Newsletter #5:  Regeln für KI im Journalismus

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Edito Susan Boos (Präsidentin Schweizer Presserat)

«Lisa Kochen & Backen» heisst das Heft, das im Mai Geschichte schrieb. Der deutsche Burda-Verlag gibt es heraus. Eigentlich nichts Besonderes – ausser: Das Kochmagazin war von einer künstlichen Intelligenz (KI) zusammengeschrieben worden, wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtete. Niemand hat die «genialen 99 Pasta-Rezepte für Geniesser» getestet. Darf man das?

Der bestehende Berufskodex gibt für viele Fragen, die KI-Schreibprogramme wie ChatGTP & Co. aufwerfen, heute schon klare Regeln vor. Die «Erklärung» hält fest:

«JournalistInnen veröffentlichen nur Informationen, Dokumente, Bilder und Töne, deren Quellen ihnen bekannt sind. Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen.» Diese Vorgaben sind in den entsprechenden Richtlinien zum Umgang mit Quellen oder Bildern noch präzisiert.

Im Bereich der künstlichen Intelligenz und ganz allgemein gilt: 

➤        Journalistinnen und Journalisten sind immer und vollumfänglich verantwortlich für die Inhalte, die sie publizieren, unabhängig davon, welche KI-Werkzeuge sie verwenden.

Ein wichtiger Punkt betrifft die Transparenz:

➤        Der Einsatz von bildgenerierenden KI-Werkzeugen in der journalistischen Produktion muss transparent gemacht werden.

Was für künstlich generierte Fotos gilt, gilt auch für Texte – die Leserinnen und Leser müssen zumindest erfahren, dass kein Mensch, sondern ein KI-Tool einen Text verfasst hat. Der Burda-Verlag unterliess es, seine Leserschaft zu informieren, dass eine KI hier Köchin gespielt hat. Nun gut, Rezepte sind wohl keine journalistischen Texte, sonst wäre es ein Verstoss gegen den Kodex. Der Deutsche Presserat hatte aber bereits einen KI-Fall zu beurteilen: Die Frauenzeitschrift «Die Aktuelle» publizierte unter der Schlagzeile «Michael Schumacher: Das erste Interview!» eine «Welt-Sensation». Das Magazin gab vor, der Rennfahrer habe «zum ersten Mal seit seinem schweren Skiunfall Rede und Antwort» gestanden. Der Deutsche Presserat kam Mitte Juni zum Schluss, damit habe die Zeitschrift gegen das Wahrheitsgebot verstossen: «Erst im letzten Drittel informierte die Redaktion darüber, dass dessen angebliche Antworten von einer Künstlichen Intelligenz stammten. Diese schwere Irreführung der Leserschaft ist dazu geeignet, die Glaubwürdigkeit der Presse zu schädigen.»

In der Schweiz ist weder ein vergleichbarer Fall bekannt, noch ging eine entsprechende Beschwerde beim Presserat ein. Die Nutzung von KI-Werkzeugen wirft allerdings diverse neue Fragen auf. Der Schweizer Presserat beschäftigt sich intern intensiv damit, zu klären, ob und allenfalls wie die berufsethischen Richtlinien und eventuell auch die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» angepasst werden müssen. 

Verschiedene Schweizer Medienhäuser haben sich bereits selber Regeln für den Umgang mit künstlicher Intelligenz gegeben. Der Presserat begrüsst dies, möchte darüber hinaus aber für alle einheitlich geltende Richtlinien erarbeiten.

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