Richtlinie 1.1 – Wahrheitssuche
Die Wahrheitssuche stellt den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit dar. Sie setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten (Text, Ton und Bild), die Überprüfung und die allfällige Berichtigung voraus. Diese Aspekte werden nachfolgend unter den Ziffern 3, 4 und 5 der «Erklärung der Pflichten» behandelt.
Richtlinie 2.1 – Informationsfreiheit
Die Informationsfreiheit ist die wichtigste Voraussetzung der Wahrheitssuche. Es obliegt allen Journalistinnen und Journalisten, dieses Grundprinzip allgemein und individuell zu verteidigen. Der Schutz dieser Freiheit wird durch die Ziffern 6, 9, 10 und 11 der «Erklärung der Pflichten» und durch die «Erklärung der Rechte» gewährleistet.
Richtlinie 2.2 – Meinungspluralismus
Der Meinungspluralismus trägt zur Verteidigung der Informationsfreiheit bei. Er ist notwendig, wenn sich ein Medium in einer Monopolsituation befindet.
Richtlinie 2.3 – Trennung von Fakten und Kommentar
Journalistinnen und Journalisten achten darauf, dass das Publikum zwischen Fakten und kommentierenden, kritisierenden Einschätzungen unterscheiden kann.
Richtlinie 2.4 – Öffentliche Funktionen
Die Ausübung des Berufs der Journalistin, des Journalisten ist grundsätzlich nicht mit der Ausübung einer öffentlichen Funktion vereinbar. Wird eine politische Tätigkeit aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise wahrgenommen, ist auf eine strikte Trennung der Funktionen zu achten. Zudem muss die politische Funktion dem Publikum zur Kenntnis gebracht werden. Interessenkonflikte schaden dem Ansehen der Medien und der Würde des Berufs. Dieselben Regeln gelten auch für private Tätigkeiten, die sich mit der Informationstätigkeit überschneiden könnten.
Richtlinie 2.5 – Exklusivverträge
Exklusivverträge mit Trägerinnen und Trägern von Informationen dürfen nicht Vorgänge oder Ereignisse zum Gegenstand haben, die für die Information der Öffentlichkeit und die Meinungsbildung von erheblicher Bedeutung sind. Wenn solche Verträge ein Informationsmonopol etablieren, indem sie andere Medien vom Zugang zu Informationen ausschliessen, beeinträchtigen sie die Pressefreiheit.
Richtlinie 3.1 – Quellenbearbeitung
Ausgangspunkt der journalistischen Sorgfaltspflichten bildet die Überprüfung der Quelle einer Information und ihrer Glaubwürdigkeit. Eine genaue Bezeichnung der Quelle eines Beitrags liegt im Interesse des Publikums, sie ist vorbehältlich eines überwiegenden Interesses an der Geheimhaltung einer Quelle unerlässlich, wenn dies zum Verständnis der Information wichtig ist.
Richtlinie 3.2 – Medienmitteilungen
Medienmitteilungen von Behörden, Parteien, Verbänden, Unternehmen oder anderer Interessengruppen sind als solche zu kennzeichnen.
Richtlinie 3.3 – Archivdokumente
Archivdokumente sind ausdrücklich zu kennzeichnen, allenfalls mit Angabe des Datums der Erstveröffentlichung. Zudem ist abzuwägen, ob sich die abgebildete Person immer noch in der gleichen Situation befindet und ob ihre Einwilligung auch für eine neuerliche Publikation gilt.
Richtlinie 3.4 – Illustrationen
Bilder oder Filmsequenzen mit Illustrationsfunktion, die ein Thema, Personen oder einen Kontext ins Bild rücken, die keinen direkten Zusammenhang mit dem Textinhalt haben (Symbolbilder), sollen als solche erkennbar sein. Sie sind klar von Bildern mit Dokumentations- und Informationsgehalt unterscheidbar zu machen, die zum Gegenstand der Berichterstattung einen direkten Bezug herstellen.
Richtlinie 3.5 – Fiktive Sequenzen
Fiktive Sequenzen und gestellte Bilder, die in Fernsehberichten und Reportagen von Schauspielerinnen bzw. Schauspielern stellvertretend für die von einer Berichterstattung betroffenen realen Personen gespielt werden, sind klar als solche zu kennzeichnen.
