I. Sachverhalt
A. Im September 2006 fand in der Schweiz eine eidgenössische Abstimmung zur Revision des Asylrechts statt. In diesem Zusammenhang veröffentlichte auch die Wochenzeitung «Weltwoche» in verschiedenen Ausgaben vor und nach dem Urnengang Berichte und Kommentare, welche unter anderem die Rolle kritisierten, welche Flüchtlingshilfswerke sowie ihr Dachverband Schweizerische Flüchtlingshilfe im Asylwesen und in der politischen Debatte einnehmen. So unter anderem:
– Am 13. Juli 2006 eine Medienkolumne mit dem Titel «Mongolei, Mogelei». Kurt W. Zimmermann kommentiert darin die mediale Instrumentalisierung eines angeblichen Ayslrecht-Härtefalls, bei dem sich nachträglich herausstellte, dass Politiker, Medien und Hilfswerke der Lügengeschichte einer jungen Mongolin zum Opfer gefallen waren.
– Im Bericht «Ihnen ist nichts fremd» vom 20. Juli 2006 beargwöhnt Urs Paul Engeler die Motive derjenigen Stimmbürger und Meinungsmacher, welche die beiden Asylrechtsvorlagen vom September 2006 ablehnten. Die «drei unsittlichen Wurzeln des Neins» werden in der Textüberschrift zusammengefasst: «Angestaubter Schweizerhass, kaschierter Eigennutz und Rachgier».
– Im Artikel «Furcht und Elend im Unterricht» in der «Weltwoche» vom 2. November 2006 äussert sich Philipp Gut kritisch über ein Erziehungsprojekt der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, bei welchem Schulkindern in einem vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge konzipierten «Simulationsspiel» mit dem Titel «Stationen einer Flucht», «hautnah» vermittelt werden solle, «was Flucht bedeutet».
B. Am 7. und 15. Februar 2007 gelangte die Schweizerische Flüchtlingshilfe mit drei Beschwerden gegen die obengenannten Medienberichte an den Presserat und führte darin die Verletzung folgender Bestimmungen der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» an: Wahrheitssuche (Ziffer 1), Entstellung von Tatsachen, Quellennennung (Ziffer 3), Berichtigungspflicht (Ziffer 5) sowie anonyme und sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen (Ziffer 7).
C. Am 30. April 2007 wies die «Weltwoche» die drei Beschwerden als unbegründet zurück.
D. Das Präsidium des Presserates vereinigte die drei Beschwerden und übertrug sie zur Behandlung an die erste Kammer. Diese setzt sich zusammen aus Dr. Peter Studer (Kammerpräsident), Luisa Ghiringhelli Mazza, Pia Horlacher, Dr. Philip Kübler, Katharina Lüthi, Edy Salmina und Francesca Snider (Mitglieder).
E. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 13. Juli 2007 sowie auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Gemäss der Präambel zur «Erklärung» sichern die Medienschaffenden den gesellschaftlichen Diskurs. Daraus leitet Ziffer 2 der «Erklärung» ab, dass Medienschaffende die Freiheit der Information, die Freiheit des Kommentars und der Kritik sowie die Unabhängigkeit ihres Berufs verteidigen sollen. Dementsprechend gehört es auch zu den Aufgaben der Journalistinnen und Journalisten, die schweizerische Asylpolitik und die in diesem Bereich handelnden Akteure kritisch zu beobachten und gegebenenfalls zu kritisieren. Im Umfeld von Volksabstimmungen ist diese Aufgabe besonders aktuell, verlangt von den Journalisten aber eine entsprechende Sorgfalt. Bei aller Freiheit des Kommentars und der Kritik ist zu beachten, dass dem Publikum die dem Kommentar zugrundeliegenden Fakten offengelegt werden müssen, damit eine Gewichtung und Einordnung möglich ist. Das Publikum muss zwischen Fakten und Wertungen unterscheiden können. Zudem ist es auch bei stark kommentierenden Beiträgen unabdingbar, dass die Betroffenen zu schweren Vorwürfen angehört werden und in der Publikation zu Wort kommen. Der Presserat hat diese Grundsätze bereits anlässlich seiner Stellungnahme Nr. 39/2003 in Erinnerung gerufen, welche ebenfalls die Schweizerische Flüchtlingshilfe und die «Weltwoche» betraf.
