Präambel
Das Recht auf Information, auf freie Meinungsäusserung und auf Kritik ist ein grundlegendes Menschenrecht.
Journalistinnen und Journalisten sichern den gesellschaftlich notwendigen Diskurs. Aus dieser Verpflichtung leiten sich ihre Pflichten und Rechte ab.
Die Verantwortlichkeit der Journalistinnen und Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit hat den Vorrang vor jeder anderen, insbesondere vor ihrer Verantwortlichkeit gegenüber ihren Arbeitgebern und gegenüber staatlichen Organen.
Die Journalistinnen und Journalisten auferlegen sich freiwillig die bei der Erfüllung ihrer Informationsaufgabe einzuhaltenden Regeln; diese sind in der nachstehenden Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten festgelegt.
Um die journalistischen Pflichten in Unabhängigkeit und in der erforderlichen Qualität erfüllen zu können, braucht es entsprechende berufliche Rahmenbedingungen; diese sind Gegenstand der anschliessenden Erklärung der Rechte der Journalistinnen und Journalisten.
Journalistinnen und Journalisten, welche dieser Bezeichnung würdig sind, halten es für ihre Pflicht, die Grundsätze dieser Erklärung getreulich zu befolgen. In Anerkennung der bestehenden Gesetze jedes Landes nehmen sie in Berufsfragen nur das Urteil ihrer Berufskolleginnen und -kollegen, des Presserates oder ähnlich legitimierter berufsethischer Organe an. Sie weisen dabei insbesondere jede Einmischung einer staatlichen oder irgendeiner anderen Stelle zurück. Es entspricht fairer Berichterstattung, zumindest eine kurze Zusammenfassung der Stellungnahmen des Presserates zu veröffentlichen, die das eigene Medium betreffen.
Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten
Die Journalistinnen und Journalisten lassen sich bei der Beschaffung, der Auswahl, der Redaktion, der Interpretation und der Kommentierung von Informationen, in Bezug auf die Quellen, gegenüber den von der Berichterstattung betroffenen Personen und der Öffentlichkeit vom Prinzip der Fairness leiten. Sie sehen dabei folgende Pflichten als wesentlich an:
- Sie halten sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen und lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren.
- Sie verteidigen die Freiheit der Information, die sich daraus ergebenden Rechte, die Freiheit des Kommentars und der Kritik sowie die Unabhängigkeit und das Ansehen ihres Berufes.
- Sie veröffentlichen nur Informationen, Dokumente, Bilder und Töne deren Quellen ihnen bekannt sind. Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen. Sie bezeichnen unbestätigte Meldungen, Bild -und Tonmontagen ausdrücklich als solche.
- Sie bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, Tönen, Bildern und Dokumenten keiner unlauteren Methoden. Sie bearbeiten nicht oder lassen nicht Bilder bearbeiten zum Zweck der irreführenden Verfälschung des Originals. Sie begehen kein Plagiat.
- Sie berichtigen jede von ihnen veröffentlichte Meldung, deren materieller Inhalt sich ganz oder teilweise als falsch erweist.
- Sie wahren das Redaktionsgeheimnis und geben die Quellen vertraulicher Informationen nicht preis.
- Sie respektieren die Privatsphäre der einzelnen Personen, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen.
- Sie respektieren die Menschenwürde und verzichten in ihrer Berichterstattung in Text,Bild und Ton auf diskriminierende Anspielungen, welche die ethnische oder nationale Zugehörigkeit, die Religion, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, Krankheiten sowie körperliche oder geistige Behinderung zum Gegenstand haben. Die Grenzen der Berichterstattung in Text, Bild und Ton über Kriege, terroristische Akte, Unglücksfälle und Katastrophen liegen dort, wo das Leid der Betroffenen und die Gefühle ihrer Angehörigen nicht respektiert werden.
- Sie nehmen weder Vorteile noch Versprechungen an, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und die Äusserung ihrer persönlichen Meinung einzuschränken.
