Nr. 51/2006
Wahrheitssuche / Quellenschutz / Anhörung bei schweren Vorwürfen / Berichtigung

(Ochsenbein c. «SonntagsZeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 20. Oktober 2006

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I. Sachverhalt

A. Die «Sonntags-Zeitung» veröffentlichte am 21. Mai 2006 einen von Andreas Kälin und Daniel Zulauf gezeichneten Artikel mit dem Titel «Bank Vontobel reicht Beschwerde und Rekurs ein». Der Untertitel lautete: «Kritik an Methoden der Zürcher Staatsanwaltschaft». Aufhänger des Berichts war eine von der Bank eingereichte Aufsichtsbeschwerde gegen den stellvertretenden Leiter der Abteilung III der Zürcher Staatsanwaltschaft, Andreas Ochsenbein. Dieser «führt eine laufende Untersuchung gegen ehemalige Topkader der Zürcher Bank. Dabei soll er Anleger angeschrieben und auf suggestive Art gefragt haben, ob sie sich durch Transaktionen, die über Vontobel abgewickelt wurden, geschädigt fühlen. Die Vorwürfe gegen Ochsenbein laufen auf eine Amtsgeheimnisverletzung hinaus. (…) Ochsenbeins Vorgesetzter, der Leitende Staatsanwalt Christian Weber, bestätigt, dass eine Aufsichtsbeschwerde vorliege. Er betont aber, es sei ‹keine Amtsgeheimnisverletzung erkennbar›. Darum habe er keinen Antrag auf Eröffnung einer Strafuntersuchung gestellt.»

Die Bank Vontobel habe «zudem zwei Rechtsgutachten von unabhängiger Seite erstellen lassen». Darin seien die Professoren Dieter Zobl und Günter Stratenwerth zum Schluss gekommen, von der Staatsanwaltschaft strafrechtlich zur Diskussion gestellte Vorwürfe im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung seien grundlos.

In der Defensive stehe die Staatsanwaltschaft auch mit der Anklage gegen einen Vontobel-Börsenhändler wegen «Gehilfenschaft zu mehrfacher Urkundenfälschung», die im Zusammenhang mit der Kurspflege von Aktien Ende 2000 erhoben wurde. Obwohl das Obergericht den Angeklagten freisprach, habe die Staatsanwaltschaft «dennoch» eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht.

«Im Zusammenhang mit dem Fall Vontobel (…) gibt es ähnliche Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft wie im Fall Swissair. Kritisiert wird die lange Ermittlungsdauer. Das sorgt für Spannungen – auch innerhalb der Behörde. Zu vernehmen ist, dass der Leitende Oberstaatsanwalt Andreas Brunner unzufrieden sei mit der schleppenden Untersuchungsführung seiner für Wirtschaftsdelikte zuständigen Staatsanwaltschaft III.»

B. Am 26. Mai 2006 gelangte Andreas Ochsenbein mit einer Beschwerde gegen die «Sonntags-Zeitung» an den Presserat. Im Artikel vom 21. Mai 2006 schreibe der Autor unter dem Vorwand des Quellenschutzes einseitig für die eine Partei, die Bank Vontobel, aus deren Haus die Quellen/Informationen höchstwahrscheinlich stammten. Ihm selber seien aufgrund des Amtsgeheimnisses die Hände gebunden gewesen. Erst das Wissen, dass die Gegenpartei selbst an die Öffentlichkeit gelangt sei, hätte ihm erlaubt, sich inhaltlich qualifiziert zu den gegenüber ihm und seiner Amtsführung erhobenen Vorwürfen zu äussern. Diese hätten zudem genauere Abklärungen der Quellen und Informationen durch den Journalisten erfordert. Mit der Veröffentlichung des Artikels habe die «SonntagsZeitung» gegen die Ziffer 1 (Wahrheitssuche), 3 (Quellenprüfung, Quellenschutz, unvollständige Anhörung, Unterschlagung wichtiger Informationen) und 7 (sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen.

