Nr. 16/2014
Wahrheitspflicht

(X. c. «Sonntagszeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 31. Juli 2014

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I. Sachverhalt

A. Am 28. Juli 2013 berichtete die «SonntagsZeitung» unter dem Titel «Swiss-Pilot belieferte Sekte mit Waffen» über einen namentlich genannten Swiss-Piloten, der im Jahr 2010 vier Sturmgewehre und 7000 Schuss Munition in einem Schiffscontainer in die Dominikanische Republik geschmuggelt haben soll, um damit das Sektendorf der «Academy for Future Health» (AFFH) in Sosua im Norden der Insel auszurüsten. Die AFFH sei vom deutschen Orthopädietechniker Peter Brunck gegründet worden, Anhänger verehrten den selbst ernannten Doktor wie einen Gott. Der Artikel zitiert eine Expertin des Vereins Infosekta. Sie führt aus, bei der AFFH handle es sich um eine gefährliche Sekte, da deren Gründer Anspruch auf ultimativen Durchblick erhebe und seine Anhänger gleichzeitig auf den Weltuntergang vorbereite. Zitiert wird weiter eine Teilnehmerin an einem der Seminare der AFFH, welche der Akademie Manipulation vorwirft, da sie von der Kontrolle von Materie, Gedanken und Emotionen ausgeht und behauptet, mit ihrer Therapie könne selbst Krebs geheilt werden. Laut mehreren Ex-Mitgliedern der AFFH soll auch der Pilot, um den sich der Artikel dreht, Seminare der AFFH besucht haben. Im Jahr 2006 sei Bruncks Sohn aus der Akademie ausgestiegen, nachdem sein Vater zu «Therapiezwecken» mit zahlreichen Frauen geschlafen und so deren Krankheit ausgenützt habe. Der Swiss-Pilot sei jedoch der Sekte treu geblieben und bis ins AFFH-Präsidium aufgestiegen, derweil sich das Sektendorf weiter abgeschottet habe. Im Oktober 2012 habe die Polizei das Gelände gestürmt und den Sektenführer abgeführt, ein Mitglied sei getötet worden. Daraufhin habe der Swiss-Pilot Selbstanzeige erstattet wegen Waffenausfuhr, worauf er seine Stelle bei der Swiss verloren habe.

B. Am 3. August 2013 beschwerte sich X., Mitglied der Akademie, über den Artikel der «SonntagsZeitung». Er macht eine Verletzung der Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 2 (Informationsfreiheit), 3 (Unterschlagen wichtiger Elemente von Informationen sowie Entstellen von Tatsachen), 7 (Privatsphäre und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) sowie 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» geltend. X. führt im Einzelnen aus, die AFFH sei eine Akademie und keine Sekte, folglich gebe es auch keine Anhänger von Peter Brunck. Die Bezeichnung als Sekte stelle eine Diffamierung dar, die Verwendung der Termini «Untergangssekte» und «Weltuntergangssekte» sei eine bewusste Fehlinformation. Die Siedlung der Akademie als eine «Hochburg der Weltuntergangssekte» zu bezeichnen diene einzig dem Zweck, diese zu verletzen, zu schwächen und schlechtzureden. Die Aussage, mit den Waffen des Schweizers werde das Sektendorf ausgerüstet, sei eine verschärfte Form von Diffamierung, es gebe kein mit Waffen ausgerüstetes Sektendorf. Dem Vorwurf der Manipulation würden die vielen Geheilten entgegenstehen. Die Akademie habe zudem nie Unheil-Ankündigungen verbreitet, und auch der Vorwurf, der Sektenführer habe mit zahlreichen Frauen zu Therapiezwecken geschlafen, sei durch keine Aussteigerinnen belegt. Dass sich das Sektendorf abschotte, sei wiederum reine Manipulation der Autoren. Der Mitautor Florian Imbach habe über eine Fülle von Material der Akademie verfügt und alle Details der Polizeiaktion gekannt. Statt die wahre Geschichte zu erzählen, sei ein weiteres Mal eine «Sektenstory» verbreitet worden.