Richtlinie 3.6 – Montagen
Foto- und Videomontagen sind gerechtfertigt, soweit sie dazu dienen, einen Sachverhalt zu erklären, eine Mutmassung zu illustrieren, kritische Distanz zu wahren, oder wenn sie einen satirischen Angriff enthalten. Sie sind in jedem Fall deutlich als solche zu kennzeichnen, damit für das Publikum keine Verwechslungsgefahr besteht.
Richtlinie 3.7 – Meinungsumfragen
Bei der Veröffentlichung von Meinungsumfragen sollten die Medien dem Publikum immer alle Informationen zugänglich machen, die für das Verständnis der Umfrage nützlich sind: Mindestens Zahl der befragten Personen, Repräsentativität, mögliche Fehlerquote, Erhebungsgebiet, Zeitraum der Befragung, Auftraggeberin / Auftraggeber. Aus dem Text sollten auch die konkreten Fragen inhaltlich korrekt hervorgehen. Eine Karenzfrist für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen und Abstimmungen ist mit der Informationsfreiheit nicht vereinbar.
Richtlinie 3.8 – Anhörung bei schweren Vorwürfen*
Gemäss dem Fairnessprinzip gehört es zum journalistischen Handwerk, sich über die verschiedenen Standpunkte von Beteiligten zu informieren. Werden schwere Vorwürfe erhoben, ist es gemäss dem Grundsatz «audiatur et altera pars» Pflicht, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, Stellung zu nehmen. Vorwürfe gelten als schwer, wenn sie gravierendes Fehlverhalten beschreiben oder sonstwie geeignet sind, jemandes Ruf schwerwiegend zu schädigen.
Den von schweren Vorwürfen Betroffenen sind die zur Publikation vorgesehenen Kritikpunkte dabei präzis zu benennen. Ihnen ist sodann angemessen Zeit zu geben, um Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme muss nicht gleich viel Platz im Bericht umfassen wie die Kritik. Aber sie ist im gleichen Medienbericht fair wiederzugeben. Wenn Betroffene nicht Stellung beziehen wollen, ist im Text darauf hinzuweisen.
Richtlinie 3.9 – Anhörung – Ausnahmen*
Die Anhörung ist ausnahmsweise verzichtbar:
- wenn schwere Vorwürfe sich auf öffentlich zugängliche amtliche Quellen (z.B. Gerichtsurteile) stützen.
- wenn ein Vorwurf und die zugehörige Stellungnahme bereits früher öffentlich gemacht worden sind. Zusammen mit dem Vorwurf ist die frühere Stellungnahme wiederzugeben.
- wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse dies rechtfertigt
Richtlinie 4.1 – Verschleierung des Berufs
Es ist unlauter, bei der Beschaffung von Informationen, Tönen, Bildern und Dokumenten, die zur Veröffentlichung vorgesehen sind, den Beruf als Journalistin / Journalist zu verschleiern.
Richtlinie 4.2 – Verdeckte Recherchen
Verdeckte Recherchen sind ausnahmsweise zulässig, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an den damit recherchierten Informationen besteht und wenn diese Informationen nicht auf andere Weise beschafft werden können. Sie sind weiter zulässig, wenn Ton- oder Bildaufnahmen Journalistinnen und Journalisten gefährden würden, immer ein überwiegendes öffentliches Interesse an diesen Aufnahmen vorausgesetzt. Besondere Beachtung ist der Wahrung des Persönlichkeitsschutzes von zufällig anwesenden Personen zu schenken. Journalistinnen und Journalisten dürfen den Rückgriff auf an sich unlautere Methoden auch in diesen Ausnahmefällen aus Gewissensgründen ablehnen.
Richtlinie 4.3 – Bezahlung von Informantinnen / Informanten
Die Bezahlung von Informantinnen / Informanten, die nicht zum Berufsstand gehören, ist grundsätzlich nicht zulässig, da dadurch der Informationsfluss und der Inhalt der Information beeinträchtigt werden kann. Vorbehalten sind Fälle eines überwiegenden öffentlichen Interesses. Der Kauf von Informationen oder Bildern von Personen, die in ein Gerichtsverfahren verwickelt sind, ist untersagt. Vorbehalten ist die Rechtfertigung durch ein überwiegendes öffentliches Interesse, sofern die Information nicht auf andere Weise beschafft werden kann.
