Nr. 2/2000
Kommentare zur Religionsberichterstattung

(„Neue Luzerner Zeitung“ c. „Schweizerische Katholische Wochenzeitung“) Stellungnahme des Presserates vom 31. Januar 2000

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I. Sachverhalt

A. Am 21. Mai 1999 kritisierte die „Schweizerische Katholische Wochenzeitung“ (nachfolgend SKWZ) in einem von Martin Meier-Schnüriger gezeichneten Artikel die Verleihung des katholi-schen Medienpreises 1999 der Schweizerischen Bischofskonferenz an Benno Bühlmann, den Kirchenredaktor der „Neuen Luzerner Zeitung“ (nachfolgend NLZ) mit folgenden Worten: „(…)Begründet wird die Preisverleihung in der Regel mit dem ‘mutigen Einsatz für die Kirche’. Prost Mahlzeit! Ebenso gut könnte man Slobodan Milosevic den Friedensnobelpreis überreichen (…)“. In einem mit „WBW“ (Bruno Weber) gezeichneten gleichentags publizierten Beitrag mit dem Titel „Eine unbegreifliche Ehrung“, beschreibt die SKWZ Benno Bühlmann als „extremprogressiven Kirchenzerstörer“. „Er ist der geborene Papst- und Romfeind. (…) Die Zeitung ‘Aufbruch’ wurde von Benno Bühlmann mitbegründet, um Bischof Haas und die römi-sche Hierarchie bekämpfen zu können (…) Während acht Jahren hetzte er darin mit Lügen und Unwahrheiten gegen den Churer Bischof (…)“; „(…) in der NLZ betreibt er eine linkskirchliche Meinungsdiktatur (…)“; „(…)die im Kirchenrecht nicht vorgesehene Tagsatzung (…) wurde von Benno Bühlmann journalistisch mitorganisiert (…)“.

B. Die beiden Artikel der SKWZ vom 21. Mai 1999 veranlassten die NLZ, sich am 29. Juli 1999 an den Presserat zu wenden. Die NLZ schrieb, „seit bald zehn Jahren verbreitet diese Zeitung immer wieder polemische Kommentare, Falschinformationen und persönliche Verun-glimpfungen, die jeweils noch weitere ebenso gehässige Reaktionen aus der Leserschaft der SKWZ zur Folge haben – anonyme Anrufe und Briefe ‘unter der Gürtellinie’ an die Adresse unseres Kirchenredaktors.“ In einer ergänzenden Beschwerdebegründung vom 6. September 1999 machte die NLZ die Verletzung der Ziff. 1 (Respektierung der Wahrheit), Ziff. 3 (Unterschlagung wesentlicher Informationselemente, Entstellung von Tatsachen, fehlende Kennzeichnung von unbestätigten Informationen) und Ziff. 7 (Respektierung der Privatsphäre, Unterlassung ungerechtfertigter Anschuldigungen) der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ geltend. Zum Beweis ihrer Vorwürfe führte die Beschwerde-führerin Artikel der SKWZ an, die zum Teil bis zum Anfang der neunziger Jahre zurückreichen.

Die NLZ bestritt insbesondere, dass Bühlmann Veranstaltungen, über die er berichtete, „vernetzt“ („geschweige den organisiert“) habe. Weiter wurde eine systematische papst- und kirchenfeindliche Haltung des Journalisten bestritten. Ebensowenig habe dieser die Seite „Religion und Gesellschaft“ auf einen kirchenfeindlichen Kurs gebracht.

C. Mit Schreiben vom 10. Oktober 1999 bestritt RA Karl Ebnöther, Zug, namens der SKWZ die Zuständigkeit des Presserates zur Beurteilung der Beschwerde der NLZ und beantragte Nichteintreten.

D. Die 1. Kammer des Presserates (Roger Blum, Präsident, Sylvie Arsever, Sandra Baumeler, Esther-Maria Jenny, Enrico Morresi und Edy Salmina) entschied an ihrer Sitzung vom 14. Oktober 1999 auf die Beschwerde einzutreten, beschränkte den Beschwerdegegenstand jedoch auf die 1999 erfolgten Publikationen. Sie forderte die Beschwerdebeklagte deshalb noch einmal dazu auf, materiell zur Beschwerde Stellung zu nehmen.

E. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 machte die Beschwerdebeklagte wiederum die aus ihrer Sicht fehlende Zuständigkeit des Presserates geltend. Der Presserat sei nicht befugt, über Journalisten zu urteilen, die weder dem SVJ noch einem ähnlichen Verband angehörten. Weiter brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass die SKWZ mangels eigener Rechtspersönlichkeit nicht parteifähig sei. Ebenso bemängelte sie, die Beschwerde vom 29. Juli 1999 sei ungenügend substantiiert gewesen. Die Aufforderung zu einer nachträglichen Begründung der Beschwerde widerspreche elementarsten verfahrensrechtlichen Grundsätzen. Schliesslich hätten sich die Parteien im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vergleichsweise geeinigt, womit auch das Verfahren vor dem Presserat hinfällig geworden sei.

Materiell wurde seitens der Beschwerdebeklagten jeglicher Verstoss gegen den „Pressekodex“ bestritten. In der öffentlichen und für den Laien nicht immer einfachen kirchenpolitischen Auseinandersetzung sei es für das Verständnis des Publikums unabdingbar, dass die einzelnen Äusserungen „zugespitzt“ und „pointiert“ formuliert werden dürften. Es gehöre zu den zentralen Aufgaben der Medien, dem Publikum die Einordnung der Akteure in der (kirchen-)politischen Landschaft zu ermöglichen, was der Presserat jüngst in einer Stellungnahme selber festgestellt habe.

Die Vorwürfe der Beschwerdeführerin zu einzelnen Passagen der umstrittenen Artikel wurden ebenfalls ausdrücklich bestritten. So habe Martin Meier-Schnüriger nie die Absicht gehabt, Benno Bühlmann „mit einem Kriegsverbrecher übelster Sorte“ zu vergleichen. Vielmehr habe sich der Autor lediglich über die „gegenseitigen“ Preisverleihungen unter „privaten Grüppchen“ mokiert.

Die Ausführungen von Benno Weber seien vor dem Hintergrund der öffentlichen Auseinandersetzungen rund um die Person des seinerzeitigen Bischofs von Chur, Wolfgang Haas, zu sehen. Bühlmann sei mit seinen Kommentaren jeweils nicht gerade zimperlich mit Wolfgang Haas umgegangen. Solche deutlichen Worte hätten bei Bruno Weber – der in dieser Hinsicht eine grundsätzlich andere Auffassung vertrete – verständlicherweise ablehnende Reaktionen ausgelöst. Die dabei verwendeten Ausdrücke seien aber bei weitem nicht persönlichkeitsverletzend. Es müsse zulässig sein, der ungewöhnlich scharfen Kritik von Benno Bühlmann an der Person von Wolfgang Haas mit entsprechend „zugespitzter“ Kritik an dessen Person zu begegnen. Nebst der Kritik an Wolfgang Haas habe sich Benno Bühlmann in der Vergangenheit auch zu weiteren kirchenpolitischen Themen immer wieder kritisch gegenüber der Lehre der Katholischen Kirche bzw. des Papstes geäussert, so z.B. zur Zulassung von Frauen zum Priesteramt und zur Mitarbeit von Laien in der Kirche. Dass sich Bruno Weber auch in diesem Zusammenhang immer wieder mit Benno Bühlmann auseinandersetze, sei legitim. Die Auseinandersetzung zwischen Benno Bühlmann und Bruno Weber bestehe nun schon seit Jahren, ohne dass Benno Bühlmann je gegen Bruno Weber vorgegangen wäre. Seine heutige Reaktion sei daher unbegreiflich und erscheine geradezu als willkürlich.

Schliesslich sei auch die Behauptung der Beschwerdeführerin zurückzuweisen, Bruno Weber habe Benno Bühlmann vorgeworfen, an Veranstaltungen angeblich „organisatorisch mitgewirkt“ zu haben. Bruno Weber habe im betreffenden Artikel lediglich ausdrücken wollen, dass Benno Bühlmann die Veranstaltung mit Artikeln journalistisch begleitet habe.