2. a) An erster Stelle ist der Vorwurf falscher Tatsachendarstellungen zu prüfen (Wahrheitssuche und Entstellung von Tatsachen gemäss den Ziffern 1 und 3 der «Erklärung»). Von ihm hängt auch die Frage der Berichtigungspflicht ab. Dabei ist zu beachten, dass sich der Presserat mit grundlegenden berufsethischen Fragen befasst und sich dazu äussert, ob im Einzelfall die berufsethischen Regeln verletzt wurden. Der Presserat stellt aber im Rahmen seiner Meinungsfindung weder eigene Recherchen an, noch führt er ein Beweisverfahren durch.
b) Im ersten Fall – «Mongolei, Mogelei» – bestreitet die Flüchtlingshilfe die Behauptung der «Weltwoche», sie habe die mediale Begleitung des vermeintlichen Ausschaffungsskandals «koordiniert». Richtig sei dagegen, dass sie lediglich die Rechtsvertretung im Asylverfahren des vermeintlichen Flüchtlings übernommen hatte. Diese Rechtsvertretung sei umgehend niedergelegt worden, sobald die Beschwerdeführerin vom Betrug des vermeintlichen Waisenkindes erfahren hatte. Immerhin bestreitet die Beschwerdeführerin aber die Passage der Kolumne von Kurt W. Zimmermann nicht ausdrücklich, wonach Jürg Schertenleib von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe Ende Mai 2006 einem Journalisten des «Sonntagsblick» telefoniert und diesem eine «heisse Story» zugesteckt habe. «Die Story des Mädchens Solongo und der herzlosen Behörden.» Ebenso steht fest, dass Jürg Schertenleib als Vertreter der Schweizerischen Flüchtlingshilfe an einer Diskussion der Sendung «Club» des Schweizer Fernsehens vom 20. Juni 2006 teilgenommen hat. Auf dieser Faktengrundlage, welche der «Weltwoche»-Autor transparent machte, durfte er nach Ansicht des Presserates zuspitzen, die Flüchtlingshilfe habe die mediale Inszenierung des vermeintlichen Skandals koordiniert.
Wesentlich heikler erscheint der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die «Weltwoche» habe ihr unterstellt, die mediale Inszenierung des Falles Solongo Chimbat im Wissen um Falschangaben der jungen Frau im Asylverfahren betrieben zu haben. Die folgende Aussage des Kolumnisten hält die Beschwerdeführerin für tatsachenwidrig. Sie enthalte zudem «grobe Vorwürfe und rufschädigende Unterstellungen»: «Die Schweizerische Flüchtlingshilfe etwa wusste genau, dass ihre Solongo nicht koscher war. Sie wusste, dass ihr vermeintliches Waisenkind Gelder an Bekannte in der Mongolei überwies. Sie wusste, dass die scheinbare Schwester, mit der Solongo eingereist war, längst untergetaucht und wohl keine Schwester war. Sie wusste, dass Solongo in der Schweiz Ladendiebstähle beging.» Von den Überweisungen habe die Schweizerische Flüchtlingshilfe erst nach Einreichung eines Wiedererwägungsgesuchs beim Bundesamt für Migration Kenntnis gehabt und habe sie auch nicht verschwiegen. Dass Solongo Chimbat volljährig war und ihre Mutter in der Mongolei lebt, habe sie hingegen erst nach der Intervention bei der Asylrekurskommission und der fremdenpolizeilichen Befragung vom 5. Juli 2006 erfahren, worauf sie die Rechtsvertretung der jungen Frau sofort niedergelegt habe.