Richtlinie 4.4 – Sperrfristen
Wenn eine Information oder ein Dokument mit einer gerechtfertigten Sperrfrist (Abgabe von Texten noch nicht gehaltener Reden; Beeinträchtigung wichtiger Interessen bei einer verfrühten Publikation usw.) an ein oder mehrere Medien übergeben wird, ist diese Sperrfrist zu respektieren. Sperrfristen dürfen nicht Werbezwecken dienen. Hält eine Redaktion eine Sperrfrist nicht für gerechtfertigt, hat sie die Quelle über ihre Absicht, umgehend an die Öffentlichkeit zu gehen, zu informieren, damit die Quelle die übrigen Medien benachrichtigen kann.
Richtlinie 4.5 – Interview
Das Interview basiert auf einer Vereinbarung zwischen zwei Partnerinnen / Partnern, welche die dafür geltenden Regeln festlegen. Besondere Bedingungen vor der Aufzeichnung (Beispiel: Verbot, gewisse Fragen zu stellen) sind bei der Publikation öffentlich zu machen. Im Normalfall müssen Interviews autorisiert werden. Ohne ausdrückliches Einverständnis des Gesprächspartners sind Medienschaffende nicht befugt, aus einem Gespräch nachträglich ein Interview zu konstruieren.
Die interviewte Person darf bei der Autorisierung keine wesentlichen Änderungen vornehmen (Veränderungen des Sinnes, Streichung oder Hinzufügung von Fragen). Sie kann aber offensichtliche Irrtümer korrigieren. Auch bei starken Kürzungen soll die interviewte Person ihre Äusserungen im Text wiedererkennen können. Ist keine Einigung zu erzielen, haben Medienschaffende das Recht, auf eine Publikation zu verzichten oder den Vorgang transparent zu machen. Wenn beide Seiten mit einer Fassung einverstanden sind, kann hinterher nicht mehr auf frühere Fassungen zurückgegriffen werden.
Richtlinie 4.6 – Recherchegespräche
Journalistinnen und Journalisten sollen ihre Gesprächspartner über das Ziel des Recherchegesprächs informieren. Medienschaffende dürfen Statements ihrer Gesprächspartner bearbeiten und kürzen, soweit dies die Äusserungen nicht entstellt. Der befragten Person muss bewusst sein, dass sie eine Autorisierung der zur Publikation vorgesehenen Äusserungen verlangen darf.
Richtlinie 4.7 – Plagiat
Wer ein Plagiat begeht, d.h. wer Informationen, Präzisierungen, Kommentare, Analysen und sämtliche anderen Informationsformen von einer Berufskollegin, einem Berufskollegen ohne Quellenangabe in identischer oder anlehnender Weise übernimmt, handelt unlauter gegenüber seinesgleichen.
Richtlinie 5.1 – Berichtigungspflicht
Die Berichtigungspflicht wird von den Medienschaffenden unverzüglich von sich aus wahrgenommen und ist Teil der Wahrheitssuche. Die materielle Unrichtigkeit betrifft die Fakten und nicht die sich auf erwiesene Fakten abstützenden Werturteile.
Richtlinie 5.2 – Leserbriefe und Online-Kommentare
Die berufsethischen Normen gelten auch für die Veröffentlichung von Leserbriefen und Online-Kommentaren. Der Meinungsfreiheit ist aber gerade auf der Leserbriefseite ein grösstmöglicher Freiraum zuzugestehen, weshalb die Redaktion nur bei offensichtlichen Verletzungen der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» einzugreifen hat.
Briefe von Leserinnen und Lesern sowie Online-Kommentare dürfen redigiert und dem Sinn entsprechend gekürzt werden. Aus Transparenzgründen sollte die Redaktion regelmässig informieren, dass sie sich das Kürzungsrecht vorbehält. Von der Kürzung ausgenommen sind Fälle, in denen ein Autor auf der Veröffentlichung des integralen Textes besteht. Dann ist entweder diesem Wunsch nachzugeben oder die Veröffentlichung abzulehnen.
Richtlinie 5.3 – Zeichnung von Leserbriefen und Online-Kommentaren
Leserbriefe und Online-Kommentare sind in der Regel mit dem Namen zu zeichnen. Sie werden nur bei begründeten Ausnahmen anonym veröffentlicht, beispielsweise um schützenswerte Interessen (Privatsphäre, Quellenschutz) zu wahren.