F. Mit Schreiben vom 24. Dezember 1999 machte die Beschwerdeführerin geltend, es treffe keineswegs zu, dass die Beschwerde infolge des gerichtlichen Vergleichs gegenstandslos geworden sei. Im Gegenteil habe die NLZ beim Aushandeln der Vergleichsvereinbarung in Anwesenheit der Friedensrichterin der Stadt Luzern ausdrücklich festgehalten, dass das laufende Beschwerdeverfahren vor dem Presserat durch den Vergleich in keiner Weise tangiert werde. Materiell habe die SKWZ in ihrer Beschwerdeantwort zu sehr problematischen Ausführungen in ihrer Publikation gar nicht Stellung genommen, so nämlich zur „böswilligen Unterstellung“, dass Benno Bühlmann in seiner journalistischen Arbeit während acht Jahren „mit Lügen und Unwahrheiten gegen den Churer Bischof“ gehetzt habe.

G. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihren Sitzungen vom 14. Oktober und 16. Dezember 1999 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Soweit die Beschwerdebeklagte die sinngemässe Anwendung von zivilprozessualen Kategorien auf das
Verfahren vor dem Presserat geltend macht, geht ihre Argumentation fehl. Der Presserat hat in ständiger Praxis (vgl. zuletzt die Stellungnahme Nr. 9/1996 i.S. H. & Co. c. „Stadt-Anzeiger Opfikon-Glattbrugg“, Sammlung 1996, S. 55ff.) festgehalten, dass er sich ungeachtet einer Verbandsmitgliedschaft der von einer Beschwerde betroffenen Journalisten zu berufsethischen Fragen äussert. Ebensowenig ist für den Presserat die Frage von Bedeutung, ob ein Zeitungstitel oder eine Redaktion eine eigene Rechtspersönlichkeit haben, oder ob sie rechtlich Bestandteil eines Unternehmens sind. Entscheidend ist für den Presserat vielmehr die berufsethische Verantwortung der Redaktion für den Inhalt des redaktionellen Teils. Das Presseratsverfahren wird zudem auch nicht von der im Zivilprozess massgebenden Eventualmaxime beherrscht, wonach alle beschwerdebegründenden Tatsachen und Beweismittel gleichzeitig – ab einem bestimmten Verfahrensstadium mit Verwirkungsfolge – vorzubringen sind. Mit der Durchführung eines Instruktionsverfahrens bezweckt der Presserat, sich einen möglichst guten Überblick über die Standpunkte der Parteien zu verschaffen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es zweckmässig, bei Bedarf im Einzelfall eine Ergänzung einer Beschwerdebegründung zu verlangen. Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass dem Presserat – bei aller relativer Formlosigkeit seines Verfahrens – daran liegt, Beschwerden nach Möglichkeit innert nützlicher Frist zu behandeln, weshalb ergänzende Eingaben, die erst nach der Behandlung einer Beschwerde durch die zuständige Kammer eingehen, in der Regel nicht mehr berücksichtigt werden können.

Schliesslich kann auch der vor dem Friedensrichteramt Luzern abgeschlossene zivilrechtliche Vergleich das Eintreten des Presserates auf die vorliegende Beschwerde nicht verhindern, bindet doch die entsprechende Vereinbarung nur die daran Beteiligten. Anders wäre die Frage dann zu beurteilen, wenn die Beschwerdeführerin dem Presserat den Rückzug der Beschwerde bekanntgegeben hätte. Ein solcher Beschwerderückzug liegt aber nicht vor. Neben dem Interesse der Beschwerdeführerin an einer Stellungnahme fällt aus Sicht des Presserates auch ein öffentliches Interesse ins Gewicht. Der Presserat leitet seine Legitimation aus der Bedeutung ab, die den ethischen Urteilen in der modernen Gesellschaft zukommen. Die rechtliche und die ethische Bewertung von Fakten sind grundsätzlich voneinander unabhängig, auch weil deren Voraussetzungen ( die sich allerdings überschneiden können) nicht identisch sind. Die medienethischen Pflichten der Respektierung der Wahrheit und der Persönlichkeit bezweckt nicht allein, die Beziehungen der Parteien zu befrieden (was im Recht im Vordergrund steht), sondern vielmehr auch, zur Qualität des von den Medien sichergestellten, für eine demokratische Gesellschaft unabdingbaren öffentlichen Diskurses beizutragen. Auch aus diesem Grund kann der Presserat nicht einfach auf den vor dem Friedensrichter abgeschlossenen Vergleich der Parteien abstellen. Denn es erscheint auch aus Sicht des Publikums wünschenswert, Tragweite und Grenzen der Kommentarfreiheit in (religions-)politischen Auseinandersetzungen aus medienethischer Sicht in einer Stellungnahme näher auszuleuchten.

