Nr. 19/2010
Respektierung der Privatsphäre

(X c. «Das Magazin»)

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I. Sachverhalt

A. In der Ausgabe 5/2010 vom 6. Februar 2010 veröffentlichte das «Magazin» unter dem Titel («Alles über meine Mutter. Was bleibt, wenn man in der Babyklappe abgegeben wurde») vier als Faksimile abgedruckte Abschiedsbriefe von Müttern, die ihr Kind in den letzten 10 Jahren bei der Babyklappe in Lübeck abgegeben haben.

B. Am 14. Februar 2010 beschwerte sich X. beim Presserat über die Veröffentlichung der vier. Zwar lasse sich daraus wahrscheinlich weder die Identität der Babys noch die der Mutter bzw. des Vaters rekonstruieren. Es handle sich aber um intime Dokumente, welche nur mit dem Einverständnis des Verfassers und der Adressaten abgedruckt werden dürften. Mit dem Abdruck der Briefe ohne diese Einwilligung habe «Das Magazin» deshalb die Privatsphäre sowohl von Babys wie auch Eltern verletzt (Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» und insbesondere Richtlinie 7.4 – Kinder). Darüber hinaus werde die Menschenwürde eines Kindes (Ziffer 8 der «Erklärung»), welches von seinen Eltern nicht aufgezogen werden kann oder dessen Eltern sich dieser Pflicht entziehen, massiv beeinträchtigt – auch wenn dies anonym geschieht. Im konkreten Fall bestehe kein öffentliches Interesse an den in den Briefen enthaltenen Informationen. Eine sachliche Berichterstattung über das Phänomen «Babyklappe» hätte dieselben Informationen enthalten können, ohne die Briefe abzudrucken.

C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina, hat die vorliegende Stellungnahme per 30. April 2010 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 10 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf offensichtlich unbegründete Beschwerden ein.

2. a)Gemäss Ziffer 7 der «Erklärung» respektieren Journalistinnen und Journalisten «die Privatsphäre der einzelnen Person, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt». Die Richtlinie 7.4 betont dazu, dass Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen. «Dies gilt auch für Kinder von Prominenten oder weiteren Personen, die Gegenstand des Medieninteresses sind.» Schliesslich hält die Ziffer 8 der «Erklärung» die Medienschaffenden dazu an, bei der Berichterstattung die Menschenwürde zu respektieren.

b) Aufgrund des Berichts des «Magazin» und der als Faksimilie abgedruckten Abschiedsbriefe sind weder die betroffenen Mütter noch die Kinder auch nur annähernd erkennbar. Eine Verletzung der Privatsphäre scheidet damit von vornherein aus. Ebenso wenig verletzt die Veröffentlichung der Briefe in dieser anonymen Form die Menschenwürde der Betroffenen, werden sie doch durch den beanstandeten Medienbericht weder verunglimpft noch in unnötiger, sachlich unbegründeter Weise in ihrem Menschsein herabgesetzt (Richtlinie 8.1 zur «Erklärung»).

3. Der Beschwerdeführer beanstandet in erster Linie eine Verletzung des Briefgeheimnisses und macht geltend, der Abdruck der Briefe wäre nur mit dem Einverständnis von Müttern und Kindern zulässig gewesen. Zudem wäre der gleiche Bericht auch möglich gewesen, wenn das «Magazin» die Briefe nicht gedruckt hätte.

Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass es in diesem Fall unmöglich war, die Einwilligung der Betroffenen einzuholen. Zudem besteht insofern ein öffentliches Interesse am Abdruck der Briefe, als die Institution «Babyklappe» in der Gesellschaft umstritten und damit Gegenstand von öffentlichen Diskussionen ist. In diesem Zusammenhang ist es von öffentlichem Interesse, sich den Gefühlen, welche die Mütter, die ein Kind bei einer Babyklappe abgeben, wenigstens anzunähern. Nach Auffassung des Presserates vermag dabei der Abdruck der vier Briefe als Faksimile einen authentischeren Eindruck über die Beweggründe und Gefühle der Mütter zu vermitteln, als eine blosse Beschreibung der Briefinhalte. Zudem ist, wie bereits unter Ziffer 2 der Erwägungen ausgeführt, in keiner Weise ersichtlich, dass das Ansehen von Müttern und Kindern durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird.

III. Feststellungen

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.