C. In einem Beschwerdenachtrag vom 29. Mai und 1. Juni 2006 bestätigte der Beschwerdeführer auf Anfrage des Presserats, er gedenke kein Gerichtsverfahren gegen die «SonntagsZeitung» einzuleiten. Hingegen habe er die «SonntagsZeitung» aufgefordert, die im Artikel vom 21. Mai enthaltene Falschmeldung zu korrigieren, die Bank Vontobel habe von unabhängiger Seite Rechtsgutachten erstellen lassen. «Die im Artikel genannten Gutachter sind Beauftragte ihrer Auftraggeberin. Als Beauftragte sind sie ihr von Gesetzes wegen treuepflichtig, rechenschaftspflichtig und so weiter. Damit sind die Gutachter das Gegenteil von unabhängig.»

D. Nachdem der Rechtsdienst der Tamedia AG am 2. Juni 2006 den Abdruck einer Berichtigung abgelehnt hatte, beschwerte sich Andreas Ochsenbein am 5. Juni 2006 zusätzlich über eine Verletzung von Ziffer 5 der «Erklärung» (Berichtigungspflicht).

E. Am 1. August 2006 orientierte der Beschwerdeführer den Presserat, die Oberstaatsanwaltschaft habe die von der Bank Vontobel gegen ihn eingereichte Aufsichtsbeschwerde ebenso wie die prozessualen Anträge der Bank am 26. Juli 2006 in nicht zu überbietender Deutlichkeit abgewiesen.

F. Am 16. August 2006 beantragte die durch den Rechtsdienst der Tamedia AG vertretene «SonntagsZeitung», die Beschwerden von Andreas Ochsenbein seien abzuweisen. Der Artikel vom 21. Mai 2006 behaupte nicht, Andreas Ochsenbein habe eine Amtsgeheimnisverletzung begangen, sondern nur, dass die von der Bank Vontobel erhobenen Vorwürfe inhaltlich daraus hinausliefen. Das Gleiche gelte für den Vorwurf der schleppenden Amtsführung. Dieser werde nicht gegenüber Ochsenbein erhoben, sondern beziehe sich generell auf die Staatsanwaltschaft und stütze sich auf frühere Aussagen des Oberstaatsanwalts Brunner. Das Statement von Brunner zum ansonsten von Andreas Kälin recherchierten und verfassten Beitrag habe Co-Autor Daniel Zulauf beigesteuert, der mehrmals mit dem Oberstaatsanwalt gesprochen habe. Brunner habe gegenüber Zulauf – nicht in Bezug auf den von Ochsenbein behandelten Fall, sondern generell zu Wirtschaftsdelikten – ausgeführt, er könnte sich vorstellen, bei Untersuchungen von Wirtschaftsfällen aggressiver vorzugehen, wie dies Carla Del Ponte und in Genf Bernard Bertossa vorgemacht hätten. Im weiteren seien die Quellen von Andreas Kälin nicht anonym, sondern Kälin bekannt. Es handle sich bei ihnen nicht, wie vom Beschwerdeführer vermutet, um die Bank Vontobel. Der Autor sei nicht verpflichtet, seine Quellen preiszugeben. Die Anhörung des Beschwerdeführers habe korrekt stattgefunden, wenn auch in angespanntem Gesprächston. Keinen Grund zur Berichtigung habe es auch in Bezug auf die beiden Rechtsgutachten gegeben. Die Redewendung, Rechtsgutachten seien «von unabhängiger Seite» erstellt, führe nicht in die Irre. Aus dem Artikel gehe klar hervor, wer sie in Auftrag gegeben habe. Von einer abgewiesenen Beschwerde gegen Andreas Ochsenbein sei der Redaktion nichts bekannt. Der Beschwerdeführer habe den entsprechenden Entscheid nicht zu den Akten gereicht.

G. Das Präsidium des Presserates wies die Beschwerde zur Behandlung an die 1. Kammer. Diese setzt sich aus Peter Studer (Kammerpräsident), Francesca Snider, Luisa Ghiringhelli Mazza, Pia Horlacher, Katharina Lüthi, Edy Salmina und Philip Kübler zusammen.

H. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 20. Oktober 2006 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Die «SonntagsZeitung» hat einen Bericht über eine Aufsichtsbeschwerde veröffentlicht, die von der Bank Vontobel im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen ehemalige Kadermitarbeiter der Bank eingereicht worden war. Im Zentrum der Aufsichtsbeschwerde stand der zuständige Staatsanwalt. Eine solche Veröffentlichung fällt unter die Freiheit der Information und der Kritik. Dies gilt auch dann, wenn mit dieser Information unterstellt wird, die Behörden würden zu wenig effektiv, zu langsam und zu pingelig oder gar am falschen Objekt arbeiten. Ein Staatsanwalt mit seinen Machtbefugnissen ist den Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt – und damit allenfalls auch besonders scharfer medialer Kritik. Besondere Empfindlichkeit gegenüber solcher Kritik wäre an einem solchen Posten fehl am Platz.

Andreas Ochsenbein beanstandet in seiner Beschwerde denn auch nicht in erster Linie die Veröffentlichung der Information an sich, sondern insbesondere das Vorgehen von Autor Andreas Kälin bei der Wahrheitssuche (nachfolgend Erwägung 2), einen Missbrauch des Quellenschutzes (Erwägung 3), die Unterdrückung seiner Stellungnahme (Erwägung 4) sowie die Unterlassung einer geb
otenen Berichtigung (Erwägung 5).

2. a) Gemäss konstanter Praxis des Presserates kann aus der Ziffer 1 der «Erklärung» und ebenso wenig aus der zugehörigen Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) keine Pflicht zu objektiver Berichterstattung abgeleitet werden. Berufsethisch sind auch einseitige, parteiergreifende und fragmentarische Standpunkte zulässig. Ebenso wenig kann aus der Verpflichtung zur Wahrheitssuche abgeleitet werden, dass die «Kritik an Methoden der Zürcher Staatsanwaltschaft» vor der Publikation durch eine umfassende Recherche detailliert hätten abgeklärt werden müssen. Vorauszusetzen ist allerdings, dass bei parteiergreifendem Journalismus die Pflicht zur Anhörung Betroffener (Richtlinie 3.8 zur «Erklärung») respektiert wird (vgl. zuletzt die Stellungnahme 2/2006 mit weiteren Hinweisen).

b) Aus den Ausführungen der Parteien und den dem Presserat vorliegenden Unterlagen geht hervor: Andreas Kälin hat neben der umstrittenen Ursprungsquelle der Information jedenfalls die Vontobel-Sprecherin Claudia Kraaz, den Beschwerdeführer selber, den leitenden Staatsanwaltschaft Christian Weber sowie – in Bezug auf den im Artikel im Zusammenhang mit einem anderen Verfahren erwähnten Freispruch wegen «Gehilfenschaft zu mehrfacher Urkundenfälschung» – Oberstaatsanwalt Thomas Mannhart angerufen. Nach Auffassung des Presserates hat der Journalist damit genügend recherchiert und die wichtigsten Personen kontaktiert. Die «SonntagsZeitung» hat somit die Ziffer 1 der «Erklärung» nicht verletzt.

3. Andreas Ochsenbein macht weiter geltend, die «SonntagsZeitung» habe den Quellenschutz dazu missbraucht, ihn an einer inhaltlich qualifizierten Stellungnahme zu den Vorwürfen der Bank Vontobel zu hindern. Allerdings dementiert die «SonntagsZeitung» die Vermutung des Beschwerdeführers vehement, bei der vom Autor nicht offen gelegten Informationsquelle handle es sich um die Bank Vontobel selber. Der Presserat ist nicht in der Lage, diese sich widersprechende Sachverhaltsdarstellung der Parteien zu klären und stellt entsprechend fest, dass der behauptete Missbrauch des Quellenschutzes nicht erwiesen ist.

