Nr. 34/2006
Anhörung zum Vorwurf unseriöser Anlage- und Kommissionsgeschäfte

(X. AG c. «SonntagsZeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 2. Juni 2006

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I. Sachverhalt

A. Die «SonntagsZeitung» veröffentlichte am 11. Dezember 2005 unter dem Titel «Heikle Geschäfte eines Z.-Grosssponsors» einen Artikel über umstrittene Vermögensverwaltungsgeschäfte eines Sponsors und «delegierten Verwaltungsrats» des Fussballclubs Z.. Dieser arbeite mit der X. AG zusammen, deren Geschäftsmethoden in einem weiteren Bericht («Wie die X. Kundenkonten plündert») kritisch dargestellt wurden. Die «SonntagsZeitung» warf der Firma darin vor, als Vermögensverwaltungsunternehmen über ein unseriöses Telefonmarketing ihre Anleger zu riskanten Geschäften mit Aktienoptionen zu überreden und dabei unabhängig vom Anlageerfolg mit überhöhten Gebühren ein Geschäft zu machen.

B. Die X. AG legte am 30. Dezember 2005 beim Presserat Beschwerde gegen die «SonntagsZeitung» und die verantwortlichen Journalisten ein. Es handle sich um eine einseitige Berichterstattung reisserischer Art, welcher nicht nur die Persönlichkeit verletze und unlauter sei, sondern auch gegen die Wahrheits- und Fairnesspflicht der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstosse. Zudem sei der eigene Standpunkt der Beschwerdeführerin in der Berichterstattung der «SonntagsZeitung» nicht angemessen wiedergegeben worden.

C. Die «SonntagsZeitung» forderte den Presserat am 3. Februar 2006 zunächst auf, auf die Beschwerde nicht einzutreten, weil sie der Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens diene und ein solches erheblich beeinflussen könnte (Art. 15 des Geschäftsreglements des Presserates).

D. Am 8. Februar 2006 teilte der Presserat den Parteien mit, er trete lediglich teilweise auf die Beschwerde ein. Ungeachtet der Frage, ob die Beschwerdeführerin später ein Gerichtsverfahren einleite, könne der Presserat nach ständiger Praxis jedenfalls keine umstrittenen Sachverhalte klären. Auf die mit der Beschwerde beanstandeten Verletzungen der Wahrheitspflicht trete er deshalb nicht ein. Zu behandeln sei hingegen der Vorwurf der Unfairness und ungenügenden Anhörung der Adressaten vor der Veröffentlichung schwerer Vorwürfe (Ziffer 3.8 der Richtlinie zur «Erklärung»).

E. Am 20. März 2006 beantragte die «SonntagsZeitung», die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde. Die Zeitung habe die X. AG vor der Publikation mit allen Vorwürfen konfrontiert, namentlich auch mit jenem der «Kommissionsschinderei» zu Lasten der Anleger. Die Beschwerdeführerin habe die Vorwürfe zwar bestritten, sie aber nicht entkräften können. Medien seien nicht verpflichtet, offensichtlich unrichtige Gegenbehauptungen von Betroffenen umfassend zu publizieren.

F. Das Präsidium des Presserates wies die Beschwerde zur Behandlung an die erste Kammer. Diese setzt sich aus Dr. Peter Studer (Kammerpräsident), Francesca Snider, Luisa Ghiringhelli Mazza, Pia Horlacher, Katharina Lüthi, Edy Salmina und Dr. Philip Kübler zusammen. Die Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 2. Juni 2006 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Gemäss der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» sind Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören, und deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben.

2. Der Publikation des Artikels vom 11. Dezember 2005 gingen mehrere zunächst erfolglose und dann erfolgreiche Versuche der Journalisten voraus, mit den Vertretern der Beschwerdeführerin Kontakt aufzunehmen. Der Austausch fand schriftlich (per E-Mail) statt, ein direktes Gespräch kam nicht zustande. Die später publizierten Vorwürfe sind der Beschwerdeführerin vor der Publikation unterbreitet worden, so insbesondere die Vorwürfe unseriöser Anwerbung und Informierung der Kunden, nicht mit den gedruckten Verträgen abgestimmter Versprechungen der Anlageberater und horrender Gebühren auf Transaktionen mit Aktienoptionen, welche keinem nachvollziehbaren Konzept folgten. In Bezug auf ihre Bemühungen zur Anhörung der Beschwerdeführerin ist das Verhalten der «SonntagsZeitung» insgesamt als vorbildlich zu werten.

3. Zumindest vertretbar waren für den Presserat zudem auch Art und Umfang des Einbezugs der Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu den gegenüber ihr erhobenen Vorwürfen im Artikel selber. Dort wird erwähnt: «X.-Chef Z. weist alle Vorwurfe zurück. Die Kunden würden über die Risiken aufgeklärt, etwa mit dem Hinweis, dass über 80 Prozent derer, die in den Termin- und Optionshandel investieren, Geld verlieren». Entgegen der Auffassung der X. AG war die «SonntagsZeitung» darüber hinaus nicht verpflichtet, konkret auch das Dementi zum Vorwurf der Kommissionsschinderei abzudrucken. Denn auch ohne dieses zusätzliche Dementi geht aus der generellen Zurückweisung sämtlicher Vorwürfe genügend klar hervor, dass die Beschwerdeführerin jegliches unlautere Geschäftsgebaren von sich weist.

4. Nachvollziehbar ist hingegen der Ärger der X. AG über die etwas reisserische Aufmachung des Artikels, die vor allem am im Titel («Wie die X. Kundenkonten plündert») enthaltenen Wort «plündert» liegt: Damit ist eine Herabsetzung verbunden, die allerdings aufgrund des – vom Presserat wie ausgeführt nicht in einem Beweisverfahren zu prüfenden – Sachverhaltes, wie ihn die Journalisten wahrnahmen, keine unnötig verletzende Äusserung darstellt, sondern als zulässige, wertende Zuspitzung anzusehen ist.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2. Die «SonntagsZeitung» hat die X. AG vor der Publikation des Artikels vom 11. Dezember 2005 in genügendem Umfang zu den von ihr erhobenen schweren Vorwürfen angehört. Die Integration der Stellungnahme der Beschwerdeführerin in den Artikel war zwar kurz, im Lichte des Fairnessgebotes jedoch ausreichend.