- Sie vermeiden in ihrer beruflichen Tätigkeit als Journalistinnen und Journalisten jede Form von kommerzieller Werbung und akzeptieren keinerlei Bedingungen von seiten der Inserentinnen und Inserenten.
- Sie nehmen journalistische Weisungen nur von den hierfür als verantwortlich bezeichneten Mitgliedern ihrer Redaktion entgegen, und akzeptieren sie nur dann, wenn diese zur Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten nicht im Gegensatz stehen.
Erklärung der Rechte der Journalistinnen und Journalisten
Damit die Journalistinnen und Journalisten die von ihnen übernommenen Pflichten erfüllen können, müssen sie zum mindesten folgende Rechte beanspruchen können:
- Sie haben freien Zugang zu allen Informationsquellen und die Freiheit zur unbehinderten Ermittlung aller Tatsachen, die von öffentlichem Interesse sind; die Geheimhaltung öffentlicher oder privater Angelegenheiten kann dabei den Journalistinnen und Journalisten gegenüber nur in Ausnahmefällen und nur mit klarer Darlegung der Gründe geltend gemacht werden.
- Sie dürfen nicht veranlasst werden, beruflich etwas zu tun oder zu äussern, was den Berufsgrundsätzen oder ihrem Gewissen widerspricht. Aus dieser Haltung dürfen ihnen keinerlei Nachteile erwachsen.
- Sie dürfen jede Weisung und jede Einmischung zurückweisen, die gegen die allgemeine Linie ihres Publikationsorgans verstossen. Diese allgemeine Linie muss ihnen vor ihrer Anstellung schriftlich mitgeteilt werden; ihre einseitige Änderung oder Widerrufung ist unstatthaft und stellt einen Vertragsbruch dar.
- Sie haben Anspruch auf Transparenz über die Besitzverhältnisse ihres Arbeitgebers. Sie müssen als Mitglied einer Redaktion vor jeder wichtigen Entscheidung die Einfluss auf den Gang des Unternehmens hat, rechtzeitig informiert und angehört werden. Die Redaktionsmitglieder sind insbesondere vor dem definitiven Entscheid über Massnahmen zu konsultieren, welche eine grundlegende Änderung in der Zusammensetzung der Redaktion oder ihrer Organisation zur Folge haben.
- Sie haben Anspruch auf eine angemessene berufliche Aus- und Weiterbildung.
- Sie haben Anspruch auf eine klare Regelung der Arbeitsbedingungen durch einen Kollektivvertrag. Darin ist festzuhalten, dass ihnen durch ihre Tätigkeit in den Berufsorganisationen keine persönlichen Nachteile entstehen dürfen.
- Sie haben das Recht auf einen persönlichen Anstellungsvertrag, der ihnen ihre materielle und moralische Sicherheit gewährleisten muss. Vor allem soll durch eine angemessene Entschädigung ihrer Arbeit, die ihrer Funktion, ihrer Verantwortung und ihrer sozialen Stellung Rechnung trägt, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit als Journalistinnen und Journalisten sichergestellt werden.
Diese «Erklärung» wurde an der konstituierenden Sitzung des Stiftungsrats der Stiftung Schweizer Presserat vom 21. Dezember 1999 verabschiedet und an der Stiftungsratssitzung vom 5. Juni 2008 revidiert.
Protokollerklärungen zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten»
Allgemeines/Zweck der Protokollerklärungen
Mit ihrem Beitritt zur Trägerschaft der Stiftung «Schweizer Presserat» anerkennen Schweizer Presse und die SRG SSR idée suisse den Presserat als Organ der Selbstregulierung für den redaktionellen Teil der Medien. Im Rahmen der nachfolgenden Protokollerklärungen anerkennen sie die berufsethischen Normen der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» als Beitrag zur notwendigen Ethik- und Qualitätsdebatte rund um die Medien.
Die Protokollerklärungen wollen die Tragweite der «Erklärung» sowie umstrittene oder unklare Bestimmungen des historisch gewachsenen Journalistenkodex klären. Die Präzisierungen erfolgen mit Blick auf die konkrete Tätigkeit des Presserates.
