Nichteintreten wegen parallelem Gerichtsverfahren

Drucken

Das Magazin «L’Illustré» veröffentlichte ein Foto eines Abts, verwechselte ihn dabei aber mit einem Priester, dem schwerer sexueller Missbrauch vorgeworfen wird. Der Abt strengte ein Gerichtsverfahren an und reichte gleichzeitig beim Presserat eine Beschwerde ein. Für gewöhnlich tritt der Presserat auf solche sogenannte Parallelverfahren nicht ein. Der Abt wollte, dass sich der Schweizer Presserat trotzdem mit seiner Beschwerde befasst, da er Opfer eines aussergewöhnlich schweren Fehlers geworden sei.

In zwei Ausnahmefällen beschäftigt sich der Presserat mit einer Beschwerde, auch wenn ein Parallelverfahren angestrengt wurde: wenn sich berufsethische Grundsatzfragen stellen oder wenn der beanstandete Bericht eine breite öffentliche Diskussion auslöst. Der Fall löste keine grosse Debatte aus, aber er betrifft eine ethische Grundsatzfrage – die Suche nach der Wahrheit, die Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen und deren Überprüfung. Bevor der Presserat Eintreten beschliesst, muss er jedoch eine Interessenabwägung vornehmen. Zwei parallele Verfahren zu führen, lässt sich vor allem rechtfertigen, wenn ein Fall ungeklärte medienethische Fragen aufwirft. Das ist bei dieser Beschwerde jedoch nicht der Fall, da der Presserat schon diverse vergleichbare Fälle behandelt hat, weshalb der Presserat nicht auf die Beschwerde eintritt.

Zur Stellungnahme 23/2024