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Gewalt in den Medien
Edito von Jan Grüebler, Vizepräsident Schweizer Presserat

Kriege, Amokläufe und Verbrechen: Medien berichten häufig über grausame Taten und blutige Ereignisse. Sie beschreiben jedoch nicht jedes Detail und publizieren nicht die schlimmsten Bilder von Folteropfern oder entstellten Leichen. Aber weshalb eigentlich nicht? Und wann ist eine ausführliche, detailreiche Beschreibung von Gewalt doch erlaubt? Mit dieser Frage hat sich der Presserat aufgrund von Beschwerden gegen «20 Minuten» und «nau.ch» befasst. Beide berichteten über ein Tötungsdelikt an einer Frau und veröffentlichten dabei grausame Details. Die Informationen stammen aus den Gerichtsakten. Sie sind also offiziell protokolliert. Trotzdem hätten die beiden Medien nicht einfach alles aus den Akten verbreiten dürfen, hält der Presseart fest.

Die Richtlinie 8.3 des Journalismuskodex sagt, die sensationelle Darstellung von Sterbenden, Leidenden und Leichen ist nicht erlaubt, wenn die detailgetreue Beschreibung «die Grenze des durch das legitime Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Gerechtfertigten übersteigt.» Das gilt für Texte und Bilder. Das heisst, es kann angebracht sein, über Details eines Kriegsverbrechens zu berichten oder die Folterpraktiken eines Regimes zu belegen. Es ist auch vorstellbar, Grausamkeiten aus Gerichtsakten zu veröffentlichen. Es ist aber immer sorgfältig abzuwägen zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Information und den Interessen der Opfer und der Betroffenen.

In diesem Fall ist kein Interesse der Öffentlichkeit an der ausführlichen Darstellung der Gewalt zu erkennen. Die Schilderung exakter, grausamer Details des Verbrechens durch beide Medien übersteigen das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bei Weitem. Die Details helfen nicht, die Tat besser einordnen zu können, sondern wirken entmenschlichend. Sie sind nicht von öffentlichem Interesse, sie dienen lediglich der Erzeugung von Spannung, der Befriedigung der Neugier und dem Generieren von Clicks.

Die Argumentation von «20 Minuten» und «nau.ch», sie hätten so berichtet, weil es wichtig sei, über Femizide zu berichten, ist nicht nachvollziehbar. Selbstverständlich ist es von öffentlichem Interesse, über Femizide zu berichten und auf die Problematik hinzuweisen. Die beanstandeten Artikel tun aber letztlich genau das Gegenteil und lassen Sensibilität und Respekt gegenüber dem Opfer und den Angehörigen vermissen

Zur Stellungnahme 40/2025