Online-Diskussionsforen, welche auf unmittelbare spontane Reaktionen ausgerichtet sind, können ausnahmsweise auf die Identifizierung des Autors verzichten, sofern die Redaktion die Kommentare vorgängig kontrolliert und auch hier sicherstellt, dass sie keine ehrverletzenden oder diskriminierenden Kommentare veröffentlicht.
Richtlinie 6.1 – Redaktionsgeheimnis
Die Berufspflicht, das Redaktionsgeheimnis zu wahren, geht weiter als das gesetzliche Zeugnisverweigerungsrecht. Das Redaktionsgeheimnis schützt die Quellen der Journalistinnen und Journalisten (Notizen, Adressen, Ton- und Bildaufnahmen usw.). Es schützt Informantinnen und Informanten, sofern sie ihre Mitteilungen unter der Voraussetzung abgegeben haben, dass sie bei einer Publikation nicht identifizierbar gemacht werden dürfen.
Richtlinie 6.2 – Ausnahmen des Quellenschutzes
Journalistinnen und Journalisten haben ungeachtet der gesetzlichen Ausnahmeregelungen des Zeugnisverweigerungsrechts in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Information und anderen schützenswerten Interessen vorzunehmen. In Extremfällen können sich Journalistinnen und Journalisten von der abgegebenen Zusicherung der Vertraulichkeit entbunden fühlen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie Kenntnis von besonders schweren Verbrechen oder Drohungen erhalten, ebenso bei Angriffen auf die innere oder äussere Sicherheit des Staates.
Richtlinie 7.1 – Schutz der Privatsphäre
Jede Person – dies gilt auch für Prominente – hat Anspruch auf den Schutz ihres Privatlebens. Journalistinnen und Journalisten dürfen im Privatbereich keine Ton-, Bild- oder Videoaufnahmen ohne Einwilligung der Betroffenen machen (Recht am eigenen Bild und Wort). Ebenso ist jede Belästigung von Personen in ihrem Privatbereich zu unterlassen (Eindringen in Häuser, Verfolgung, Auflauern, telefonische Belästigung usw.).
Auch im öffentlichen Bereich ist das Fotografieren oder Filmen von Privatpersonen nur dann ohne Einwilligung der Betroffenen zulässig, wenn sie auf dem Bild nicht herausgehoben werden. Bei öffentlichen Auftritten und im Rahmen des öffentlichen Interesses ist es hingegen erlaubt, mit Bild und Ton zu berichten.
Richtlinie 7.2 – Identifizierung
Journalistinnen und Journalisten wägen die beteiligten Interessen (Recht der Öffentlichkeit auf Information, Schutz der Privatsphäre) sorgfältig ab. Namensnennung und/oder identifizierende Berichterstattung ist zulässig:
- sofern die betroffene Person im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Medienberichts öffentlich auftritt oder auf andere Weise in die Veröffentlichung einwilligt;
- sofern eine Person in der Öffentlichkeit allgemein bekannt ist und der Medienbericht damit im Zusammenhang steht;
- sofern die betroffene Person ein politisches Amt beziehungsweise eine staatliche oder gesellschaftlich leitende Funktion wahrnimmt und der Medienbericht damit im Zusammenhang steht;
- sofern die Namensnennung notwendig ist, um eine für Dritte nachteilige Verwechslung zu vermeiden;
- sofern die Namensnennung oder identifizierende Berichterstattung anderweitig durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist.
Überwiegt das Interesse am Schutz der Privatsphäre das Interesse der Öffentlichkeit an einer identifizierenden Berichterstattung, veröffentlichen Journalistinnen und Journalisten weder Namen noch andere Angaben, welche die Identifikation einer Person durch Dritte ermöglichen, die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichem Umfeld des Betroffenen gehören, also ausschliesslich durch die Medien informiert werden.
Richtlinie 7.3 – Kinder
Besonders zu schützen sind Kinder, auch Kinder von Prominenten und von weiteren im Fokus der Medien stehenden Personen. Höchste Zurückhaltung ist bei Recherchen und Berichten über Gewaltverbrechen angezeigt, von denen Kinder tangiert sind (sei es als Opfer, mögliche Täter/innen oder als Zeug/innen).
