Nr. 34/2017
Wahrheitspflicht / Unterschlagen wichtiger Informationen / Diskriminierung

(X. c. Radio SRF und «NZZ am Sonntag») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 17. Oktober 2017

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I. Sachverhalt

A. Am 9. November 2016 berichtete Radio SRF in seiner Informationssendung Info-3 über die Wahl Donald Trumps zum neuen amerikanischen Präsidenten. In dieser Sendung fragt die Moderatorin u.a. Fredy Gsteiger, den diplomatischen Korrespondenten, was diese Wahl für Europa, die Nato und den Nahen Osten bedeute. Vor allem für die Nato sei dies ein Problem, sagt Gsteiger, denn die USA trügen die Hauptlast des Bündnisses, finanziell und militärisch. Europa werde mehr internationale Verantwortung übernehmen müssen, wobei sich frage, ob Europa dazu imstande sei. Die Nato werde sich weniger auf die USA stützen können.

Die «NZZ am Sonntag» veröffentlichte am 13. November 2016 ein Interview mit dem amerikanischen Militärexperten Robert D. Kaplan über Trump und eine neue Weltordnung mit dem Titel «Die Welt wird gefährlicher». Im Lead heisst es: «Markiert die Wahl von Trump das Ende der globalen US-Vorherrschaft? Militärexperte Robert D. Kaplan erwartet den Beginn einer neuen Ordnung – ohne einen Weltpolizisten.» Im Interview führt Kaplan aus, es wäre unrealistisch, zu glauben, die USA würden auch in zehn Jahren Europa so verteidigen, wie es Amerika heute tue oder vor zehn Jahren getan habe. Die Welt werde gefährlicher, chaotischer, weil die Amerikaner immer weniger Macht einsetzten, um sie zu stabilisieren. Wenn sich die Amerikaner langsam aus der Nato zurückzögen, bestehe die russische Bedrohung weiter. Die europäischen Länder würden aufrüsten, die Militärbudgets erhöhen. Trump habe den Europäern zu Unrecht vorgeworfen, sie würden nicht genug in die Nato-Streitkräfte investieren.

B. Am 2. Januar 2017 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen die Infosendung Info-3 vom 9. November 2016 ein sowie gegen den Artikel der «NZZ am Sonntag» vom 13. November 2016 «Die Welt wird gefährlicher». Er führt aus, dass es im selben Kontext weitere mögliche zu beanstandende Berichte gäbe, die innerhalb der Frist von sechs Monaten gelistet werden könnten. Diese könne er nachreichen. Seine Beschwerde begründet er wie folgt: Der Grundtenor der staatlichen sowie der privaten Berichterstattung sei eine positive und unkritische Haltung gegenüber der Nato. Im beanstandeten Beitrag von Radio SRF vom 9. November 2016, einen Tag nach der Wahl von Donald Trump, sei eines der Hauptthemen Europa und die Zukunft der Nato in Europa gewesen. Der Bericht stelle die Nato als gut und alternativlos für die Sicherheit in Europa dar. Dass Journalisten den gesellschaftlich notwendigen Diskurs sicherten, treffe hier überhaupt nicht zu. Es gäbe sehr viele Gründe, skeptisch zu sein und kritisch zu berichten, wo doch alle Kriege der letzten Jahre durch einen nicht rechtmässigen Bündnisfall ausgelöst worden seien (9/11) und folglich alle Kriege als Angriffskriege ohne Uno-Resolutionen deklariert werden müssten. Die «NZZ am Sonntag» übertreibe ihrerseits völlig. Zu fragen sei, wie ein solcher Bericht eines Militaristen unkommentiert abgedruckt werden konnte. Unkommentierte, kriegstreiberische Berichte (oder Interviews) hätten nichts mit dem «Recht der Öffentlichkeit» zu tun, «die Wahrheit zu erfahren». In beiden beanstandeten Berichten finde man Angstmacherei und Feindbildgestaltung gegen Russland. Weder die staatlichen, vom Volk bezahlten, noch die privaten Leitmedien sicherten den notwendigen Diskurs bei geopolitischen Themen. Sie strebten nicht nach der Wahrheit und trügen nicht zum Erhalt von Frieden bzw. Abweisung von Krieg bei. Es scheine, als werde die Kriegspropaganda der Nato und des US-Militärs unreflektiert weitergegeben. Ergänzend lege er der Beschwerde drei Studien bei (swisspropaganda.wordpress.com), welche die Thematik nach wissenschaftlichen Regeln aufarbeiteten. Insgesamt sieht der Beschwerdeführer die Präambel zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») sowie Ziffer 1 (Wahrheitspflicht), Ziffer 3 (Unterschlagen wichtiger Elemente von Informationen) und Ziffer 8 (Diskriminierung) verletzt. Vom Schweizer Presserat erwarte er eine Stellungnahme bezüglich der Vorwürfe und eine öffentliche Rüge an die Leitmedien bezüglich parteiischer und unkritischer Haltung gegenüber dem Nato-Kriegsbündnis. Und er erwarte eine explizite Aufforderung zur Feindbildauflösung anstelle der Feindbildgestaltung.