Geltungsbereich und Normcharakter der «Erklärung»
Adressaten der berufsethischen Normen der «Erklärung» sind die Berufsjournalistinnen und -journalisten, die bei der Recherche und Bearbeitung von Informationen im redaktionellen Teil aktualitätsbezogener öffentlicher und periodischer Medien mitwirken. Die Verleger und Veranstalter anerkennen ihrerseits die sich für sie daraus ergebenden berufsethischen Pflichten.
Die «Erklärung der Pflichten und Rechte» statuiert ausschliesslich berufsethische Normen. Diese sind als Sollensnormen ethisch verbindlich, im Gegensatz zu Rechtsnormen jedoch ungeachtet der im Text verwendeten Begriffe nicht auf dem Rechtsweg durchsetzbar. Im selben Sinne ethisch verbindlich ist das Bekenntnis von Schweizer Presse und der SRG SSR idée suisse. Die folgenden Protokollerklärungen präzisieren dieses Bekenntnis. Aus der «Erklärung» sind weder generelle (arbeits-)rechtliche Forderungen abzuleiten; noch hat sie unmittelbare Auswirkung auf einzelne Arbeitsverhältnisse.
In Bezug auf die «Erklärung der Rechte» stimmen die Parteien überein: Die medialen Qualitätsstandards im Journalistenkodex setzen fair geregelte, sozial angemessene Arbeitsbedingungen, eine hochstehende berufliche Aus- und Weiterbildung sowie eine ausreichende redaktionelle Infrastruktur voraus. Auch aus der «Erklärung der Rechte» können aber keine rechtsverbindlichen Pflichten und Ansprüche abgeleitet werden.
Präambel/3. Abschnitt
Die Verantwortlichkeit der (Journalisten) gegenüber der Öffentlichkeit hat den Vorrang vor jeder anderen, insbesondere vor ihrer Verantwortlichkeit gegenüber ihren Arbeitgebern und gegenüber staatlichen Organen (Präambel, Satz 3).
Dieser Abschnitt 3 der Präambel bekräftigt den ideellen Vorrang der «Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit». Dies ist ja auch der Geltungsgrund der Kommunikationsgrundrechte der Bundesverfassung. Der Abschnitt ändert nichts an der arbeitsrechtlichen Kompetenzordnung und der Pflicht, verfassungsmässige Gesetze und in diesem Rahmen ergangene Gerichtsurteile einzuhalten. Vorbehalten sind begründete Fälle der Inkaufnahme einer Strafe wegen gewissensbedingter Widersetzlichkeit.
«Erklärung der Pflichten»/Ziffer 11
(Journalisten) nehmen journalistische Weisungen nur von den hiefür als verantwortlich bezeichneten Mitgliedern ihrer Redaktion entgegen, und akzeptieren sie nur dann, wenn diese (zum Journalistenkodex) nicht im Gegensatz stehen.
Die Redaktionen entscheiden im Rahmen der publizistischen Linie des Mediums selbständig über den Inhalt des redaktionellen Teils. Davon ausgenommen sind gezeichnete geschäftliche Mitteilungen des Verlegers/Veranstalters. Publizistische Einzelweisungen des Verlegers/Veranstalters an die Redaktion sind unstatthaft. Wirkt der Verleger/Veranstalter bei der redaktionellen Arbeit mit, gilt er als Journalist und untersteht dem Journalistenkodex. Die Freiheit der redaktionellen Arbeit und deren Trennung vom kommerziellen Teil des Medienunternehmens ist durch eine klare Regelung der Kompetenzen zu gewährleisten.
«Erklärung der Pflichten»/Letzter Absatz
Journalistinnen und Journalisten, welche dieser Bezeichnung würdig sind, halten es für ihre Pflicht, die Grundsätze dieser Erklärung getreulich zu befolgen. In Anerkennung der bestehenden Gesetze jedes Landes nehmen sie in Berufsfragen nur das Urteil ihrer Berufskolleginnen und -kollegen, des Presserates oder ähnlich legitimierter berufsethischer Organe an. Sie weisen dabei insbesondere jede Einmischung einer staatlichen oder irgendeiner anderen Stelle zurück.