Die «Weltwoche» macht dazu geltend, sie habe gar nichts anderes behauptet, als dass die Schweizerische Flüchtlingshilfe erst nach Einreichung des Wiedererwägungsgesuchs an das Bundesamt für Migration erfahren habe, dass Solongo Chimbat Geld an Bekannte in die Mongolei überwies. Dieses Wiedererwägungsgesuch sei jedoch vor der medialen Auseinandersetzung über den vermeintlichen «Asylskandal» eingereicht worden. Entsprechend habe die Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt der öffentlichen Debatte von diesem Umstand gewusst, ohne ihn je – z.B. mittels eines Pressecommuniqués – klar zu kommunizieren. Hingegen habe die «Weltwoche» im Artikel vom 13. Juli 2007 aber weder behauptet noch suggeriert, die Schweizerische Flüchtlingshilfe hätte bereits vor der fremdenpolizeilichen Befragung vom 5. Juli 2006 gewusst, dass Solongo Chimbat volljährig ist und ihre Mutter in der Mongolei lebt. Vielmehr weise Kurt W. Zimmermann ausd
rücklich darauf hin, dass die betreffenden Informationen der Beschwerdeführerin «erst vergangene Woche» zur Kenntnis gelangt seien.
Wie ist die beanstandete Passage aus Sicht einer unvoreingenommenen Leserschaft zu verstehen? Jedenfalls geht aus ihr nicht hervor, die Beschwerdeführerin habe von Anfang an gewusst, dass Solongo Chimbat volljährig war und ihre Mutter in der Mongolei lebt. Die als Wertung des Kolumnisten erkennbare Kritik, die Schweizerische Flüchtlingshilfe habe genau gewusst, dass «Solongo nicht koscher» war, stützt sich auf drei Faktenbehauptungen: die Geldüberweisungen in die Mongolei, die untergetauchte «Schwester» sowie die in der Schweiz begangenen Ladendiebstähle. Zwischen den Parteien ist dabei umstritten, wann genau die Beschwerdeführerin von den Geldüberweisungen Kenntnis erhielt. Insbesondere macht die Schweizerische Flüchtlingshilfe keine Angaben darüber, wann genau sie das Wiedererwägungsgesuch gegen den Wegweisungsentscheid an das Bundesamt für Migration gestellt hat. In der bereits erwähnten Sendung «Club» des Schweizer Fernsehens vom 20. Juni 2006 war jedenfalls mehrfach davon die Rede, dass die Schweizerische Flüchtlingshilfe damals bereits Einsicht in das Aktendossier hatte.
Ausgehend von diesen Fakten lag die harsche und einseitige Kritik der «Weltwoche» an der Rolle der Flüchtlingshilfe innerhalb des weit auszulegenden Rahmens der Freiheit des Kommentars und der Kritik. Zwar ist nicht zu übersehen, dass der Magazintext ausschliesslich diejenigen Sachverhaltselemente hervorhebt, welche Zweifel an der Redlichkeit der Beschwerdeführerin nähren. Er stellt sie so zusammen, dass sie auf die Flüchtlingshilfe ein schlechtes Licht werfen. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Schweizerische Flüchtlingshilfe angehört worden wäre (was diese allerdings in der Beschwerde nicht ausdrücklich rügt). Der kraftvolle und erbarmungslos ironisierende Stil des Textes macht jedoch klar, dass in erster Linie kommentiert statt analysiert und differenziert wird. Form und Härte dieser Kommentierung erscheinen zudem gerade auch dann zulässig, wenn man sich vor Augen hält, dass sich zahlreiche Mitwirkende und Beobachter von einer Migrantin hatten in die Irre führen lassen, während sie öffentlich verlauten liessen, es handle sich um einen besonders stossenden Fall einer ungerechten Ausschaffung.
c) Beim zweiten Artikel – «Ihnen ist nichts fremd» – ist die korrekte Darstellung der Finanzierung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe umstritten. Der Autor des Artikels schreibt, die Beschwerdeführerin lebe «fast vom Bund allein», denn laut Jahresbericht stammten über 69% der Einnahmen aus der Bundeskasse. Dies bezeichnet die Beschwerdeführerin als unzutreffend. Beim grössten Teil der Bundesgelder handle es sich um Transferzahlungen, welche wegen den für die Schweizerische Flüchtlingshilfe geltenden Rechnungslegungsstandards buchhalterisch zwar nach dem Bruttoprinzip auszuweisen seien, jedoch grösstenteils an externe Träger für Integrationsprojekte und an die Hilfswerke in Form von Befragungspauschalen für die Tätigkeit der Hilfswerkvertreter im Asylverfahren weitergeleitet würden. Ziehe man diese Transferzahlungen ab, so sei die Schweizerische Flüchtlingshilfe im Jahr 2005 zu 51% aus Spenden, zu 17% aus anderen Einnahmen (wie Abzeichenverkauf, Projektbeiträge, Finanz- und Liegenschaftserträge) und nur zu 31,7% aus Bundesbeiträgen finanziert gewesen.