C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presserats-präsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 17. Oktober 2017 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, die offensichtlich unbegründet ist.

2. Soweit der Beschwerdeführer eine Aufforderung des Presserats zur Feindbildauflösung an die beiden Redaktionen erwartet, sei auf Art. 17 des Geschäftsreglements des Presserats hingewiesen. Danach kann der Presserat in seinen Stellungnahmen Feststellungen treffen und Empfehlungen erlassen. Er hat jedoch keine Sanktionsmöglichkeiten und kann Medien insbesondere keine Direktiven erteilen. Auf diese Forderung des Beschwerdeführers ist somit nicht einzutreten.

3. Inhaltlich macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Ziffer 1, 3 und 8 sowie von Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) geltend. In seiner sehr allgemein gehaltenen Beschwerde gibt er jedoch nicht an, an welchen Stellen der Sendung respektive des Interviews und womit diese Bestimmungen verletzt sein sollen. Er kritisiert lediglich eine positive, unkritische Haltung in der Berichterstattung über die Nato. Art. 9 des Geschäftsreglements verlangt aber, dass Beschwerden zu begründen sind. Die Beschwerdebegründung hat demnach den massgeblichen Sachverhalt zu umreissen und auszuführen, inwiefern der beanstandete Medienbericht einzelne Bestimmungen der «Erklärung» verletzt. Das zu eruieren ist für den Presserat, weil die Begründung fehlt, nicht möglich. In der Sendung Info-3 analysiert Fredy Gsteiger die Auswirkungen von Trumps Wahl im internationalen Bereich. Diese Analyse hat durchaus den Gehalt eines Kommentars. Es geht daraus klar hervor, dass es sich um erste Einschätzungen Gsteigers nach der Wahl Trumps handelt. Gsteiger stellt darin denn auch notgedrungen Mutmassungen über Trumps künftige Politik an. Auch beim NZZ-Interview mit Kaplan ist von der ersten bis zur letzten Frage klar, dass es sich um dessen Einschätzung in weltpolitischer Hinsicht handelt. Inwiefern dadurch eine der vom Beschwerdeführer aufgeführten Bestimmungen verletzt sein soll, erschliesst sich dem Presserat nicht. Für den Hörer und die Leserin lässt sich klar erkennen, dass es sich bei beiden Beiträgen um Kommentare bzw. Einschätzungen der Befragten handelt. Man mag dabei persönlich zu einer anderen Einschätzung kommen. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass daraus eine Verletzung der «Erklärung» resultieren würde. Soweit der Beschwerdeführer zudem drei Studien als Beleg anführt, so ist auf diese nicht weiter einzugehen, da die Beschwerde absolut keinen Bezug zu deren Inhalt herstellt. Der Presserat beurteilt Sendungen und Artikel bezüglich ihres Inhalts, und nicht in Bezug auf deren Vereinbarkeit mit Studien, auf die sich die Artikel und Sendungen nicht beziehen.

III. Feststellung

Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.