Der letzte Absatz der «Erklärung der Pflichten» wird neu an den Schluss der Präambel verschoben. Die Berufsethik der Journalistinnen und Journalisten postuliert nicht, diese stünden grundsätzlich über den Gesetzen und würden sich den Verfahren vor demokratisch, rechtsstaatlich legitimierten Gerichten und Behörden entziehen.
«Erklärung der Rechte»/Buchstabe c (Widerruf der allgemeinen Linie des Publikationsorgans)
Sie dürfen jede Weisung und jede Einmischung zurückweisen, die gegen die allgemeine Linie ihres Publikationsorgans verstossen. Diese allgemeine Linie muss ihnen vor ihrer Anstellung schriftlich mitgeteilt werden; ihre einseitige Änderung oder Widerrufung ist unstatthaft und stellt einen Vertragsbruch dar.
Die Parteien empfehlen die schriftliche Fixierung der publizistischen Leitlinien des Unternehmens, die ein wesentliches Fundament für die redaktionelle Tätigkeit darstellen. Der Widerruf der allgemeinen Linie des Publikationsorgans ist zulässig. Damit kann jedoch eine wesentliche Voraussetzung der bisherigen journalistischen Tätigkeit wegfallen (Gewissensklausel). Die angemessene Regelung der Folgen ist Sache der Sozialpartner, des Betriebs und/oder der Parteien des Einzelarbeitsvertrages.
«Erklärung der Rechte»/Buchstabe d (Mitwirkung der Redaktionsmitglieder)
Sie haben Anspruch auf Transparenz über die Besitzverhältnisse ihres Arbeitgebers. Sie müssen als Mitglied einer Redaktion vor jeder wichtigen Entscheidung die Einfluss auf den Gang des Un- ternehmens hat, rechtzeitig informiert und angehört werden. Die Redaktionsmitglieder sind insbesondere vor dem definitiven Entscheid über Massnahmen zu konsultieren, welche eine grundlegende Änderung in der Zusammensetzung der Redaktion oder ihrer Organisation zur Folge haben.
Zur ethischen Forderung auf Transparenz über die Besitzverhältnisse empfehlen die Parteien den Medienunternehmen, ihre redaktionellen Mitarbeiter bei der Anstellung sowie bei wesentlichen Veränderungen von sich aus über die relevanten Beteiligungen am Unternehmen zu orientieren. Ebenso ist eine regelmässige öffentliche Bekanntgabe der Besitzverhältnisse angebracht. Die Parteien bekräftigen das Prinzip der Konsultation vor wichtigen unternehmerischen Entscheiden im Sinne von Art. 330b OR, 333g OR i.V.m. Art. 10 Mitwirkungsgesetz. Eine gesonderte Anhörung der Redaktion ist bei verlegerischen Entscheiden angebracht, die unmittelbaren Einfluss auf sie haben.
«Erklärung der Rechte»/Buchstabe f (Kollektivvertrag)
Sie haben Anspruch auf eine klare Regelung der Arbeitsbedingungen durch einen Kollektivvertrag. Darin ist festzuhalten, dass ihnen durch ihre Tätigkeit in den Berufsorganisationen keine persönlichen Nachteile entstehen dürfen.
Die Parteien bekennen sich zum Prinzip der Sozialpartnerschaft, insbesondere zur überindividuellen Regelung der Arbeitsverhältnisse. Die Verlegerinnen und Verleger und SRG SSR idée suisse respektieren die Koalitionsfreiheit und anerkennen das Recht auf Kollektivvertragsverhandlungen.
Die Journalistinnen und Journalisten können den Kollektivvertrag nicht über eine Beschwerde beim Presserat einfordern. Es steht ihnen dagegen offen, an den Presserat zu gelangen, wenn ihre Arbeitsbedingungen unmittelbar zu berufsethischen Fehlleistungen führen.