Richtlinie 7.4 – Gerichtsberichterstattung; Unschuldsvermutung und Resozialisierung
Bei der Gerichtsberichterstattung wägen Journalistinnen und Journalisten Namensnennung und identifizierende Berichterstattung besonders sorgfältig ab. Sie tragen der Unschuldsvermutung Rechnung. Nach einer Verurteilung nehmen sie Rücksicht auf die Familie und die Angehörigen der/des Verurteilten, wie auch auf die Chancen zur Resozialisierung.
Richtlinie 7.5 – «Recht auf Vergessen»
Verurteilte haben ein «Recht auf Vergessen». Dies gilt erst recht bei Einstellung eines Verfahrens und bei Freispruch. Das «Recht auf Vergessen» gilt aber nicht absolut. In verhältnismässiger Art und Weise dürfen Journalistinnen und Journalisten über frühere Verfahren berichten, sofern ein überwiegendes öffentliches Interesse dies rechtfertigt. Beispielsweise, wenn ein Zusammenhang zwischen früherem Verhalten und aktueller Tätigkeit besteht.
«Das ‹Recht auf Vergessen» gilt auch für Online-Medien und digitale Archive. Redaktionen sollten auf begründetes Gesuch hin prüfen, ob sich eine nachträgliche Anonymisierung oder Aktualisierung eines elektronisch archivierten Medienberichts aufdrängt. Bei Berichtigungen sollten die Redaktionen einen zusätzlichen Vermerk anbringen, anstatt bloss die vorangehende Version zu überschreiben. Löschungsbegehren sind abzulehnen. Zudem sollten Journalisten ihre Quellen bei Internet- und Archivrecherchen besonders kritisch überprüfen.
Richtlinie 7.6 – Nichteröffnung, Einstellung und Freispruch
Umfang und Platzierung von Berichten über Nichteröffnung, Einstellung oder Freispruch in einem Strafverfahren müssen in angemessenem Verhältnis zu vorangegangenen Beiträgen stehen.
Richtlinie 7.7 – Sexualdelikte
Bei Sexualdelikten tragen Journalistinnen und Journalisten den Interessen der Opfer besonders Rechnung. Sie machen keine Angaben, die ihre Identifikation ermöglichen.
Richtlinie 7.8 – Notsituationen, Krankheit, Krieg und Konflikte
Journalistinnen und Journalisten zeigen sich besonders zurückhaltend gegenüber Personen, die sich in einer Notlage befinden oder die unter dem Schock eines Ereignisses stehen sowie bei Trauernden. Dies gilt auch gegenüber den Familien und Angehörigen der Betroffenen. Für Recherchen vor Ort in Spitälern und ähnlichen Institutionen ist die Einwilligung der Verantwortlichen einzuholen.
Bilder von Kriegen und Konflikten, Terrorakten und weiteren Notlagen dokumentieren historische Momente. Das öffentliche Interesse an ihrer Publikation muss jedoch abgewogen werden gegen
- die Gefahr, die Privatsphäre der abgebildete(n) Person(en) und/oder die Sensibilität der Betrachter zu verletzen;
- das Recht auf Totenruhe des/der Abgebildeten.
Journalistinnen und Journalisten dürfen Bilder, auf denen Verstorbene herausgehoben sind – es sei denn das öffentliche Interesse überwiege – nur dann publizieren, wenn die Angehörigen die Bilder explizit freigeben. Dies gilt auch, wenn solche Bilder etwa bei Trauerfeiern oder Gedenkanlässen öffentlich zugänglich sind.
Richtlinie 7.9 – Suizid
Journalistinnen und Journalisten üben bei Suizidfällen grösste Zurückhaltung. Über Suizide darf berichtet werden:
- sofern sie grosses öffentliches Aufsehen erregen;
- sofern sich Personen des öffentlichen Lebens das Leben nehmen. Bei weniger bekannten Persönlichkeiten muss der Suizid zumindest in einem vermuteten Zusammenhang mit öffentlichen Angelegenheiten stehen;
- sofern der Verstorbene oder seine Angehörigen von sich aus an die Öffentlichkeit gelangt sind;
- sofern sie im Zusammenhang mit einem von der Polizei gemeldeten Verbrechen stehen;
- sofern sie Demonstrationscharakter haben und auf ein ungelöstes Problem aufmerksam machen wollen;
- sofern dadurch eine öffentliche Diskussion ausgelöst wird;
- sofern Gerüchte oder Anschuldigungen im Umlauf sind, die durch die Berichterstattung richtiggestellt werden.
