Nr. 33/2006
Informationsfreiheit / Keine Verpflichtung zur Veröffentlichung von unverlangt eingesandten Informationen

(X. c. Diverse Medien) Stellungnahme des Presserates vom 30. Juni 2006

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I. Sachverhalt

A. Am 27. Februar 2006 wandte sich X. mit einer Beschwerde an den Schweizer Presserat und beanstandete, seit Jahren verbreiteten die Schweizer Medien fälschlicherweise, dass «alkoholische Getränke, mit Mass genossen, im Vergleich zu alkoholfrei Lebenden, gewisse gesundheitliche Vorteile böten». Die wissenschaftlichen Quellen dieser unwahren Behauptung würden jeweils unterschlagen. Leserbriefe, die verlangten, offensichtliche Mängel dieser Studien zu berichtigen würden nicht abgedruckt. Ebenso unterblieben redaktionelle Berichtigungen. Dies trotz erst kürzlich publizierten neueren Forschungsergebnissen, die diese Mängel auch wissenschaftlich belegten. In der Schweiz sei davon nichts veröffentlicht worden. Auch die schriftliche Intervention des Beschwerdeführers bei etwa 25 der wichtigsten schweizerischen Redaktionen habe nichts bewirkt. Mit ihrer Verweigerungshaltung würden die Medienschaffenden gegen die Ziffern 1 (Wahrheitssuche), 2 (Informationsfreiheit, Freiheit des Kommentars und der Kritik) und 5 (Berichtigungspflicht) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen.

B. Am 2. März 2006 wies das Presseratssekretariat den Beschwerdeführer darauf hin, gemäss der Praxis des Presserates «dürfte es sich – wenn überhaupt – nur ganz ausnahmsweise rechtfertigen, aus der unterlassenen Berichterstattung eines Mediums über ein bestimmtes Thema eine Verletzung berufsethischer Normen abzuleiten». Zudem sei dem Presserat die Beurteilung der Rüge der Verbreitung von angeblichen Falschinformationen nur dann möglich, wenn sich eine Beschwerde gegen konkrete, überprüfbare Medienberichte namentlich bezeichneter Medien richte.

C. Am 14. März 2006 teilte X. dem Presserat mit, dass er seine Beschwerde aufrechterhalte. Er beanstande nicht nur eine etwas einseitige Informationsauswahl der Redaktionen, sondern die methodische, absichtliche Verweigerung von lebenswichtigen Informationen. Aufgrund seiner täglichen Lektüre und der Archivsuche bei «Tages-Anzeiger», «SonntagsZeitung», NZZ, «NZZ am Sonntag», «Weltwoche», «Basler Zeitung» usw. könne er den Schluss ziehen, dass mindestens der «Tages-Anzeiger» mit seiner öffentlich gemeldeten Mitgliedschaft bei der «Allianz gegen Werbeverbote» seinen eigenen Journalisten nicht erlaube, frei über die Alkoholproblematik zu schreiben. Darüber hinaus sei er überzeugt, dass es bei den anderen Verlagen, vor allem jenen in der «Allianz gegen Werbeverbote», genau gleich laufe. «Auch das Schweizer Fernsehen bleibt mit seinen ‹aufklärerischen› Sendungen an der Oberfläche und verbreitet daneben viel Lifestyle-Schleichwerbung. (…) Besonders stossend ist, dass Presseerzeugnisse, die vorgeben, den Konsumenten zu schützen, nicht anders funktionieren als die übrige Presse.»

C. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen.

D. Das Presseratspräsidium – bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher – hat die vorliegende Stellungnahme per 30. Juni 2006 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. In Bezug auf die (positiven oder negativen?) Wirkungen von massvollem Alkoholgenuss ist vorab darauf hinzuweisen, dass es nicht Aufgabe des Presserates ist, zu den unterschiedlichen Positionen Stellung zu nehmen (vgl. zuletzt die Stellungnahme 22/2006). Zudem ist der Beschwerdeführer daran zu erinnern, dass aus der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» keine berufsethische Pflicht zu «objektiver Berichterstattung» abgeleitet werden kann. Entsprechend wäre dem «Tages-Anzeiger» und den weiteren von X. kritisierten Schweizer Medien berufsethisch selbst dann kein Vorwurf zu machen, wenn diese «einseitig» über die «Alkoholproblematik» berichteten.

2. Soweit X. ohne detaillierte und konkrete Begründung gar pauschal geltend macht, die von ihm kritisierten Medien würden ihrem Publikum «lebenswichtige Informationen» verweigern, ist die Beschwerde offensichtlich unbegründet. Bereits eine summarische Durchsicht der dem Presserat eingereichten Medienberichte zum Thema «Alkohol» zeigt im Gegenteil ein durchaus differenziertes Bild. Zwar werden die Forschungsergebnisse über die möglicherweise gesundheitsfördernde Wirkung eines moderaten Alkoholkonsums durchaus wohlwollend referiert. Gleichzeitig warnen die Berichte aber fast durchwegs (auch diejenigen des «Tages-Anzeigers») vor den Gefahren eines übermässigen Alkoholkonsums und davor, nun eine Kampagne für mässigen Alkoholgenuss zu führen. Ebenso weisen die Berichte darauf hin, dass viele Fragen noch ungeklärt seien und beispielsweise umstritten sei, ab welchen Konsummengen Alkoholgenuss schädlich wird. Soweit der Beschwerdeführer schliesslich beanstandet, die genannten Medien würden keine kritischen Leserbriefe zum Thema veröffentlichen, fällt zumindest auf, dass gerade die von X. dem Presserat als Beispiele eingereichten Leserbriefe grösstenteils veröffentlicht worden sind.

3. Die Hauptkritik der Beschwerde zielt soweit ersichtlich darauf, dass mit Ausnahme der «NZZ am Sonntag» kein Schweizer Medium über eine neuere amerikanische Studie berichtet habe, welche die These vom gesundheitsfördernden moderaten Alkoholgenuss in Frage stelle und aufzeige, dass es sich bei den zuvor gefundenen Unterschieden zwischen Abstinenzlern und massigen Trinkern um statistische Zufälligkeiten handeln könnte. Dies, obwohl X. gegen 25 Schweizer Medien dazu umfassend dokumentierte. Der Presserat hat jedoch sowohl in Bezug auf Leserbriefe, Medienmitteilungen wie auch auf unverlangt eingereichte Medienberichte wiederholt darauf hingewiesen, dass die Redaktionen berufsethisch nicht verpflichtet sind, über ein bestimmtes Thema, eine Gruppe oder eine Person zu berichten. Aus der Informationsfreiheit ist die Freiheit der Journalisten und Redaktionen abzuleiten, ihre Themen frei zu wählen und zu gewichten. Sie entscheiden nach journalistischen Kriterien (z.B. Aktualität und Relevanz eines Themas), in welcher Form, Kadenz und Grösse sie berichten. Die Grenze des berufsethisch Verpönten wird erst dann (ausnahmsweise) überschritten, wenn Medien eine Gruppierung oder Person boykottieren und ihre Berichterstattung von anderen als von journalistischen Kriterien abhängig machen (vgl. zuletzt die Stellungnahme 37/2005 mit weiteren Hinweisen). Entsprechendes ist hier jedoch offensichtlich nicht belegt.

III. Feststellung

Die Beschwerde wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.