I. Sachverhalt
A. Die Titelgeschichte «Pensionskasse. Die Profiteure. Die Tricks der Anlagechefs. Was ändern muss» des Nachrichtenmagazins «Facts» 33/06 vom 27. August 2006 befasste sich mit dem umstrittenen Gebaren von Schweizer Pensionskassenmanagern. Der von Markus Schär und Daniel Meier verfasste Beitrag mit dem Titel «Führe mich nicht in Versuchung» erstreckt sich über 7 Seiten. Eine Randspalte blickt zudem unter dem Titel «Immer wieder Skandale» in drei kurzen Texten auf die Fälle A., B. und C. zurück. Darin heisst es zu A.:
«Jahrelang mauschelten X. und Y. bei der A. X. und Y. hatten in ausländische Beteiligungsgesellschaften investiert, bei denen sie selbst in den Verwaltungsräten sassen. Man schanzte sich gegenseitig Kommissionen zu. A. erlitt hohe Verluste, im Juni 2002 traten X. und Y. zurück. Bis heute klafft eine Lücke von 700 Millionen Franken. Im Rahmen der Sanierung müssen die Versicherten drei Prozent höhere Beiträge zahlen bis 2020. Mit Y. einigte man sich aussergerichtlich. X, früher Chef der Z., wurde die Rente gekürzt.»
B. In der darauffolgenden Ausgabe veröffentlichte «Facts» erneut einen von denselben Autoren verfassten Artikel zum Thema Pensionskassen (Titel «Ungelöste Hausaufgaben»). Hauptthema des Berichts sind die Verbindungen der Pensionskasse des Bundes (…) zur Bank Swissfirst. Im Zusammenhang mit dem «Vorleben des Direktors» wurde wiederum der Fall A. erwähnt: «Oder als bei der kanadischen D. die Verantwortlichen der A. im Verwaltungsrat abkassierten, lusche Deals liefen und geheime Kommissionen flossen. X. und Y. mussten gehen.»
C. Am 23. Januar 2007 legte der anwaltlich vertretene X. beim Presserat Beschwerde ein. Er macht die Missachtung folgender Ziffern der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» und der zugehörigen Richtlinien geltend:
– Wahrheitspflicht (Ziffer 1), Überprüfung der Faktenlage (Richtlinie 1.1) – Unterschlagung von Informationen, Entstellung von Tatsachen (Ziffer 3), Quellennennung (Richtlinie 3.1), Anhörungspflicht (Richtlinie 3.8) – Anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen, Verletzung der Privatsphäre (Ziffer 7).
Der Beschwerdeführer beanstandet, der erste Bericht vom 17. August 2006 hinterlasse den falschen Eindruck, «dass X. und Y. nach Belieben schalten und walten sowie Pensionskassen in Anlagen investieren konnten, von welchen sie sich persönlichen Profit versprachen».
Die Autoren hätten völlig ausser Acht gelassen, «dass die Anlagestrategien der A. nachweislich nicht von X. oder Y. eigenmächtig (…) definiert worden sind», sondern nach allgemein anerkannten Grundsätzen einer sorgfältigen Vermögensverwaltung von den dafür zuständigen Organen beschlossen worden seien. «Mauscheleien zum eigenen Vorteil waren und sind bereits aus diesem Grund ausgeschlossen.»
X. habe zwar mehrere Jahre dem Vorstand der A.-Pensionskasse angehört, habe aber nur vom 1. Januar bis zum 17. Juli 2002 als deren Präsident geamtet. Auch stimme es nicht, dass X. in mehreren Verwaltungsräten von Beteiligungsgesellschaften gesessen habe, in welche die Pensionskasse investierte. X. verfügte lediglich über «ein einziges entsprechendes Verwaltungsratsmandat und zwar bei der E., welches ihm auf Verlangen der A. offiziell zugewiesen worden war». Schliesslich sei der gravierende Vorwurf frei erfunden, man habe sich gegenseitig Kommissionen zugeschanzt.
Die zugegebenermassen «hohen Verluste der A.» im Jahr 2001 seien nicht durch illegale Machenschaften und persönliche Bereicherung verursacht worden, sondern vielmehr Folge des Börsencrashs von 2001 und des 11. Septembers 2001 gewesen. Hinweise auf fahrlässige oder gar vorsätzliche schädigende Handlungen der zuständigen Organe gebe es keine. Der abrupte Einbruch zuvor boomender Aktienbörsen sei selbst von spezialisierten Anlageberatern nicht vorhergesehen worden.
