschliesst sich der Leserschaft nur, wenn sie genau weiss, was sich hinter dem Begriff «Premium» verbirgt. Davon ist im Regelfall nicht auszugehen. Vor allem aber lässt sich der Inhalt gegen Bezahlung von zusätzlichen 1500 Franken auch noch in der Nachrichtensendung «Panorama» platzieren, was besonders grob gegen die Trennung von redaktionellem Teil und Werbung verstösst.

3. Der «Jungfrau Zeitung» ist zwar zuzustimmen, wenn sie argumentiert, sie schaffe Transparenz, indem über einen Link klargestellt werde, dass hier bezahlte Werbung betrieben wird und sogar kommuniziert wird, zu welchem Preis das geschieht. Das ist zu begrüssen. Nur ändert dies nichts daran, dass die durchschnittliche Leserschaft, auf welche der Presserat jeweils abstellt, nicht von Beginn an klar erkennt, was hier vorliegt. Und genau dies müsste der Fall sein.

All dies gilt umso mehr, als die jüngste Untersuchung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW) festgestellt hat, dass diese durchschnittliche Leserschaft selbst bei deutlicher gekennzeichneten Formen von «Native Advertising» nicht realisiert, dass es sich hier um bezahlte Inhalte handelt. Die sehr klare und deutliche Kennzeichnung von Werbung ist aber zentral für den Erhalt von journalistischer Qualität und Glaubwürdigkeit. Sie ist hier nicht gegeben.

4. Wenn die «Jungfrau Zeitung» darauf hinweist, dass sie mit dieser Rubrik vor allem zukunftsgerichtete Projekte von KMUs, NGOs und Behörden thematisieren will, dann ist auch dies grundsätzlich anzuerkennen. Aber das vorliegende Beispiel des Autohauses zeigt, dass ein derartiger Text, wenn von einem Auftraggeber bezahlt, inhaltlich schnell zu reiner, ohne Distanz abgefasster Werbung werden kann. Als was sie ja effektiv auch gedacht ist.

Die Ziffer 10 der «Erklärung» ist mit der «Premium»-Praxis der «Jungfrau Zeitung» klar verletzt.

III. Feststellungen

1. Der Presserat heisst die Beschwerde gut.

2. Die «Jungfrau Zeitung» verletzt mit ihrer Praxis von «Premium»-Artikeln die Ziffer 10 (Trennung von redaktionellem Teil und Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten».