Nr. 45/2021
Privatsphäre / Identifizierung

(Fairmedia c. «Blick» und «20 Minuten»)

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Zusammenfassung

Der Presserat heisst je eine Beschwerde gegen «20 Minuten» und «Blick» gut. Beide Medien berichteten über ein Tötungsdelikt in Buchs (SG), wobei eine junge Mutter mutmasslich durch ihren Partner ermordet wurde. Im Rahmen ihrer Berichterstattung veröffentlichten «Blick» und «20 Minuten» Fotos des Deliktorts. Die Bilder zeigen das Gebäude, in dem sich im Erdgeschoss eine Pizzeria und im ersten Stock die Wohnung des Paares befindet. Beide Medien machten publik, dass der Mann in der Pizzeria arbeitete und nannten die Strasse, an der sie liegt. Dadurch ist für Dritte der Wohn- und Arbeitsort des Mannes rasch erschliessbar. Der Presserat rügt diese identifizierende Berichterstattung.

Ebenfalls erachtet der Presserat die Privatsphäre als verletzt. «Blick» publizierte eine Aufnahme durch die verglaste Eingangstüre des Deliktorts. Auf dem abgebildeten Flur sind private Gegenstände zu sehen. «20 Minuten» veröffentlichte ein Foto des Balkons, der von der Strasse aus nicht einsehbar ist. In beiden Fällen kommt der Presserat zum Schluss, dass sowohl der Eingangsbereich als auch der Balkon zum Privatbereich der Betroffenen gehört.

Résumé

Le Conseil de la presse accepte une plainte contre «20 Minuten» et le «Blick». Les deux médias avaient rendu compte d’un homicide qui s’était produit à Buchs (SG), lors duquel il était présumé qu’une jeune mère avait été tuée par son partenaire. Dans leurs comptes rendus, le «Blick» et «20 Minuten» ont publié des photos de la scène du crime. Les images montraient le bâtiment qui abrite une pizzeria au rez-de-chaussée et l’appartement du couple au premier étage. Les deux médias ont révélé le fait que l’homme travaillait à la pizzeria et ont indiqué le nom de la rue où elle se trouve. Il était facilement possible d’en déduire l’adresse du logement et du lieu de travail de l’homme. Le Conseil de la presse blâme ces articles identificateurs.

Il estime également qu’ils violent la sphère privée. Le «Blick» avait publié une photo prise à travers la porte vitrée du lieu du crime. On y voyait des objets privés. «20 Minuten» avait quant à lui publié une photo du balcon, qu’on ne voit pas de la rue. Dans les deux cas, le Conseil de la presse arrive à la conclusion que l’entrée comme le balcon font partie de la sphère privée des intéressés.

Riassunto

Il Consiglio svizzero della stampa ha accolto due reclami, presentati rispettivamente contro «20 Minuten» e contro il «Blick» per come hanno riferito circa un omicidio avvenuto a Buchs (SG), dove una giovane madre era stata uccisa, presumibilmente dal suo partner. Entrambi i giornali avevano pubblicato la foto del luogo del delitto: una casa, con una pizzeria al piano terreno, di cui la coppia abitava il primo piano. Entrambi i media precisavano che l’uomo lavorava nella pizzeria, citato era anche il nome della strada, per cui un terzo avrebbe potuto facilmente identificare il luogo del delitto. Indicazioni che sono state ritenute dal Consiglio della stampa inappropriate.

L’organismo di deontologia ritiene pure violazione della sfera privata la foto scattata attraverso il vetro della porta d’ingresso, nella quale sono riconoscibili oggetti di uso privato. Su «20 Minuten» figura infine la foto di un balcone, che peraltro dalla strada non si vede. Sia la ripresa dell’ingresso sia la foto del balcone rappresentano, a giudizio del Consiglio, una violazione della sfera privata delle persone oggetto della notizia.

I. Sachverhalt

A. Am 24. Februar 2021 veröffentlichte «Blick.ch» den Artikel «X. soll Y. (†22) in Buchs SG getötet haben. ‹Mit seiner Freundin war er sehr aggressiv›» (im Artikel wurden fiktive Vornamen und Initialen des Nachnamens beider Personen genannt). Gleichentags publizierte «20min.ch» den Artikel «22-jährige Tote war Mutter». Am 26. Februar 2021 folgte auf «20min.ch» der Text «Für die Familie gab sie ihren Job auf». In allen drei Medienbeiträgen wird über das Tötungsdelikt in Buchs SG berichtet, bei dem eine 22-jährige Frau ihr Leben verlor.

Gemäss «Blick.ch» habe dabei ein 24-jähriger Somalier seine Freundin umgebracht. Die Polizei habe ihn mit zwei weiteren Männern in der Wohnung festgenommen. Die beiden letzteren seien kurz darauf wieder freigelassen worden. Der Verdacht gegen den Mann X. soll sich hingegen erhärtet haben. Ein ehemaliger Arbeitskollege von ihm gibt gegenüber «Blick.ch» an, dass X. als Filialleiter in der Pizzeria unterhalb der Tatwohnung gearbeitet habe. X. sei im Beruf überfordert gewesen und habe sich seiner Freundin gegenüber aggressiv verhalten. Ein Coiffeur in der Nachbarschaft sowie ein Anwohner beschreiben den 24-Jährigen hingegen als freundlichen, anständigen und aufgestellten Mann. Mit seiner Partnerin habe er ein einjähriges Kind, das nach der Tat fremdplatziert worden sei. Die Hintergründe der Tat seien gemäss «Blick.ch» noch unklar. Das Institut für Rechtsmedizin des Kantonsspitals St. Gallen untersuche die Todesursache. «Blick.ch» hat dem Artikel eine Bildergalerie hinzugefügt. Die Fotos zeigen das Paar (das Gesicht der Frau ist verpixelt, jenes des Mannes von einem schwarzen Balken bedeckt), eine Pizzeria, die versiegelte Tür der Tatwohnung, deren Balkon und Hausflur, ein Strassenschild sowie den Coiffeur in der Nachbarschaft.

«20min.ch» berichtet in zwei Artikeln über das Tötungsdelikt in Buchs. Im ersten kommen Nachbarn zu Wort, die sich um das Kind sorgen oder die das Paar als glücklich beschreiben. Es soll in der Wohnung oberhalb der Pizzeria, dem Arbeitsort des Mannes, gelebt haben. «20min.ch» illustriert den Artikel mit Fotos, die das entsprechende Gebäude, die Wohnungsterrasse und den versiegelten Tatort zeigen. In einem zweiten Artikel zitiert «20min.ch» weitere Personen, die den mutmasslichen Täter und/oder das Opfer gekannt haben. Stammkunden der Pizzeria beschreiben den Mann als aufgestellt. Die Frau habe in einer Alterssiedlung ihre Lehre absolviert und sei im Anschluss weiterhin dort beschäftigt gewesen. Ihr früherer Chef zeigt sich gegenüber «20min.ch» tief betroffen von der Tat. Eine frühere Berufsschulkollegin des mutmasslichen Täters gibt wiederum an, dass sie ihn auf den Fotos der Medienberichterstattung erkannt habe. In der Schule sei er nie aggressiv gewesen oder negativ aufgefallen. Vielmehr sei er der Klassenclown und ein Spassvogel gewesen. Mit einer Aussage werden auch die Eltern des Mannes zitiert: Sie hätten ihrem Sohn diese Tat nicht zugetraut.

B. Am 23. März 2021 reichte der Verein Fairmedia beim Schweizer Presserat eine Beschwerde gegen den Artikel von «Blick.ch» sowie eine Beschwerde gegen die Berichterstattung von «20min.ch» ein. In beiden Fällen macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Schutzes der Privatsphäre (Richtlinie 7.1 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», nachfolgend «Erklärung») und der Identifizierung (Richtlinie 7.2) geltend.

Fairmedia kritisiert, dass «Blick.ch» mit dem Foto durch die verglaste Eingangstüre den Schutz der Privatsphäre verletzt habe. Das Bild zeigt einen Hausflur, wo unter anderem Schuhe zu erkennen sind. Für dessen Publikation sei kein öffentliches Interesse vorhanden und es ziele einzig auf den Voyeurismus der Leserschaft, moniert Fairmedia. Auch aus Pietätsgründen sei dieses Bild nicht publizierbar.

Da der mutmassliche Täter nicht auf der Flucht und – wie auch das Opfer – keine Person des öffentlichen Lebens sei, bestehe kein öffentliches Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung. Obwohl die Namen der Betroffenen im Artikel geändert sind, könnten sie Personen ausserhalb des näheren Umfelds identifizieren. Denn «Blick.ch» nenne das Alter und die Herkunft des Paares sowie des Kindes. Des Weiteren seien durch den Bericht der Arbeitgeber und die Stellenbezeichnung des Mannes publik geworden. Auch werde die Adresse bekannt gemacht, indem die Strasse in Buchs SG genannt und die Hausnummer im Bewegtbild gezeigt werde. Der Tatort lasse sich zudem bereits anhand des Fotos des Gebäudes einfach herausfinden. Trotz des schwarzen Balkens über seinem Gesicht sei der Mann identifizierbar. Anhand der publizierten Informationen sei es für Kunden, Angestellte und Lieferanten der Pizzeria klar, um wen es sich beim mutmasslichen Täter handle. Von dieser identifizierenden Berichterstattung sei auch die Partnerin des Mannes und somit das Opfer des Tötungsdelikts betroffen.

Auch «20min.ch» hat gemäss Fairmedia den Schutz der Privatsphäre verletzt. Dies, weil ein Foto publiziert wurde, das die Terrasse der Tatwohnung zeigt. Aufgrund des Blickwinkels sei das Bild vermutlich von einem Nachbargebäude aus aufgenommen worden, argumentiert die Beschwerdeführerin. Die Terrasse sei von der Strasse aus nicht einsehbar und gehöre zum Privatbereich des Paares. Das Foto stellt für Fairmedia daher einen Eingriff in die Privatsphäre dar.

Die Beschwerdeführerin kritisiert des Weiteren, dass aufgrund der Berichte von «20min.ch» Opfer und Täter für Dritte identifizierbar seien. Auch «20min.ch» nenne das Alter und die Herkunft der Betroffenen sowie das Alter des Kindes. Ebenfalls aufgeführt seien der Arbeitgeber und die Stellenbezeichnung des mutmasslichen Täters. Fotos zeigen das Gebäude, in der sich die Tatwohnung und die Pizzeria befinden, wodurch die Adresse bekannt gemacht werde. Wie bei «Blick.ch» seien von der Identifizierung sowohl der mutmassliche Täter als auch das Opfer betroffen. Die Folgen für deren Angehörige seien gravierend. Zudem könne die Berichterstattung beim mutmasslichen Täter zu einer Vorverurteilung in einem gerichtlichen Verfahren führen.

C. Die Beschwerdeantwort des anwaltlich vertretenen «Blick.ch» folgte am 26. April 2021. Die Beschwerde sei abzuweisen; sie sei unbegründet. Ein Tötungsdelikt errege grosses Interesse, weshalb Medien weiter dazu recherchieren würden. Es sei medienethisch weder unzulässig, Nachbarn oder Verwandte zu befragen noch die Hintergründe der Tat auszuleuchten. Gegen den Schutz der Privatsphäre habe «Blick» nicht verstossen. Nur die Wohnung gehöre zum Privatbereich, jedoch nicht die verglaste Eingangstüre, durch die Schuhe im Hausflur zu sehen seien. Wem diese gehören, sei weder gesagt noch klar ersichtlich. Es könnte sich dabei sowohl um Damen- oder um Herrenschuhe handeln. «Blick.ch» habe das Bild dennoch «ohne Anerkennung einer diesbezüglichen Pflicht» entfernt.

Eine identifizierende Berichterstattung hat gemäss «Blick» nicht stattgefunden. Die Staatsangehörigkeit, den Deliktsort, den Wohnort des Opfers und das Alter des mutmasslichen Täters sowie des Opfers habe die Kantonspolizei veröffentlicht. Eine Identifikation durch Aussenstehende sei jedoch nicht möglich. Nur wer die Pizzeria besucht und somit über Vorkenntnisse verfügt habe, könne auf den mutmasslichen Täter schliessen. Kunden, Lieferanten oder Angestellte der Pizzeria würden denn auch zum sozialen oder beruflichen Umfeld gehören. Die Nennung der beruflichen Position als Filialleiter und die Adresse der Pizzeria würden für eine Identifizierung durch Dritte nicht ausreichen. Die Hausnummer, die auf dem Video von «Blick.ch» sichtbar sei, mache die Betroffenen auch nicht erkennbar. Ihre Namen seien genügend anonymisiert und ihre Gesichter auf den Fotos ausreichend abgedeckt. Unbelegt sei der Vorwurf, dass über die Angaben zum Täter auch das Opfer identifizierbar sei.

D. Die Beschwerdeantwort des ebenfalls anwaltlich vertretenen «20min.ch» erfolgte am 19. Mai 2021. Die Beschwerde sei abzuweisen. Die Berichterstattung über das Tötungsdelikt in Buchs stehe im Kontext der Femizide in der Schweiz. Die Tragweite dieser Delikte erfordere es, die sozio-ökonomischen Lebensrealitäten der Betroffenen und die Umstände des Falls aufzuzeigen. Gemäss der Redaktion trage dies dazu bei, die strukturellen Ursachen der Femizide zu erfassen.

Aufgrund des Kontextes sei es aus Sicht der Redaktion in bestimmten Fällen zulässig, ein Foto des Wohnhauses des Verdächtigten zu publizieren. Die Rechte des Opfers seien damit nicht verletzt worden, insbesondere nicht, da dieses nie an dieser Adresse gemeldet und das gemeinsame Kind bereits fremdplatziert worden sei. Auch das Foto, das die Terrasse zeige, verletze die Privatsphäre nicht. Es seien primär Gartenmöbel und Müllsäcke zu sehen, wie sie auf einem beliebigen Sitzplatz stehen könnten. «20 Minuten» sei in Kontakt mit den Angehörigen des Opfers und jenen des mutmasslichen Täters gestanden. Die Eltern des Verdächtigten hätten der Veröffentlichung ihres Zitats zugestimmt.

Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA habe die Polizeimeldung aufgegriffen, wodurch eine breitere Öffentlichkeit das Alter und die Nationalität des Opfers und des mutmasslichen Täters erfahren habe. Ebenfalls in der Meldung genannt seien die Gemeinde und die Strasse, an der das Tötungsdelikt stattfand. «20 Minuten» habe in seinen Berichten die Adresse nicht preisgegeben und das Foto des Verdächtigten verpixelt, sodass keine Identifizierung möglich sei. Eine Identifikation durch Dritte sei aufgrund der Berichte nicht gegeben.

E. Das Präsidium des Presserates vereinigte die beiden Beschwerden aufgrund fast identischer Beanstandungen und wies sie der 3. Kammer zu. Ihr gehören Max Trossmann (Kammerpräsident), Annika Bangerter, Monika Dommann, Michael Furger, Jan Grüebler, Simone Rau und Hilary von Arx an.

F. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerden an ihrer Sitzung vom 7. Juni 2021 und auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

Ziffer 7 der «Erklärung» verpflichtet Journalistinnen und Journalisten, die Privatsphäre der einzelnen Personen zu respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt.

a) Richtlinie 7.1 hält fest, dass ohne die Einwilligung der Betroffenen in deren Privatbereich keine Ton-, Bild- oder Videoaufnahmen gemacht werden dürfen. Auch eine Belästigung im Privatbereich ist unzulässig. «Blick.ch» hat durch eine verglaste Haustür fotografiert und ein Bild veröffentlicht, worauf ein Flur zu sehen ist. Im Glas spiegeln sich parkierte Autos, die darauf schliessen lassen, dass der Eingangsbereich von der Strasse einsehbar ist. Für Dritte dürfte dieser allerdings nicht zugänglich sein, denn auf dem Flur liegen private Gegenstände wie Schuhe. Der Flur gehört somit zum Privatbereich der Betroffenen. Die Bildunterschrift «Im Eingangsbereich liegen immer noch Schuhe» suggeriert klar, dass es sich um deren Besitz handelt. Dies umso mehr, da die Bildergalerie ein Foto enthält, auf dem der mutmassliche Täter solche weissen Schuhe trägt. Der Presserat begrüsst zwar, dass «Blick.ch» das Foto inzwischen entfernt hat. Mit der Veröffentlichung hat «Blick.ch» aber den Schutz der Privatsphäre verletzt und damit Ziffer 7 der «Erklärung».