Der Jahresbericht 2005 und die darin enthaltenen Jahresrechnungen 2004 und 2005, welche dem Presserat zur Verfügung stehen und öffentlich zugänglich sind, stellen die Verhältnisse zusammengefasst so dar, wie sie die «Weltwoche» publiziert hat. Wäre die «Weltwoche» verpflichtet gewesen, den Anteil der Transferzahlungen am Gesamtumsatz ziffernmässig zu nennen? Dies ist aufgrund der Sachlage zu verneinen. Es ist journalistisch zulässig, den Gesamteinkünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe diejenigen Zahlungen gegenüberzustellen, welche vom Bund stammen und für die Hilfstätigkeit im Asylwesen bestimmt sind. Das gilt ungeachtet der vertraglichen Natur dieser Zahlungen, ihrer Zweckbindung und weiterer Auflagen. Eine Differenzierung der Aussage des Artikels im von der Beschwerdeführerin gewünschten Sinn wäre zwar durchaus sinnvoll und interessant, für das Verständnis der Leserschaft aber nicht unabdingbar gewesen. Soweit ersichtlich beschränkt sich die Tätigkeit der Schweizerische Flüchtlingshilfe im Übrigen auch im Bereich der Transferzahlungen nicht auf diejenige einer blossen Zahlstelle. Vielmehr koordiniert und unterstützt sie beispielsweise die grösstenteils von SFH-Hilfswerken durchgeführten Integrationsprojekte. Insgesamt hat Urs Paul Engeler seine kommentierende Zuspitzung, die Beschwerdeführerin lebe «fast vom Bund allein», in vertretbarer und ausreichend transparenter Weise auf deren Ertragslage abgestützt.
d) Beim dritten Zeitungsartikel – «Furcht und Elend im Unterricht» – sind mehrere Sachdarstellungen und Wortkombinationen zum Unterrichts-Simulationsspiel «Stationen einer Flucht» umstritten: Haben sich die Schulkinder selber die Augen verbunden, oder taten dies die Soldaten? Sprachen die Soldaten deutsch oder eine fremde Sprache und benutzten sie Megafone? Gab es physischen Kontakt zwischen Soldaten und Kindern? Der Artikel überzieht das Unterrichtsprojekt mit Ausdrücken, von welchen sich die Flüchtlingshilfe verständlicherweise distanziert («Kriegsspiel», «militante Erzieher», «Schockpädagogik», «schwarze Pädagogik»). Dabei übersieht sie jedoch, dass diese Bezeichnungen, auch wenn sie ihren Widerspruch wecken, von der Kommentarfreiheit gedeckt sind. Überhaupt fällt auf, dass auf der einen Seite die «Weltwoche» verächtlich über die fragliche Unterrichtsform berichtet und urteilt, und dass auf der anderen Seite die Schweizerische Flüchtlingshilfe empfindlich auf Präzision beharrt. Die inhaltlichen Abweichungen in der Sachdarstellung der Parteien – bei denen grösstenteils Aussage gegen Aussage steht – erscheinen dem Presserat jedoch als geringfügig und für die Wirkung des Textes nicht wesentlich. So macht es aus Sicht der Leserschaft beispielsweise keinen grossen Unterschied aus, ob die Kinder ihre Augen selber verbinden, oder ob ihnen die Augen verbunden werden. In Bezug auf die Verwendung von Waffenattrapen und Handschellen weist der Artikel ausdrücklich darauf hin, dass die Beschwerdeführerin in jüngerer Zeit auf «den Einsatz von Soft Guns und Handschellen verzichtet». Die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verlangt weder Objektivität noch Ausgewogenheit. Die gehäufte Verwendung negativ wertender Begriffe verstösst deshalb nicht gegen berufsethische Normen, zumal der Publikation ihre Einseitigkeit anzusehen ist.