Mit dem Abdruck einer Farbfotografie im ersten Bericht von «Facts» habe das Magazin weiter die Privatsphäre des Beschwerdeführers verletzt. Denn X. sei zum Zeitpunkt der Veröffentlichung längst keine sogenannte Person des öffentlichen Lebens mehr gewesen.
Der zweite «Facts»-Artikel vom 24. August 2006 suggeriere zudem fälschlicherweise, man habe X. und Y. ein Fehlverhalten nachweisen können, das zu ihrer Suspendierung führte. Dabei stehe insbesondere der Austritt von X. aus dem Direktorium der Pensionskasse damit in keinerlei Zusammenhang.
D. Am 2. April 2007 beantragte die durch den Tamedia-Rechtsdienst vertretene «Facts»-Redaktion, die Beschwerde sei abzuweisen. «Facts» habe keine illegalen Machenschaften, sondern bloss «lusche Deals, geheime Kommissionen und Abkassieren im Verwaltungsrat», also moralisch verwerfliche und rechtlich im Graubereich einzustufende Handlungen beschrieben. «Facts» habe zudem weder behauptet, dass X. nach Belieben habe schalten und walten können, noch dass er die Anlagestrategien definiert habe. «Vielmehr nahmen die Autoren auf das eigenmächtige und eigennützige und die A. schädigende Verhalten des Beschwerdeführers im Fall des Aktienverkaufs an die E. im Dezember 2000 Bezug, der Gegenstand des Falles war, den das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) am 12. Juni 2006 (…) zu Ungunsten des Beschwerdeführers entschied.»
Das EVG habe unter anderem festgehalten, der Beschwerdeführer habe als zeitweiliger Vizepräsident der A. und von deren Vorsorgestiftung ein Jahrzehnt lang deren Anlagestrategie bestimmt. Der Stiftungsrat habe keine Chance gehabt, das Treiben an der Spitze zu überwachen. X. und Y. hätten deshalb 2002 gehen müssen. Vor allem habe aber das EVG eine grobe Pflichtwidrigkeit festgestellt. X. habe als formelles Organ der Pensionskasse A. und als Verwaltungsrat der Firma E. von ihm persönlich gehaltene Aktien der Firma E. verkauft und dabei in offenkundig schwerer Weise den objektiven Interessen der A. zuwider gehandelt. Angesichts dieser Bewertung des EVG sei das Verhalten von X. von «Facts» mit «Mauschelei» noch zurückhaltend qualifiziert worden. Die Autoren der beanstandeten Berichte würden X. ebenso wenig die ganze Schuld an der unbestrittenen «Lücke von 700 Millionen» im Vermögen der Pensionskasse A. zuweisen noch unterstellten sie, das «Loch» sei die Folge von dessen «Mauscheleien».
«Facts» habe auch nicht behauptet, X. sitze in mehr als einem Verwaltungsrat. Und immerhin bestreite dieser weder sein Mandat bei der E. noch dasjenige bei der kanadischen Beteiligungsgesellschaft D. Zudem sei der beanstandete Hinweis auf Kommissionen, die einander gegenseitig zugeschanzt wurden, mitnichten frei erfunden. Dieser Vorwurf sei bereits am 30. August 2002 von einem bis heute nie widerrufenen und korrigierten Bericht von «Cash» erhoben worden.
Schliesslich sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Abdruck des Fotos des Beschwerdeführers dessen Privatsphäre verletzen sollte. X. sei zwar nicht mehr im gleichen Ausmass eine Person des öffentlichen Lebens wie zur Zeit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Z. (bis 2003) und als Vorstandsmitglied, Vizepräsident resp. Präsident der A.-Pensionskasse (bis Juni 2002). «Soweit aber gerichtliche Auseinandersetzungen um das A.-Desaster, das der Beschwerdeführer mitzuverantworten hat, laufen, und solange eidgenössische Parlamentarier in Vorstössen fordern, der Bund müsse für das Loch in der A.-Kasse aufkommen, solange ist es zulässig, auf die Handlungen und Funktionen des Beschwerdeführers zurückzukommen und ihn namentlich zu erwähnen.»