C. In ihrer Beschwerdeantwort vom 8. Oktober 2013 beantragte die «SonntagsZeitung», vertreten durch den Rechtsdienst der Tamedia AG, die Beschwerde abzuweisen. Die Aussagen des Artikels beruhten auf zuverlässigen Quellen wie ehemaligen Mitarbeitern und Sektenexperten. Der Pilot der Swiss und die Sektengemeinschaft seien vorgängig mit diesen Aussagen konfrontiert worden. Der Begriff Sekte sei keine Tatsachendarstellung und falle demnach nicht unter die Wahrheitspflicht. Der Artikel stelle auf den Umstand des Waffenschmuggels eines Swiss-Piloten ab und nicht auf die Sekte und ihr Umfeld. Die Waffenlieferung sei amtlich durch einen Strafbefehl belegt und somit nachweisbar. Ein Verstoss gegen die Wahrheitspflicht sei letztlich nicht nachweisbar, weshalb auch nicht gegen die Informationsfreiheit habe verstossen werden können. Unter der Informationsfreiheit dürften verschiedene Meinungen kundgetan werden, zudem stamme die Aussage «Verehrt wie einen Gott» von ehemaligen Sektenmitgliedern. Sämtliche Quellen des Artikels seien der Redaktion bekannt, es seien keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen worden. Die Redaktion sei mit dem Beschwerdeführer in regem Austausch gestanden und offen für seine Erklärungen gewesen. Jene Argumente, die in direktem Zusammenhang mit dem Kern der Recherche standen, seien im Artikel aufgenommen. Es fehle jeglicher Beleg für die Behauptung des Beschwerdeführers, die Journalisten hätten absichtlich Informationen unterschlagen. Die Privatsphäre hätten sie respektiert. Insbesondere habe die «SonntagsZeitung» auf eine vollständige Namensnennung verzichtet sowie anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen unterlassen. Der Waffenschmuggel sei durch einen Strafbefehl belegt und die Einschätzungen zur Sekte beruhten auf Aussagen und Dokumenten mehrerer zuverlässiger Quellen. Schliesslich könne von einer Verletzung der Menschenwürde offensichtlich nicht die Rede sein.

D. Am 16. Oktober 2013 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 31. Juli 2014 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. a) Der Beschwerdeführer rügt, der Artikel enthalte eine Reihe von Falschinformationen. Weder handle es sich bei der AFFH um eine Sekte, noch habe diese Waffen in ihrem Besitz, noch würde Peter Brunck die Mitglieder der Akademie auf den Weltuntergang vorbereiten, noch gebe es Aussteigerinnen, die bezeugen könnten, dass Brunck zu Therapiezwecken mit ihnen geschlafen habe, noch hätten sich Mitglieder der Akademie bei der Stürmung der Siedlung durch die Polizei «verschanzt».

b) Demgegenüber hält die «Sonntagszeitung» an der Sachverhaltsdarstellung des beanstandeten Berichts fest und macht geltend, alle Aussagen beruhten auf zuverlässigen Quellen. Die Redaktion sei im Besitz von Informationen, welche die Aussagen der Aussteigerinnen bestätigten. Ebenfalls hätten mehrere Beteiligte bezeugt, dass der Sektenführer vor Unheil und Weltuntergang warnt.

c) Gestützt auf die ihm eingereichten Unterlagen kann der Presserat nicht beurteilen, ob es sich bei den vom Beschwerdeführer als unwahr beanstandeten Angaben tatsächlich um Falschinformationen handelt. Der Beschwerdeführer unterlässt es, seine Rügen durch beweiskräftige Dokumente zu belegen. Die «Sonntagszeitung» ihrerseits beruft sich auf ihre zuverlässigen Quellen, ohne weitere Unterlagen einzureichen. Damit steht Aussage gegen Aussage. Unter diesen Umständen ist eine Verletzung der Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») nicht erstellt.

2. Dasselbe gilt für die weiteren, vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rügen. Beschwerdeführer und Beschwerdegegner beschränken sich auf Behauptungen und reichen keinerlei Belege ein, die es dem Presserat ermöglichen würden, diese zumindest auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Unter diesen Umständen sieht er sich nicht in der Lage, sich näher zu den vorgebrachten Rügen zu äussern. Eine Verletzung der weiteren, vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ziffern der  «Erklärung» liegt demnac
h nicht vor.


III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die «SonntagsZeitung» hat mit dem Artikel «Swiss-Pilot belieferte Sekte mit Waffen» vom 28. Juli 2013 die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 2 (Informationsfreiheit), 3 (Unterschlagen wichtiger Elemente von Informationen und Entstellen von Tatsachen), 7 (Privatsphäre und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) sowie 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.