3. Ist eine Verletzung der Wahrheitspflicht oder die Entstellung wesentlicher Fakten zu verneinen, war die «Weltwoche» bei den beanstandeten drei Berichten auch nicht verpflichtet, eine Berichtigung (Ziffer 5 der «Erklärung») zu veröffentlichen.
4. a) Im Fall des Artikels «Furcht und Elend im Unterricht» macht die Beschwerdeführerin ausserdem geltend, der Autor bezeichne seine Informationsquellen ungenügend und überprüfe sie zudem nicht (Ziffer 3 der «Erklärung»). Gemäss der Richtlinie 3.1 zur «Erklärung» bildet die Überprüfung der Quelle einer Information und ihrer Glaubwürdigkeit den Ausgangspunkt der journalistischen Sorgfaltspflichten. «Eine genaue Bezeichnung der Quelle liegt im Interesse des Publikums. Sie ist vorbehältlich eines überwiegenden Interesses an der Geheimhaltung einer Quelle unerlässlich, wenn dies zum Verständnis einer Information unabdingbar ist.»
b) Die Beschwerdeführerin beanstandet, Philipp Gut bezeichne die Quelle seiner Informationen nicht. «Der Autor gibt im ganzen Artikel lediglich seine persönliche Stellungnahme und Meinungsäusserung ab, die hauptsächlich darauf abzielt, die Bildungsarbeit der SFH zu diskreditieren.» Er sei nie an einem Projekttag zugegen gewesen und habe auch an d
er Pressekonferenz gefehlt, zu der er explizit eingeladen worden war. Er habe sich hauptsächlich auf nicht als solche gekennzeichnete Archivdokumente abgestützt, nämlich u.a. auf weit zurückliegende Artikel in der Gratiszeitung «20 Minuten» und im «Landboten». Beim Leser entstehe der Eindruck, der Artikel beruhe auf einer seriös recherchierten Berichterstattung.
c) Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin enthält der Artikel «Furcht und Elend im Unterricht» die wichtigsten Quellenangaben. Nach einer allgemeinen Beschreibung des Simulationsspiels «Stationen einer Flucht» in der Diktion der «Weltwoche» weist der Autor darauf hin, dass die aktuelle Durchführung des Projekttags «Flucht und Elend im Unterricht» in der Zürcher Gemeinde Elgg, den Anlass des Artikels bildete. Danach folgt unter Berufung auf einen «Leserbrief in der Elgger Zeitung» sowie dem Hinweis auf einen Bericht in «20 Minuten» die Schilderung der angeblichen Traumatisierung eines Schulkinds der Oberstufe im zürcherischen Rikon im Dezember 2004. Neben der Sichtweise der damals betroffenen Schülerin, von Schulkameraden und des Lehrers wird insbesondere auch der Einwand der Flüchtlingshilfe erwähnt, wonach das Trauma dieses Mädchens nicht bestätigt sei. Unter Berufung auf ein aktuelles Flugblatt berichtet die «Weltwoche» weiter, «gleiches wie in Rikon wollten die Eltern in Elgg nicht erleben». Als «Gegenreaktion» auf das Flugblatt erwähnt die «Weltwoche» ein Communiqué von «Sekundarschulpflege, Lehrpersonen und Kirchgemeinden». Ebenso zitiert sie Beat Meiner, Generalsekretär der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, der «betont, das Projektangebot sei professionell und keineswegs fahrlässig». Insgesamt sind die Quellenangaben und der Einbau der Zitate zwar der Dramaturgie des Artikels angepasst, bei dem die Kritik am Situationsspiel im Zentrum steht. Nach Auffassung des Presserates fehlen jedoch keine Quellenangaben, die für das Verständnis der Leserschaft unabdingbar wären. Aus der Pflicht zur Quellenüberprüfung kann zudem keine Pflicht abgeleitet werden, Medienkonferenzen zu besuchen.