2. Die Religionsberichterstattung hat in den letzten 30 Jahren in den Medien eine bedeutende Stellung eingenommen. Die ökumenische Bewegung hat die Notwendigkeit des Dialogs zwischen den christlichen Kirchen betont und gleichzeitig Grenzen und Grundsätze in Frage gestellt, die zuvor während Jahrhunderten unbestritten waren. Das 2. Vatikanische Konzil (1962-1965) und die Schweizer Synode (1972-1975) haben innerhalb der katholischen Kirche zu einer Erneuerungsbewegung geführt, die scheinbar unverrückbare Institutionen und Gewohnheiten in Frage stellte. Diese Veränderungen vollzogen sich nicht schmerzlos. Vielen Personen, Geistlichen und Laien, ging dieser Reformprozess zu schnell, anderen im Gegenteil zu langsam. Der Papst und die Bischöfe stehen unter ständigem Druck und die Medien haben nicht nur Informationen verbreitet, sondern mit ihren Standpunkten auch die Kontraste verstärkt. Aus Sicht der Öffentlichkeit, die mit den verschiedensten Auffassungen innerhalb derselben Kirche konfrontiert wurde, ist dies positiv zu werten. Bereits Pius XII. führte aus, die katholische Kirche sei ein lebendiger Körper und „es würde etwas in ihrem Leben fehlen, wenn ihr die öffentliche Meinung mangelte.“ (in: „Die öffentliche Meinung in Staat und Kirche und die katholische Presse“, Ansprache an Teilnehmer des Internationalen katholischen Pressekongresses am 17. Februar 1950). Das Konzil lud die Laien dazu ein, „ihre Bedürfnisse und Wünsche mit der Freiheit und dem Vertrauen zu eröffnen, wie es den Kindern Gottes und den Brüdern in Christus ansteht“ („Lumen gentium“, Art. 37) Der neue Kodex des kanonischen Rechts (1983) hat diese Kompetenz auch kirchenrechtlich bestätigt (can. 212, §§ 2 und 3). Die Dokumente des Vatikans, die sich zu den Massenmedien äussern, betonen die Freiheit und die Nützlichkeit der öffentlichen Diskussion. „Die neue Technik für den Austausch unter den Menschen versammelt die Zeitgenossen sozusagen um einen runden Tisch. So kommen sie in dem Streben nach Brüderlichkeit und gemeinsamen Handeln miteinander ins Gespräch. Denn durch diese Instrumente wird das tägliche Gespräch des einzelnen aufgenommen, angeregt und weithin verbreitet. So wird das öffentliche Gespräch der ganzen Gesellschaft durch diese Medien ermöglicht und überall vernehmbar. Der so vermittelte Fluss der Nachrichten und Meinungen bewirkt in der Tat, dass alle Menschen auf dem ganzen Erdkreis wechselseitig Anteil nehmen an den Sorgen und Problemen, von denen die einzelnen und die ganze Menschheit betroffen sind. Das sind notwendige Voraussetzungen für das Verstehen und die Rücksichtnahme untereinander und letztlich für den Fortschritt aller.“(aus: Päpstliche Kommission für die Instrumente der sozialen Kommunikation, Pastoralinstruktion „Communio et progresso“ über die Instrumente der sozialen Kommunikation, Trier 1971, S. 169).

