Nr. 43/2014
Unterschlagen von Informationen / Anhören bei schweren Vorwürfen

(Armeestab. c. «TeleBärn») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 29. Dezember 2014

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I. Sachverhalt

A. Am 13. April 2014 strahlte «TeleBärn» in der Sendung «News» einen Beitrag aus über die Aussage von Korpskommandant André Blattmann, er lagere für den Fall eines Ausnahmezustandes 300 Liter Mineralwasser zu Hause. Auf der Webseite figurierte dieser Beitrag unter dem Titel «Armeechef hortet Mineralwasser und macht auf Panik: Was wir wirklich zu Hause lagern sollten». Der Journalist Philipp Kobel nimmt das gleichentags in der «Schweiz am Sonntag» publizierte Interview mit dem Chef der Armee, Korpskommandant Blattmann zum Anlass, in mehreren Berner Haushalten eine Umfrage durchzuführen, wie viele Vorräte Bernerinnen und Berner zu Hause aufbewahren, dies gestützt auf die vom Bundesamt für Wirtschaftliche Landesverteidigung (BWL) veröffentlichte Liste der empfohlenen Notvorräte. Zu Wort kommt ausserdem «Jungsozialist und Armeegegner» Jonas Zürcher, der dem Armeechef Panikmache vorwirft. Der Beitrag schliesst mit der Vermutung, die Äusserungen von Blattmann könnten auf die Abstimmung über die Gripen-Kampfflug-zeuge abzielen, doch sei fraglich, ob sie dazu beitrügen, 22 neue Jets beschaffen zu können.

B. Am 22. April 2014 reichte der Armeestab der Schweizer Armee beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen die Sendung ein. Er sieht Ziffer 3 (Unterschlagen von Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») verletzt. Der Journalist habe bewusst einen einseitigen, populistischen Beitrag kreiert, indem er Aussagen des Armeechefs verkürzt, abgeändert, aus dem Zusammenhang gerissen und in Verbindung zur bevorstehenden Gripen-Abstimmung gebracht habe. Dass er dabei die genauen Aussagen, auf welchen sein Bericht basierte, nicht einmal kannte, belege das unseriöse Vorgehen. Zur künstlich generierten Abstimmungsthematik lasse der Journalist zudem nur eine Person zu Wort kommen, was den Anschein plumper Abstimmungspropa-ganda erwecke. Der Bericht von «TeleBärn» verletze auch Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen). Der Vorwurf der Panikmache wiege sehr schwer, zumal er dem Chef der Armee gemacht werde und die «Schreckung der Bevölkerung» ein Straftatbestand sei. Der Chef der Armee oder zumindest seine Pressestelle hätten vor der Publikation dieses Vorwurfs angehört werden und ihre Stellungnahme hätte in die Berichterstattung einfliessen müssen.

C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 29. Dezember 2014 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Artikel 10 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. Die von «TeleBärn» zitierte Interviewaussage Blattmanns, er bewahre 300 Liter Mineralwasser zu Hause auf, wird nicht bestritten, der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, diese sei aus dem Zusammenhang gerissen und in Verbindung mit der Gripen-Abstimmung gebracht worden. Der Beitrag auf «TeleBärn» erhebt nicht den Anspruch, Blattmanns in der «Schweiz am Sonntag» gegebenes Interview mehr oder weniger vollständig zusammenfassen zu wollen. Er greift bewusst einen einzelnen Aspekt aus dem Interview auf und nimmt diesen zum Anlass, eine Spontanumfrage in einigen Haushalten zu machen und zu untersuchen, wie viele Vorräte Bernerinnen und Berner für den Notfall zu Hause gelagert haben. Dies ist aus medienethischer Sicht nicht zu beanstanden. Laut Praxis des Presserats lässt sich aus der «Erklärung» keine Pflicht zu objektiver Berichterstattung und Ausgewogenheit ableiten (vgl. dazu die Stellungnahmen 17, 27 und 49/2011 mit weiteren Hinweisen sowie 59/2011). Zudem hat der Presserat bereits in den Stellungnahmen 1/1992 und 7/2000 darauf hingewiesen, dass die Auswahl der zu veröffentlichenden Informationen (einschliesslich der Bilder und Illustrationen) im redaktionellen Ermessen liegt. Unter berufsethischen Gesichtspunkten ist es zudem zulässig, einen Bericht über einen Anlass oder ein Thema auf einen oder mehrere aus journalistischer Sicht relevante Aspekte zu beschränken. Der Vorwurf der Verletzung von Ziffer 3 (Unterschlagen von Informationen) der «Erklärung» ist deshalb offensichtlich unbegründet. Dass die Aussage Blattmanns so kurz vor der Abstimmung über den Kauf von neuen Kampfflugzeugen mit dieser in Verbindung gebracht wird, ist unter diesem diesem Gesichtspunkt ebenfalls nicht zu beanstanden. Dasselbe gilt für den weiteren Beschwerdegrund, beim Vorwurf der Panikmache handle es sich um einen schweren Vorwurf, weshalb Blattmann hätte angehört werden müssen. Es ist für den durchschnittlichen Zuschauer ohne Weiteres erkennbar, dass damit auf die im Vergleich zur Empfehlung des BWL von 9 Litern Wasser pro Person doch grosse Menge an Wasser angespielt wird, die der Armeechef zu Hause aufbewahrt. Es handelt sich somit um eine Wertung, die sich im Rahmen des Zulässigen bewegt, wird Blattmann doch weder ein illegales, noch ein damit vergleichbares Verhalten vorgeworfen.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.