Einzuräumen sei hingegen, dass aus den beiden beanstandeten Abschnitten die Quellen nicht hervorgehen, auf die sich «Facts» stützte. Bei beiden Hinweisen auf die A. und den Beschwerdeführer handle es sich um «geraffte Chroniken» zu den wichtigsten Skandalen der letzten Jahre im Pensionskassengeschäft. «Die beanstandeten Textstellen geben bl
oss wieder, was bereits schon seit 2002 in zahlreichen Medienberichten unwidersprochen mehrfach publiziert worden ist.» Unter diesen Umständen sei auch eine Anhörung des Beschwerdeführers nicht notwendig gewesen. In einem früheren Artikel über das Engagement von X. («Sonntagszeitung» vom 11. August 2002) habe Autor Markus Schär den Beschwerdeführer angehört und dessen Stellungnahme wiedergegeben.
D. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Esther Diener-Morscher als Präsidentin an sowie Thomas Bein, Andrea Fiedler, Claudia Landolt Starck, Peter Liatowitsch, Daniel Suter und Max Trossmann. Andrea Fiedler, Mitarbeiterin der «SonntagsZeitung», trat von sich aus in den Ausstand.
E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 27. Juni 2007 sowie auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Bei den beiden beanstandeten Passagen der «Facts»-Artikel vom 17. und 24. August 2007 handelt es sich im Vergleich zu den Hauptthemen der beiden Berichte um blosse Nebenaspekte. Dies entbindet die Autoren jedoch nicht, diese Informationen gemäss den berufsethischen Normen der «Erklärung» und der zugehörigen Richtlinien zu bearbeiten und zu veröffentlichen. Allerdings ist sowohl in Bezug auf die Wahrheitssuche wie auch die Anhörung bei schweren Vorwürfen zu prüfen, wie weit die berufsethischen Recherchierpflichten bei Informationen gehen, die bereits früher in anderen Medien veröffentlicht worden sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Informationen wie vorliegend bloss in Form einer stark verkürzten Chronik wiedergegeben werden.
2. a) Gemäss Ziffer 1 der «Erklärung» sind Medienschaffende verpflichtet, sich an die Wahrheit zu halten und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten zu lassen, die Wahrheit zu erfahren. Die Richtlinie 1.1 zur «Erklärung» konkretisiert die berufsethische Wahrheitspflicht mit den Geboten, verfügbare und zugängliche Daten zu beachten, diese zu überprüfen und gegebenenfalls unrichtige Fakten zu berichtigen.
b) Die in «Facts» vom 17. August 2006 in einer kurzen Rückblende zusammengefassten Fakten und Vorwürfe zum «Fall A.» sind entweder durch das EVG-Urteil vom 12. Juni 2006 bestätigt oder sie wurden bereits vor längerer Zeit in mehreren – von den Beschwerdegegnern dem Presserat eingereichten – Medienberichten veröffentlicht. So hält das EVG im besagten Entscheid fest, X. habe während Jahren massgeblichen Einfluss auf die Anlagestrategie der Pensionskasse A. gehabt und ihm sei im Zusammenhang mit der Anlage der A. in Wertpapiere der Firma E. eine «hervorragende Rolle» zugekommen. In einem Bericht von «Cash» vom 30. August 2002 wurden «fragwürdige Kommissionen aus Aktien-Verkäufen der kanadischen Gesellschaft D. – bei der A. damals die Hautaktionärin war – an schweizerische Stiftungen und Unternehmen (…) erwähnt. «Die Börsenaufsicht beziffert die festgestellten Kommissionen auf rund 5.4 Millionen.» Am 6. Dezember 2002 berichtete «Cash» zudem, X. habe 1997 zusammen mit dem damaligen A.-Direktor und einem Schweizer Finanzberater dem Salarierungsausschuss des Verwaltungsrats der E. angehört, welcher damals einen Optionsplan für externe Verwaltungsratsmitglieder verabschiedete. «Mit den Stimmen der A. und der F. haben also die drei Herren einen Beschluss herbeigeführt, der sie selber begünstigte.» «Cash» erwähnte zudem, dass sich die drei auch privat an der E. beteiligt hätten. X. behauptete damals gegenüber «Facts»: «Wir haben zu keiner Zeit aus Geschäften mit Pensionskassengeldern durch eigenen Aktienhandel privaten Nutzen gezogen.» Demgegenüber hielt das EVG im mehrfach erwähnten Urteil im Zusammenhang mit einem Verkauf von E.-Aktien an einen Aktienfonds im Dezember 2000 fest, X. habe widerrechtlich gehandelt, indem er im Umfang von 24400 Aktien anstelle derjenigen der Pensionskasse A. solche aus seinem eigenen Vermögen verkaufte und so der Pensionskasse einen Schaden von rund 400’000 Franken zugefügt habe. Auch wenn der Presserat aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen nicht in der Lage ist, den komplexen Sachverhalt umfassend zu klären, fehlen jedenfalls Hinweise darauf, die den Schluss nahe legen, dass «Facts» bei den beiden beanstandeten Kurzchroniken Unwahrheiten veröffentlicht hätte. Ebenso waren die Autoren angesichts der Mehrzahl übereinstimmender älterer Quellen und zumal sie keine neuen Fakten veröffentlichten, nicht verpflichtet, vor der Veröffentlichung einer Kurzchronik weitere Recherchen zu tätigen.