In allen Fällen beschränkt sich die Berichterstattung auf die für das Verständnis des Suizids notwendigen Angaben und darf keine intimen oder gar herabsetzenden Einzelheiten enthalten. Um das Risiko von Nachahmungstaten zu vermeiden, verzichten Journalistinnen und Journalisten auf detaillierte, präzise Angaben über angewandte Methoden und Mittel.
Richtlinie 8.1 – Achtung der Menschenwürde
Die Informationstätigkeit hat sich an der Achtung der Menschenwürde zu orientieren. Sie ist ständig gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information abzuwägen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der direkt betroffenen oder berührten Personen als auch gegenüber der gesamten Öffentlichkeit.
Richtlinie 8.2 – Diskriminierungsverbot
Die Nennung der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit, der Herkunft, der Religion, der sexuellen Orientierung und/oder der Hautfarbe kann diskriminierend wirken, insbesondere wenn sie negative Werturteile verallgemeinert und damit Vorurteile gegenüber Minderheiten verstärkt. Journalistinnen und Journalisten wägen deshalb den Informationswert gegen die Gefahr einer Diskriminierung ab und wahren die Verhältnismässigkeit.
Richtlinie 8.3 – Opferschutz
Autorinnen und Autoren von Berichten über dramatische Ereignisse oder Gewalt müssen immer sorgfältig zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Information und den Interessen der Opfer und der Betroffenen abwägen. Journalistinnen und Journalisten sind sensationelle Darstellungen untersagt, welche Menschen zu blossen Objekten degradieren. Als sensationell gilt insbesondere die Darstellung von Sterbenden, Leidenden und Leichen, wenn die Darstellung in Text und Bild hinsichtlich detailgetreuer Beschreibung sowie Dauer und Grösse der Einstellungen die Grenze des durch das legitime Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Gerechtfertigten übersteigt.
Richtlinie 8.4 – Bilder über Kriege und Konflikte
Fotografien und Fernsehbilder über Kriege und Konflikte sollten darüber hinaus vor ihrer Publikation oder Ausstrahlung hinsichtlich folgender Fragen geprüft werden:
- Handelt es sich wirklich um ein einmaliges Dokument der Zeitgeschichte?
- Sind die abgebildeten Personen als Individuen identifizierbar?
- Würde ihre Menschenwürde durch eine Publikation verletzt?
Richtlinie 8.5 – Bilder von Unglücksfällen, Katastrophen und Verbrechen
Fotografien und Fernsehbilder von Unglücksfällen, Katastrophen und Verbrechen müssen die Menschenwürde respektieren und darüber hinaus die Situation der Familie und der Angehörigen der Betroffenen berücksichtigen. Dies gilt besonders im Bereich der lokalen und regionalen Information.
Richtlinie 9.1 – Unabhängigkeit
Die Wahrung der Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten ist für die Verteidigung der Pressefreiheit unabdingbar. Die Wahrung der Unabhängigkeit erfordert ständige Wachsamkeit. Die Annahme von individuellen Einladungen und Geschenken ist zulässig, sofern diese das übliche Mass nicht übersteigen. Dies gilt sowohl für berufliche als auch für soziale Beziehungen. Die Recherche von Informationen und ihre Veröffentlichung darf durch die Annahme von Einladungen oder Geschenken niemals beeinflusst werden.
Richtlinie 9.2 – Interessenbindungen
Die Wirtschafts- und Finanzberichterstattung ist der Gewährung verschiedenster Vergünstigungen und dem Zugang zu Insiderwissen besonders ausgesetzt. Journalistinnen und Journalisten dürfen Informationen, von denen sie vor deren Veröffentlichung Kenntnis erhalten, nicht zu ihrem Vorteil auswerten oder durch Dritte auswerten lassen. Sie dürfen nicht über Gesellschaften oder Wertpapiertitel schreiben, zu denen durch sie oder ihre Angehörigen Interessenbindungen bestehen, so dass ein Interessenkonflikt entstehen könnte. Sie dürfen keine vergünstigten Beteiligungen im Austausch gegen Medienberichte annehmen, selbst wenn es sich nicht um Gefälligkeitsberichte handelt.