4. a) Gemäss der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» sind Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören, und deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben.

b) Der Bericht vom 21. Mai erhebt gleich in mehrfacher Hinsicht schwere Kritik. Ob die schweren Vorwürfe dabei direkt vom Autor oder von einem im Artikel zitierten Dritten stammen, ist in Bezug auf die Anhörungspflicht ohne Belang. Beim schwersten Vorwurf, demjenigen einer möglichen Amtsgeheimnisverletzung, druckte die «SonntagsZeitung» zwar keine Stellungnahme von Andreas Ochsenbein, aber immerhin das Dementi seines Vorgesetzten ab («keine Amtsgeheimnisverletzung erkennbar»; «kein Antrag auf Eröffnung einer Strafuntersuchung»). Auch wenn damit der in den Raum gestellte Vorwurf eines möglicherweise strafrechtlich relevanten Verhaltens zurückgewiesen ist, bleiben die weiteren schweren Vorwürfe in Bezug auf die Amtsführung des Beschwerdeführers unbeantwortet, nämlich: Aufsichtsbeschwerde wegen unkorrekter Verfahrensführung, grundlose Vorwürfe im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung, zu lange Ermittlungsdauer, schleppende Verfahrensführung.

c) Die «SonntagsZeitung» wendet dazu zweierlei ein: Sie habe keine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Vorwürfen zitiert, weil dieser sie nicht habe kommentieren können/wollen und den Journalisten an den Leitenden Staatsanwalt weiter gewiesen habe. Entgegen der Darlegung Ochsenbeins werde ihm gegenüber zudem weder der Vorwurf einer schleppenden Verfahrensführung noch derjenige der grundlosen Erhebung strafrechtlicher Vorwürfe genacht. «Niemand hat je behauptet, der Beschwerdeführer arbeite ohne grossen Einsatz und Engagement.»

d) Eine unbefangene Lektüre des umstrittenen Artikels legt jedoch eine andere Lesart nahe. Thema ist die Kritik der Bank Vontobel an der Zürcher Staatsanwaltschaft im Allgemeinen und an Staatsanwalt Andreas Ochsenbein im besonderen. Etwas verkürzt dargestellt wird jedenfalls die Leserschaft ausserhalb der Banken- und Justizwelt dem Bericht die Information entnehmen, dass der Beschwerdeführer eine wichtige Strafuntersuchung in verschiedener Hinsicht schlecht führe (fragwürdige Untersuchungsmethoden, grundlose Vorwürfe, zu lange Ermittlungsdauer). Sogar der Leitende Oberstaatsanwalt sei damit unzufrieden, zumindest in Bezug auf die «schleppende Untersuchungsführung seiner für Wirtschaftdelikte zuständigen Staatsanwaltschaft III». Dass das Statement von Oberstaatsanwalt Brunner aus einem ganz anderen Kontext stammt und keinen konkreten Bezug zur Kritik im Fall Vontobel hat, wird aus dem Text nicht ersichtlich und ist in Bezug auf das Verbot der Entstellung von Informationen schon bei separater Betrachtung problematisch. Ebenso erweckt die Formulierung «ähnliche Vorwürfe wie im Fall Swissair» den Eindruck, die Kritik an der langen Verfahrensdauer gelte für den Fall Vontobel ebenso. Als Zwischenergebnis ist deshalb festzuhalten, dass eine Anhörung nicht nur in Bezug auf den Vorwurf einer möglichen Amtsgeheimnisverletzung, sondern auch auf die weiteren durch den Artikel in den Raum gestellten Vorwürfe zwingend war.

e) Auch wenn ein Staatsangestellter sich aufgrund des Amtsgeheimnisses daran gehindert fühlt, inhaltlich substanziell zu einem schweren Vorwurf Stellung zu nehmen, hindert dies die Medien nicht daran, den Vorwurf gegebenenfalls zu veröffentlichen. Umgekehrt entbindet der Hinweis auf das Amtsgeheimnis die Journalistinnen und Journalisten nicht davon, bei schweren Vorwürfen gegen Beamte und Magistraten deren Stellungnahme vor der Publikation einzuholen (62/2003). Bei Verweigerung einer Stellungnahme ist gegebenenfalls auf den Weigerungsgrund hinzuweisen.

f) Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass Andreas Kälin den Beschwerdeführer telefonisch kontaktierte und dass dieser ihn nach einem beidseitig als «angespannt» geschilderten Gespräch an seinen Vorgesetzten weiter wies. Andreas Ochsenbein legt in seiner Beschwerdeschrift dar, er habe bei diesem Telefongespräch jedoch zumindest generell bemerkt, «dass die Beschwerde falsch sei und dass jeder gegen jeden eine Beschwerde machen könne und dafür nicht einmal zahlen müsse». Den Inhalt der Beschwerde habe er hingegen nicht kommentieren können. Diese Darlegung des Ablaufs und Inhalts des «angespannten» Telefongesprächs mit dem Beschwerdeführer bestreitet die «SonntagsZeitung» in ihrer Beschwerdeantwort nicht ausdrücklich. Entgegen der Auffassung der «SonntagsZeitung» genügte es danach nicht, bloss das Statement des Leitenden Staatsanwalts wiederzugeben, wonach dieser keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des Amtsgeheimnisses sehe. Vielmehr hätte die «SonntagsZeitung» das Gespräch mit dem Beschwerdeführer im Artikel nicht einfach mit Stillschweigen übergehen dürfen, sondern wäre gehalten gewesen, das generelle Dementi des Direktbetroffenen zur Aufsichtsbeschwerde der Bank Vontobel abzudrucken. Durch diese Weglassung hat die «SonntagsZeitung» Ziffer 3 der «Erklärung» verletzt.

5. a) Andreas Ochsenbein macht schliesslich geltend, die «SonntagsZeitung» habe mit der Bezeichnung zweier von der Bank im Auftragsverhältnis bestellter Gutachten als «unabhängig» gegen die Wahrheit verstossen und wäre entsprechend verpflichtet gewesen, eine Berichtigung abzudrucken. Der beanstandete Passus im Artikel vom 26. Mai 2006 lautet: «Nach Informationen der SonntagsZeitung hat Vontobel zudem zwei Rechtsgutachten von unabhängiger Seite erstellen lassen. (…) Professor Dieter Zobl von der Uni Zürich und Strafrechtsprofessor Günter Stratenwerth kamen zum Schluss, dass die Vorwürfe bezüglich der Kapitalerhöhung grundlos seien.»

b) Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzustimmen, dass ein Privatgutachter strukturell weniger unabhängig ist als ein Gerichtsgutachter. Entsprechend haben Gerichtsgutachten bei der Beweiswürdigung der Gerichte in aller Regel einen
höheren Stellenwert als Privatgutachten. Daraus zu schliessen, ein Privatgutachter sei von vornherein «das Gegenteil von unabhängig», scheint jedoch verfehlt. Denn gerade Uniprofessoren und Wissenschaftler riskieren, ihr Renommee zu beeinträchtigen, wenn sie sich den Interessen ihrer privaten Auftraggeber allzu stark angleichen. Vor allem aber wird aus dem Text der «SonntagsZeitung» trotz der Formulierung «von unabhängiger Seite» für die gegenüber der Aussagekraft von Gutachten ohnehin kritisch eingestellte Leserschaft klar ersichtlich, dass es sich bei den Gutachten der Professoren Zobl und Stratenwerth um Privat- und nicht um Gerichtsgutachten handelt. Eine Verletzung der Wahrheitspflicht ist entsprechend zu verneinen, weshalb die «SonntagsZeitung» auch nicht zum Abdruck einer Berichtigung verpflichtet war.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Die «SonntagsZeitung» hat mit der Veröffentlichung des Artikels «Bank Vontobel reicht Beschwerde und Rekurs ein» vom 26. Mai 2006 die Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (unvollständige Information, Anhörung bei schweren Vorwürfen) verletzt. Angesichts der gegenüber der Zürcher Staatsanwaltschaft im Allgemeinen und Staatsanwalt Andreas Ochsenbein erhobenen schweren Vorwürfe hätte sich die Zeitung nicht damit begnügen dürfen, das Dementi des Leitenden Staatsanwalts abzudrucken, wonach «keine Amtsgeheimnisverletzung erkennbar» sei. Vielmehr hätte auch das generelle Dementi des Direktbetroffenen zur Aufsichtsbeschwerde der Bank Vontobel zwingend in den Artikel gehört.

3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.