3. a) Ziffer 3 der «Erklärung» auferlegt Journalistinnen und Journalisten die Pflicht, keine wichtigen Elemente von Informationen zu unterschlagen und weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen zu entstellen. Unbestätigte Meldungen, Bild- und Tonmontagen sind als solche zu bezeichnen. Gemäss der zugehörigen Richtlinie 3.8 sind Journalistinnen und Journalisten zudem verpflichtet, Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören und deren Stellungnahme im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben. Die Anhörung bei schweren Vorwürfen ist auch dann zwingend, wenn die Vorwürfe gegen Personen erhoben werden, die nicht im Zentrum eines Artikels stehen, zumindest wenn die entsprechenden Vorwürfe neu sind (Stellungnahme 7/2004).
b) Die gegenüber dem Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe wiegen schwer, selbst wenn die beiden beanstandeten Passagen in den «Facts»-Berichten vom 17. und 24. August 2007 nicht im Zentrum stehen. Zudem lässt sich allein aus der Tatsache, dass X. gegen die früheren von den Beschwerdegegnern eingereichten Berichte von «Cash», «SonntagsZeitung» und «NZZ Folio» offenbar nicht einschritt und sich jedenfalls nicht mit einer Beschwerde an den Presserat wandte, nicht ableiten, dass er den Inhalt dieser Berichte durch Stillschweigen akzeptiert hätte. Zumal er bereits in den früheren Berichten jegliche Verfehlungen abstritt und selbst gegen das EVG-Urteil vom 12. Juni 2006 noch ein – allerdings am 23. Februar 2007 abgewiesenes – Revisionsgesuch eingereicht hat. Dessen ungeachtet und trotz der zentralen Stellung, den die Anhörungspflicht in seiner Praxis einnimmt, würde dieses berufsethische Prinzip nach Auffassung des Presserates überspannt, würde man bei jeder neuen Erwähnung publizierter Vorwürfe eine erneute Anhörung des Betroffenen als zwingend erachten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier bereits früher veröffentlichte Vorwürfe in Form einer kurzen Rückblende gerafft dargestellt werden und sofern diese nicht plötzlich in einem ganz anderen Zusammenhang oder zusammen mit neuen relevanten Fakten veröffentlicht werden.
Ebenso wenig wie eine neuerliche Anhörung bei länger zurückliegenden schweren Vorwürfen kann bei einer solchen Chronik verlangt werden, dass diese die ihr zugrunde liegenden Quellen nennt. Aus diesen Gründen ist eine Verletzung der Ziffer 3 der «Erklärung» zu verneinen.
4. Schliesslich sieht der Presserat auch die Ziffer 7 der «Erklärung» (Respektierung der Privatsphäre) durch die Nennung des Namens und den Abdruck eines kleinen Bildes («Facts» vom 17. August 2006) von X. nicht verletzt. Hierzu kann grundsätzlich auf die zutreffende Argumentation der Beschwerdegegner verwiesen werden. Die Tätigkeiten von X. im Zusammenhang mit der A. und der Z. liegen noch nicht derart lange zurück, dass der Schutz der Privatsphäre des Beschwerdeführers das öffentliche Interesse übersteigen würde, im Zusammenhang mit dem im Sommer 2006 heftig öffentlich diskutierten problematischen Verhalten von Pensionskassenmanagern auf frühere Skandale hinzuweisen. Zumal die in diesem Zusammenhang von X. mit der Pensionskasse der A. geführte juristische Auseinandersetzung – wie die beiden Bundesgerichtsurteile aus den Jahren 2006 und 2007 zeigen – bis in die Gegenwart anhält.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. «Facts» hat mit den in den Ausgaben vom 17. und 24. August 2007 enthaltenen Kurzchroniken zur Verwicklu
ng von X. in den «Fall A.» die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen, Quellennennung) und 7 (Respektierung der Privatsphäre) nicht verletzt.