Richtlinie 10.1 – Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung
Die deutliche Trennung zwischen redaktionellem Teil/Programm und Werbung bzw. bezahltem oder durch Dritte zur Verfügung gestelltem Inhalt ist für die Glaubwürdigkeit der Medien unabdingbar. Inserate, Werbesendungen und bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte sind gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben. Sofern sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden. Journalistinnen und Journalisten dürfen diese Abgrenzung nicht durch Einfügen von Schleichwerbung in der redaktionellen Berichterstattung unterlaufen.
Richtlinie 10.2 – Sponsoring, Pressereisen, Koppelung von redaktionellen Berichten und Werbung
Bei gesponserten Medienberichten sind der Name des Sponsors transparent zu machen und die freie Themenauswahl und -bearbeitung durch die Redaktion zu gewährleisten. Bei Pressereisen muss erwähnt werden, wer die Kosten übernommen hat. Die redaktionelle Freiheit muss ebenfalls gewahrt werden.
Redaktionelle Beiträge (z.B. «begleitende» redaktionelle Berichterstattungen), die als «Gegenleistung» zu Inseraten und Werbesendungen veröffentlicht werden, sind unzulässig.
Richtlinie 10.3 – Lifestyle-Berichte; Nennung von Marken und Produkten
Die Freiheit der Redaktion bei der Auswahl der redaktionellen Themen in Bereichen wie «Lifestyle» oder «Ratgeber» ist zu gewährleisten. Die berufsethischen Regeln erfassen auch Berichte, die Konsumgüter und Dienstleistungen vorstellen.
Die unkritische oder hochlobende Präsentation von Konsumgegenständen, die häufiger als nötige Nennung von Produkte- oder Dienstleistungsmarken und die blosse Wiedergabe von Werbeslogans im redaktionellen Text gefährden die Glaubwürdigkeit des Mediums und der Journalistinnen und Journalisten.
Richtlinie 10.4 – Public Relations
Journalistinnen und Journalisten redigieren keine interessengebundenen Texte (Werbung und Public Relations), die ihre journalistische Unabhängigkeit beeinträchtigen. Heikel sind insbesondere Themen, die sie auch publizistisch bearbeiten. Sie berichten nicht anders als sonst über Anlässe, bei denen das eigene Medienhaus Sponsor/in oder «Medienpartner/in» ist.
Richtlinie 10.5 – Inserateboykotte
Journalistinnen und Journalisten verteidigen die Informationsfreiheit bei tatsächlicher oder drohender Beeinträchtigung durch private Interessen, namentlich bei Inserateboykotten oder Boykottdrohungen. Drohungen oder Boykotte sind grundsätzlich öffentlich zu machen.
Richtlinie a.1 – Indiskretionen
Medien dürfen Informationen veröffentlichen, die ihnen durch Indiskretionen bekanntgeworden sind, sofern:
- die Informationsquelle dem Medium bekannt ist;
- das Thema von öffentlichem Interesse ist;
- die Veröffentlichung keine äusserst wichtigen Interessen wie z.B. schützenswerte Rechte, Geheimnisse usw. tangiert;
- es keine überwiegenden Gründe gibt, mit der Publikation zuzuwarten;
- die Indiskretion durch die Informantin / den Informanten absichtlich und freiwillig erfolgt ist.
Richtlinie a.2 – Privatunternehmen
Privatunternehmen sind Gegenstand der journalistischen Recherche, wenn sie aufgrund ihres wirtschaftlichen Gewichts und/oder ihrer gesellschaftlichen Bedeutung zu den wichtigen Akteuren einer Region gehören.
Diese Richtlinien wurden vom Schweizer Presserat an seiner konstituierenden Sitzung vom 18. Februar 2000 verabschiedet und an den Plenarsitzungen vom 9. November 2001, 28. Februar 2003, 7. Juli 2005, 16. September 2006, 24. August 2007, 3. September 2008, 2. September 2009, 1. September 2010, 27. September 2012, 19. September 2013, am 25. September 2014 sowie am 18. Mai 2017 revidiert und per 1. Juli 2017 in Kraft gesetzt.