Nr. 18/2014
Wahrheitspflicht / Entstellen von Tatsachen / Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen / Diskriminierung

(Jagdgesellschaften Steckborn-Ost und Berlingen c. «Thurgauer Zeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 4. August 2014

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I. Sachverhalt

A. Am 1. Oktober 2013 veröffentlichte die «Thurgauer Zeitung» einen Artikel mit dem Titel «Lallende Jäger auf der Pirsch», gefolgt vom Untertitel «Tierschützer haben im Kanton Graubünden eine Initiative für eine naturverträgliche und ethische Jagd lanciert. Diese fordert unter anderem eine Promillegrenze für Jäger – völlig unnötig aus Sicht der Thurgauer Jäger». Der Artikel selbst führt aus, der Verein Tierschutz Schweiz habe eine Initiative lanciert, die unter anderem eine Blutalkoholgrenze von 0,5 Promille für Jäger im Kanton Graubünden fordert. Zu Wort kommt der Präsident des Thurgauischen Tierschutzverbandes – er ist der Einführung einer Blutalkoholgrenze gegenüber positiv eingestellt – sowie der Chef der Jagd- und Fischereiverwaltung, welcher eine solche Regelung für eine Überregulierung hält. Früher sei auf der Jagd deutlich mehr getrunken worden, seit er im Amt sei, habe er noch nie einen betrunkenen Jäger erlebt. Auch der Vizepräsident des Vereins Jagd Thurgau findet, dass diese Initiative übers Ziel hinausschiesst.

B. Am 19. Oktober 2013 beschwerte sich X. im Namen der Jagdgesellschaften Steckborn-Ost und Berlingen beim Schweizer Presserat und beanstandet, im Artikel werde eine gesamte Berufs- und Freizeitgilde pauschal und ohne jeden Hintergrund in ein schlechtes Bild gestellt und diffamiert. Der Titel entbehre jeglicher Tatsachen, im Artikel werde selbstredend auf keinen konkreten Fall zurückgegriffen, der Titel sei einzig eine reisserische Aufmachung ohne jeden Wahrheitsgehalt. Mitglieder der beschwerdeführenden Jagdgesellschaften seien als Jäger persönlich sehr in Misskredit gebracht und in ihrem Ruf geschädigt worden. Die Jägerschaft werde in der «Thurgauer Zeitung» auffällig oft in ihrer Arbeit für Jagd und Hege lächerlich gemacht. Nach Aufforderung zur ergänzenden Beschwerdebegründung führte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 31. Oktober aus, die Überschrift des Artikels entspreche in keiner Weise der Wahrheitswiedergabe, in keinem einzigen Fall seien je alkoholisierte Jäger bei der Jagdausübung oder dem Führen eines Motorfahrzeuges überführt worden. Er sieht damit Ziffer 1 (Wahrheitsgebot) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Die Überschrift betitle ausserdem pauschal eine ganze Berufsgruppe als «Lallende Jäger auf der Pirsch», was einer Tatsachenentstellung gleichkomme und somit Ziffer 3 der «Erklärung» verletze. Die nur vermutungsweise geäusserte Anschuldigung des Alkoholmissbrauchs unter Jägern sei absolut ungerechtfertigt und stelle einen Verstoss gegen Ziffer 7 der «Erklärung» dar. Schliesslich sieht der Beschwerdeführer im Titel eine diskriminierende Anspielung (Ziffer 8), er persönlich sei damit diskriminierend verunglimpft worden, damit aber auch die Jäger der Jagdgesellschaften sowie die gesamte Berufsgruppe der Jäger der Ostschweiz.

C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 4. August 2014 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Artikel 10 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. Aus ihrer Begründung geht hervor, dass sich die vorliegende Beschwerde einzig und allein auf den Titel «Lallende Jäger auf der Pirsch» bezieht. Die Frage, ob ein Titel zulässig zugespitzt oder unzulässig überspitzt ist, behandelt der Presserat in konstanter Praxis unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung»), weshalb vorliegend die weiteren, geltend gemachten Rügen nicht geprüft zu werden brauchen. Laut Presserat ist die Zuspitzung von Fakten in Schlagzeilen und Titeln berufsethisch zulässig, wenn dadurch ein Sachverhalt auf den Punkt gebracht wird und eine Nuancierung oder Präzisierung spätestens im Untertitel oder zu Beginn des Textes erfolgt (zuletzt: Stellungnahme 11/2014). Vorliegend wird denn auch bereits aus dem Untertitel klar, dass sich der Titel auf die unbestrittene Tatsache einer im Kanton Graubünden eingereichten Initiative bezieht, welche eine Promillegrenze für Jäger fordert. Ebenso wird bereits aus dem Untertitel klar, dass die Thurgauer Jäger eine derartige Regulierung für überflüssig erachten. Selbst wenn es tatsächlich noch nie einen Vorfall mit alkoholisierten Jägern auf der Jagd gegeben haben soll, kann dieser Titel deshalb nicht als unzulässige Überspitzung eingestuft werden. Dass die Leserschaft getäuscht werden könnte, ist nicht ersichtlich. Die Beschwerde erweist sich unter diesen Umständen als offensichtlich unbegründet.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.