5. a) Schliesslich behauptet die Schweizerische Flüchtlingshilfe bei allen drei Artikeln eine Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» (Unterlassung anonymer und sachlich ungerechtfertigter Anschuldigungen).
b) Bei der Medienkolumne («Mongolei, Mogelei») stösst sich die Beschwerdeführerin an der ironischen Bemerkung des Autors, wonach die mediale Inszenierung des Falls Solongo Chimbat «ein Fest für den ‹Sonntagsblick›, für die Flüchtlingshilfe und alle Asylgesetzgegner» war. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe erwidert in ihrer Beschwerde, sie habe sich nicht über den Fall gefreut, sondern es für ihre Pflicht gehalten, zu helfen und bei den zuständigen Behörden zu intervenieren. Denn sie sei davon ausgegangen, dass einer minderjährigen Migrantin ohne Angehörige in ihrem Herkunftsland die Ausschaffung drohte. Die Flüchtlingshilfe verkennt hier allerdings, dass es sich bei der beanstandeten Formulierung um eine als solche erkennbare kommentierende Wertung handelt, welche die grundsätzliche Hilfsbereitschaft der Beschwerdeführerin nicht in Abrede stellt. Die Wertung der «Weltwoche» weist zudem auf einen – nicht unwichtigen – Nebenaspekt hin. Es ist deshalb für den Presserat nicht ersichtlich, inwiefern hier die «Weltwoche» eine ungerechtfertigte Anschuldigung veröffentlicht haben soll.
c) Beim Artikel «Ihnen ist nichts fremd» beanstandet die Beschwerdeführerin folgende Passage als «sachlich ungerechtfertigte Aussage»: «Die Hilfswerke und Sozialbeamten sind durchaus an einem grossen Zustrom an Asylsuchenden und betreuungsintensiven Migranten interessiert wie auch an möglichst vielfältigen Rekursmöglichkeiten. Das sichert ihnen Bundesgeld und Arbeitsplatz. Die breite Front gegen das neue Gesetz handelt durchaus aus Eigeninteresse. Jede Verschärfung gefährdet die Asylindustrie, die in den letzten Jahren aufgebaut wurde.» Derartige Vereinfachungen einer Interessenlage haben im gesellschaftlichen Diskurs Tradition, denkt man nur an das Beispiel der Juristen, von denen gerne gesagt wird, sie würden vom Gesetzesdschungel und von Rechtsverstössen profitieren. Oder man nehme das Beispiel der Ärzte, über die man hören kann, sie würden von Krankheiten und Unfällen leben. Natürlich ist die Schlussfolgerung einseitig, diese Akteure könnten deshalb gar nicht anders als eigennützig handeln, und ihre Motive seien zweifelhaft. Diese Sichtweise ist aber als Vereinfachung genauso zulässig wie die Gegenposition, wonach im Asylwesen alle Mitwirkenden hohe moralische Ziele verfolgten. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigung im Sinne der «Erklärung» ist deshalb auch hier zu verneinen.
d) Beim dritten Artikel («Furcht und Elend im Unterricht») bezieht sich die Schweizerische Flüchtlingshilfe in ihrer Begründung einer Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» auf die oben bereits behandelten Rügen der Verletzung der Wahrheitspflicht und der Entstellung von Tatsachen. Nachdem diese Rügen vom Presserat für unbegründet erachtet werden, besteht hier auch kein Anlass, in Bezug auf die gleichen Sachverhalte ungerechtfertigte Anschuldigungen festzustellen.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerden werden abgewiesen.
2. Die «Weltwoche» hat mit der Veröffentlichung der Medienkolumne «Mongolei, Mogelei» vom 13. Juli, dem Bericht «Ihnen ist nichts fremd» vom 20. Juli sowie dem Artikel «Furcht und Elend im Unterricht» vom 2. November 2006 die Ziffern die Ziffern 1 (Wahrheitssuche), 3 (Entstellung von Tatsachen, Quellennennung), 5 (Berichtigungspflicht) und 7 (anonyme und sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen) nicht verletzt.