Nr. 21/2014
Wahrheitspflicht / Diskriminierung

(Verein selbstbestimmung.ch c. «20 Minuten») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 5. August 2014

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I. Sachverhalt

A. Am 12. November 2013 veröffentlichte «20 Minuten» einen Artikel mit dem Titel «Drogengeld für die Familie». Im Untertitel heisst es, ein IV-Rentner und dreifacher Vater habe mit Marihuana-Anbau viel Geld gemacht. Der 36-Jährige müsse sich am Mittwoch vor dem Strafgericht verantworten. Im Artikel wird ausgeführt, ein 36-jähriger Basler habe sein Einkommen mit mehreren Indoor-Hanf-Anlagen aufgebessert. Der Angeklagte sei seit 2004 keiner Arbeit mehr nachgegangen. Er habe wegen eines Rückenleidens eine IV-Rente von 5000 Franken bezogen, was dem dreifachen Familienvater offenbar nicht gereicht habe, um die Kosten zu decken. Im Jahr 2006 habe er ein erstes Kellergeschoss in einer Liegenschaft in Basel gemietet, 2009 ein zweites. Laut Anklageschrift hätten die im Minimum geernteten 95 Kilo Marihuana einen geschätzten Gassenwert von knapp 1,3 Millionen Franken.

B. Am 15. November 2013 gelangte der Verein selbstbestimmug.ch mit einer Beschwerde an den Presserat. Er beanstandet, im Artikel werde behauptet, ein 36-jähriger Hanfplantagenbetreiber habe aufgrund eines Rückenleidens eine IV-Rente in der Höhe von 5000 Franken monatlich bezogen. Dies sei nachweisbar falsch. Die maximale IV-Rente betrage lediglich 2340 Franken pro Monat. Dies entspreche einer 100-%-Rente bei ausreichender, lückenloser Beitragsdauer und einem mittleren Einkommen von mindestens 84000 Franken pro Jahr. Selbst wenn der maximale Kinderrentenanspruch dazugerechnet werde, bleibe eine ungeklärte Differenz von 1724 Franken pro Monat bestehen. Falls dieser Mann überhaupt 5000 Franken monatlich verdienen sollte, lasse sich dies nur unter Einbezug weiterer Einkünfte erklären, wie den aufgrund des effektiven Bedarfs bemessenen Zusatzleistungen, einer Invalidenrente aus der Pensionskasse oder einer Teilerwerbstätigkeit, welche im Artikel allerdings ausdrücklich verneint werde. «20 Minuten» habe mit ihrer übertriebenen Angabe zur Höhe der IV-Rente einen irreführenden und damit für IV-Bezüger stigmatisierenden Eindruck von der Rentenpraxis der Invalidenversicherung vermittelt. Insbesondere Jugendlichen werde mit der übertriebenen Darstellung der Rentenhöhe der Eindruck vermittelt, es sei attraktiver, von der Invalidenversicherung zu leben, statt sich eine Lehrstelle zu suchen. Im Einzelnen macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» geltend, da die angegebene Höhe der IV-Rente offensichtlich  nicht stimmen könne. Ausserdem sei Ziffer 2 verletzt, da «20 Minuten» die verlangte Korrektur nicht vorgenommen habe bzw. einen entsprechenden Online-Kommentar zensuriert habe. Weiter sei Ziffer 3 verletzt, indem das scheinbar summierte Einkommen des Rentners in der Höhe von 5000 Franken allein auf die IV-Rente zurückgeführt wurde. Da durch die übertriebene Darstellung der IV-Rente sowie durch den polemischen Vergleich mit der TV-Serie «Breaking Bad» negative Stimmung gegen behinderte Personen erzeugt wurde, die eine IV-Rente beziehen, sei ausserdem Ziffer 8 (Diskriminierung) der «Erklärung» verletzt.

C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 5. August 2014 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Artikel 10 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. Die vorliegende Beschwerde richtet sich primär gegen die im Artikel von «20 Minuten» genannte Zahl von 5000 Franken, die der angeklagte Hanfplantagenbetreiber pro Monat als IV-Rente bezogen haben soll. Der Beschwerdeführer macht geltend, dies könne offensichtlich nicht stimmen und sieht darin die Ziffern 1 und 3 der «Erklärung» verletzt. Der massgebliche Satz im Artikel lautet: «Er bezog wegen eines Rückenleidens eine IV-Rente von 5’000 Franken.» Im Artikel wird nicht präzisiert, wie sich diese 5000 Franken zusammensetzen. Nicht völlig auszuschliessen ist es, dass der Betroffene als Vater von drei Kindern allein schon mit der IV-Rente und den Kinderrenten auf diesen Betrag kommt. Der Beschwerdeführer weist zudem selber auf die Möglichkeit hin, dass im Betrag von 5000 Franken pro Monat allenfalls auch eine BVG-Rente oder Ergänzungsleistungen enthalten sind. Vorliegend handelt es sich um eine Gerichtsberichterstattung. «20 Minuten» ist in diesem Zusammenhang nicht verpflichtet, die Zusammensetzung des Einkommens des Angeklagten detailliert anzugeben. Insofern ist die Beschwerde offensichtlich unbegründet.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe in einem Online-Kommentar auf den angeblichen Fehler hingewiesen und um eine Korrektur gebeten, worauf der Text jedoch nicht korrigiert worden sei bzw. der Zensur zum Opfer gefallen sei, ist darauf hinzuweisen, dass der Vorwurf der Zensur in keiner Weise belegt ist. Deshalb kann auch unter diesem Gesichtspunkt auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

Der Artikel wurde mit folgendem Satz eingeleitet: «Im Stil des Meth kochenden Professors Walter White aus der Fernsehserie «Breaking Bad» hat ein 36-jähriger Basler sein Einkommen mit mehreren Indoor-Hanf-Anlagen aufgebessert.» Nicht ersichtlich ist – dies der Vorwurf des Beschwerdeführers – inwiefern durch die übertriebene Darstellung der IV-Rente sowie durch den angeblich polemischen Vergleich mit der TV-Serie «Breaking Bad» negative Stimmung gegen behinderte Personen, welche eine IV-Rente beziehen, erzeugt wird. Es handelt sich vielmehr um einen Vergleich, der wohl humoristisch gemeint ist und offenbar auf die Menge des geernteten Marihuanas anspielt. Auch ein Verstoss gegen Ziffer 8 der «Erklärung» ist somit offensichtlich unbegründet.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.