3. „Facts are sacred, opinions are free“: dieses Prinzip des angelsächsischen Journalismus ist weitherum anerkannt. Gemäss Ziff. 2 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ sind die Medienschaffenden verpflichtet, die Freiheit der Information, die sich daraus ergebenden Rechte, die Freiheit des Kommentars und der Kritik sowie die Unabhängigkeit und das Ansehen ihres Berufs zu verteidigen. Es wäre jedoch verfehlt, hieraus abzuleiten, dass die Berufsethik nicht auch für Kommentare gelten würde. Der Presserat hat sich in seiner bisherigen Praxis mehrfach zur Tragweite der Kommentarfreiheit geäussert (vgl. zuletzt die Stellungnahmen Nr. 16/99 i.S. H. c. „Zuger Presse“ und Nr. 3/98 i.S. S. c. „NZZ“ vom 20. Februar 1998, Sammlung 1998, S. 48ff.) und wiederholt darauf hingewiesen, dass auch der Kommentarfreiheit berufsethische Grenzen gesetzt sind, soweit andere durch kommentierende Beiträge betroffene Interessen im Einzelfall schwerer wiegen. Die berufsethische Pflicht, die Wahrheit (Ziff. 1 der „Erklärung“) und die Persönlichkeit (Ziff. 7 der „Erklärung) der von einem Medienbericht Betroffenen zu respektieren, gilt für alle Aspekte der journalistischen Tätigkeit, jede einzelne Seite einer Zeitung und für jede Radio- und Fernsehsendung. Kein Kommentar darf sich auf Unwahrheiten abstützen.

4. Angesichts der angespannten und von polemischen Auseinandersetzungen geprägten Lage, in der sich die Katholische Kirche in der Schweiz befindet, ist eine lebhafte und bissige Kritik nachvollziehbar. Dadurch wird die Bedeutung der laufenden Debatte sogar unterstrichen. Dementsprechend muss es für einen Kommentator ohne weiteres zulässig sein, die Verleihung eines kirchlichen Medienpreises an einen Journalisten, dessen kirchenpolitische Auffassungen diametral von der eigenen Position abweicht, in einem Kommentar scharf zu kritisieren.

Al
lerdings erscheint in diesem Zusammenhang eine Bezugnahme auf den Präsidenten von Jugoslawien, Slobodan Milosevic, gegen den eine internationale Strafverfolgung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gange ist, aus berufsethischer Sicht völlig unangebracht, selbst wenn der entsprechende Bezug zu Benno Bühlmann von der Beschwerdebeklagten im konkreten Fall nur indirekt hergestellt wird.

Ebenso unzulässig ist der kommentierende Rückgriff auf unbewiesene Fakten, mit denen der Preisträger diskreditiert werden soll. Die Beschwerdebeklagte hat im Rahmen des Presseratsverfahrens keinerlei Beweismittel vorgelegt, die den Schluss erlauben würden, dass Benno Bühlmann mit „Lügen und Unwahrheiten“ gegen den Bischof von Chur agitiert hätte, ebensowenig, dass er aktiv an der Organisation von Veranstaltungen mitgewirkt hätte, über die er gleichzeitig journalistisch berichtete. Denn entgegen der Auffassung der Beschwerdebeklagten kann die Formulierung „journalistisch mitorganisiert“ nicht auf eine blosse Berichterstattung reduziert werden. Vielmehr impliziert sie aktives Engagement zugunsten einer Veranstaltung, die über die übliche Berichterstattung hinausgeht. Benno Bühlmann muss zwar akzeptieren, dass sein Standpunkt in der kirchlichen Auseinandersetzung seitens der SKWZ bestritten und seine Kritik mit heftiger Gegenkritik beantwortet wird. Eine solche Kritik ist für die Leserschaft der NKWZ, die gegenüber Werten wie der Respektierung der Autoritäten und der Treue zur Katholischen Kirche besonders sensibilisiert ist, auch ohne den Rückgriff auf unbewiesene, diskreditierende Behauptungen ohne weiteres nachvollziehbar. Er ist jedoch vor dem Versuch zu schützen, ihn mit unlauteren Argumenten in ein – aus Sicht der Gegenpartei – „noch schlechteres“ Licht zu rücken.

III. Feststellungen

1. In einem Kommentar auf unerwiesene und krass unangemessene diskreditierende Behauptungen abzustellen, kommt einem Missbrauch der Pressefreiheit gleich und zeugt von mangelndem Bewusstsein der Verantwortung der Medienschaffenden gegenüber der Öffentlichkeit.

2. Die „Schweizerische Katholische Wochenzeitung“ hat die Ziff. 1 (Respektierung der Wahrheit) und 7 (Respektierung der Persönlichkeit, Unterlassung sachlich nicht gerechtfertigter Anschuldigungen) der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ verletzt.