Rüge gegen NZZ abgewiesen: Presserat kann keine strittigen wissenschaftlichen Fragen klären

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Im Dezember 2021 veröffentlichte die NZZ einen Artikel unter dem Titel: «Impfempfehlung? Nein, dazu können sich Schweizer Homöopathen nicht durchringen». In diesem Zusammenhang wurde bemerkt: «Fast 10 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer versuchen sich laut einer Umfrage aus dem Jahr 2014 mit Globuli zu kurieren – obwohl es keinerlei wissenschaftliche Evidenz gibt, dass homöopathische Mittel besser wirken als Placebo. Manche, wenn auch nicht alle Anhänger der ‹sanften Medizin› sind gegenüber der evidenzbasierten Medizin skeptisch. Und damit anfällig für Verschwörungstheorien über den angeblichen Schaden der Covid-19-Impfung.»

Die Union Schweizerischer komplementärmedizinischer Ärzteorganisationen erhob Beschwerde gegen den Text. Die Behauptung des NZZ-Journalisten, es gebe keinen Beweis, dass alternative Heilmittel wirksam seien, sei falsch, es gebe Studien, die das belegten. Eine zweite Behauptung, wonach Befürworter der Komplementärmedizin empfänglich seien für Verschwörungstheorien, sei eine reine, nicht deklarierte, Meinungsäusserung. Es gebe im Übrigen auch Studien, die belegten, dass es keinen Zusammenhang gebe zwischen der Verwendung von Homöopathika und der Bereitschaft, sich impfen zu lassen.

Der Presserat hält in seinem Entscheid fest, dass es nicht seine Aufgabe ist, strittige wissenschaftliche Fragen zu klären. Er prüft nur, ob ein Text den Anforderungen der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» entspricht.

Nach intensiver Diskussion wurde die Beschwerde abgewiesen. Die Beschwerdeführerin legte zwar Studien vor, welche die Wirksamkeit von alternativen Heilmitteln belegen, umgekehrt gibt es aber auch ernstzunehmende wissenschaftliche Stimmen, die das bestreiten. «Evidenz» wird laut Duden unter anderem als «unumstössliche Tatsache», als eine «unwiderlegbare Erkenntnis» definiert. So gelesen ist die verwendete Formulierung nicht falsch; es wäre aber wünschbar gewesen, dass die NZZ differenzierter formuliert hätte.

Bezüglich der Feststellung, dass Befürworter der Komplementärmedizin empfänglicher für Verschwörungstheorien seien und sich seltener impfen liessen, gibt es Belege, die für respektive gegen die These sprechen, ein Verstoss gegen die «Erklärung» ist deshalb auch in diesem Punkt nicht nachgewiesen.

Zur Stellungnahme 39/2022