«20min.ch» zeigt die Terrasse des Deliktortes. Diese ist öffentlich nicht einsehbar. Sie liegt im ersten Stock des Gebäudes, was ein anderes Foto verdeutlicht. Die Redaktion argumentiert, dass es in bestimmten Kontexten zulässig sei, das Wohnhaus von Verdächtigten zu zeigen. Ein Delikt wie ein Femizid erfordere es, die sozio-ökonomischen Lebensrealitäten der Betroffenen zu ergründen. Diese Argumentation erachtet der Presserat als reine Schutzbehauptung. In der Berichterstattung wird weder der Begriff Femizid erwähnt noch das Phänomen erklärt oder vertieft. Inwiefern das Bild einer Terrasse hierbei einordnend wirken soll, erschliesst sich dem Presserat nicht. Die Terrasse enthält private Gegenstände und ist öffentlich nicht einsehbar. Mit dem Foto verletzt «20min.ch» daher die Richtlinie 7.1 (Schutz der Privatsphäre).

b) Gemäss Richtlinie 7.2 muss für eine identifizierende Berichterstattung die betroffene Person einwilligen oder in der Öffentlichkeit allgemein bekannt sein. Eine Namensnennung ist auch legitim, um eine für Dritte nachteilige Verwechslung zu verhindern. Auch bei einem überwiegenden öffentlichen Interesse ist die Identifizierung zulässig. Nichts davon trifft allerdings auf den mutmasslichen Täter und das Opfer des Gewaltdelikts in Buchs zu.

Sowohl der «Blick» als auch «20 Minuten» haben Aussenaufnahmen des Deliktorts veröffentlicht. Die Bilder zeigen das Gebäude, in dem sich im Erdgeschoss die Pizzeria und – gemäss der Berichterstattung – im ersten Stock die Wohnung des Paares befindet. Beide Medien machen publik, dass der mutmassliche Täter in der Pizzeria angestellt war. Aufgrund der Bildinformationen lässt sich diese rasch finden, wodurch für Dritte der Wohn- und Arbeitsort des Mannes erschliessbar ist. Auch wenn sein echter Name nicht aufgeführt ist, reichen diese Angaben für eine identifizierende Berichterstattung. Beide Redaktionen argumentieren, dass der Deliktort durch die Polizeimeldung veröffentlicht wurde. Diese Argumentation ist falsch. Zwar nennt die Polizeimeldung Herkunft und Alter von Täter und Opfer sowie die Gemeinde und die Strasse, an der das Tötungsdelikt stattgefunden hat. Allerdings ist weder die Strassennummer aufgeführt noch der Arbeitsort des Mannes erwähnt. «Blick.ch» und «20min.ch» haben daher gegen die Richtlinie 7.2 (Identifizierung) verstossen und damit die Ziffer 7 der «Erklärung» verletzt.

Auch wenn in diesem Fall die Polizeimeldung keine identifizierenden Angaben enthält, nimmt ihn der Presserat zum Anlass, um daran zu erinnern, dass Journalistinnen und Journalisten in der Verantwortung stehen, wenn sie identifizierend berichten. In der Stellungnahme 30/2009 hat der Presserat im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Bild und Namen eines Tatverdächtigen im Rahmen eines polizeilichen Zeugenaufrufs festgehalten: «Redaktionen sollten nicht reflexartig publizieren, wenn Behörden den Namen und das Bild eines Tatverdächtigen freigeben, sondern vor einer Publikation eigenständige berufsethische Überlegungen anstellen.»

III. Feststellungen

1. Der Presserat heisst die Beschwerden gut.

2. «Blick.ch» hat mit dem Artikel «X. soll Y. (†22) in Buchs SG getötet haben. ‹Mit seiner Freundin war er sehr aggressiv›» die Ziffer 7 (Schutz der Privatsphäre und identifizierende Berichterstattung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

3. «20min.ch» hat mit den Artikeln «22-jährige Tote war Mutter» und «Für die Familie gab sie ihren Job auf» die Ziffer 7 (Schutz der Privatsphäre und identifizierende Berichterstattung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.