Nr. 34/2008
Wahrheitsgebot / Privatsphäre

(X. c. «Aargauer Zeitung» und «AZ Sonntag») Stellungnahme des Presserates vom 13. August 2008

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I. Sachverhalt

A. Am 6., 13. und 16. Dezember 2007 erschienen in der «Aargauer Zeitung» (AZ) und ihrer Sonntagsausgabe «Sonntag» drei Artikel von Hans Rechsteiner über das auf dem Mutschellen geplante regionale Sportzentrum Burkertsmatt. Es ging dabei um Aktionen der Befürworter des Zentrums vor den Anwesen von drei Einsprechern in Widen, um diese von ihrem langjährigen Widerstand abzubringen. Die etwa 300 Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen deponierten in einer friedlichen Demonstration in Harassen gesammelte «Wunschzettel» vor den Eingängen der Gegner. Weil eine nicht zu den Einsprechern gehörende Familie sich belästigt fühlte und verschiedene Fehler im «Sonntag»-Bericht vom 16. Dezember monierte, gelangte sie an die Redaktion und verlangte eine Berichtigung und Entschuldigung. Die umfangreiche Berichtigung erschien nach einigem Hin und Her am 2. Februar 2008; AZ-Chefredaktor Peter Buri hatte sich am 16. Januar 2008 per Mail offiziell für die Fehler entschuldigt. Die von Redaktor Rechsteiner persönlich verlangte Entschuldigung lieferte dieser am 12. Februar 2008 ebenfalls per Mail.

B. In einer andern Sache, aber vom gleichen AZ-Redaktor für das Freiamt erschien am 8. Februar 2008 ein Bericht zum Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichts über eine in Rudolfstetten geplante Mobilfunkantenne der Swisscom. Das Gericht hiess die Beschwerde der Swisscom gegen einen die Bewilligung verzögernden Entscheid des aargauischen Regierungsrats gut, hob diesen auf und kritisierte ihn als bundesrechtswidrig. Im Artikel kam auch die gegen die Antenne kämpfende Interessengemeinschaft (IG) Lebensqualität Rudolfstetten vor; genannt wurde als ehemalige Einsprecherin Y.

C. Am 5. Juni 2008 legte X. Beschwerde gegen AZ-Redaktor Hans Rechsteiner beim Schweizer Presserat ein. Der Redaktor habe sowohl im Fall Swisscom wie im Fall Burkertsmatt gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten») verstossen wie die Privatsphäre von in den Artikeln Genannten verletzt (Ziffer 7). So seien sowohl die namentlich genannten Einsprecher im Fall Burkertsmatt wie Y. im Fall Swisscom persönlich und telefonisch belästigt und bedroht worden. Generell berichte Rechsteiner im Boulevardstil, unseriös, einseitig und parteiisch.

Im einzelnen führt die Beschwerdeführerin Folgendes an:

Fall Burkertsmatt: In den Artikeln vom 6. und 13. Dezember 2007 werden die Namen der drei Einsprecher genannt. Dann behaupte Rechsteiner wahrheitswidrig, diese gelangten erneut ans Bundesgericht. Schliesslich rufe er zu regelmässigen Aktionen gegen die Einsprecher auf. Der Bericht vom 16. Dezember über die Kundgebung vom Vortag sei vollends emotionell und einseitig parteiisch, nur schon vom Titel her: «Gebt euren Widerstand endlich auf». Dass die AZ darauf am 2. Februar 2008 die Berichtigung einer im Quartier wohnenden Familie ohne Kommentar abdruckte, zeige, wie unseriös ihr Redaktor arbeite.

Fall Swisscom: Rechsteiner schreibe, der Gemeinderat Rudolfstetten sei vom Verwaltungsgericht wegen Rechtsverzögerung der Baubewilligung für die Antenne massiv gebüsst worden auf Kosten der Steuerzahler. Verfahrenskosten (keine Busse) von 1176 Franken sind aber laut X. für eine Gemeinde nicht massiv; das sei Sensationsjournalismus. Sodann bezeichne Rechsteiner die Einsprachen der Interessengemeinschaft Lebensqualität wahrheitswidrig als Rückenschuss für den Gemeinderat Rudolfstetten.

Zweimal nenne Rechsteiner das IG-Mitglied Y. mit Vorname und Name. Das sei absolut unnötig und verstosse gegen deren Privatsphäre. Die IG habe viele Exponenten, Y. habe sich gegenüber der Presse nie in den Vordergrund gedrängt. Falsch sei auch, Y. im Zusammenhang mit einer von der Interessengemeinschaft versäumten Frist zu nennen.

Schliesslich erwähne Rechsteiner nicht, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts zur Swisscom-Beschwerde zum Zeitpunkt der Publikation seines Artikels am 8. Februar 2008 wegen der Einsprachefrist von 30 Tagen noch nicht rechtskräftig gewesen sei.

D. AZ-Chefredaktor Peter Buri nahm am 12. Juni 2008 Stellung zur Beschwerde. Er stellt vorerst die Frage, ob X. überhaupt beschwerdeberechtigt sei. Denn bei beiden Fällen gehe es zentral um die Respektierung der Privatsphäre. X. habe in der Berichterstattung der «Aargauer Zeitung» zu beiden Fällen keine Rolle gespielt. Aus der Beschwerde gehe nicht hervor, ob sie allenfalls von Y. oder der Familie aus Widen mandatiert sei.

Im Fall des Sportzentrums Burkertsmatt habe Redaktor Rechsteiner Fehler begangen. Die AZ habe diese eingestanden und gemäss den Forderungen der Familie korrigiert; Redaktion und Rechsteiner hätten sich dafür entschuldigt. Die «Aargauer Zeitung» habe die Forderungen der Familie in allen Punkten erfüllt. Die Familie habe übrigens ausdrücklich erklärt, sie verzichte auf eine Beschwerde beim Schweizer Presserat, würden ihre Forderungen erfüllt.

Beim Fall der Swisscom-Mobilfunkanlage handle es sich um einen «Bandwurmfall», der sich über mehrere Jahre erstrecke. Daher könne nicht jeder neue Artikel alle Aspekte nochmals ausleuchten. Aber der Bericht vom 8. Februar über den Gerichtsentscheid gebe Vorgeschichte und Sachverhalt korrekt wieder. In Bezug auf die Namensnennung Y. schreibt Chefredaktor Buri: «Frau Y. ist – entgegen der Behauptung von Frau X. – sehr wohl öffentlich als eine der führenden Vertreterinnen der Interessengemeinschaft Lebensqualität Rudolfstetten in Erscheinung getreten. Sie hat in dieser Funktion sogar die Öffentlichkeit gesucht, wie der mitgemailte Artikel vom 9. März 2007 zeigt. Frau Y. hat sich sogar im Bild ablichten lassen. Deshalb war und ist für uns nicht ersichtlich, weshalb die Namensnennung im gleichen Zusammenhang nun plötzlich eine Verletzung der Privatsphäre darstellen soll.»

E. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Esther Diener-Morscher als Präsidentin an sowie Thomas Bein, Andrea Fiedler, Claudia Landolt Starck, Peter Liatowitsch, Daniel Suter und Max Trossmann.

F. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 13. August 2008 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Beim Schweizer Presserat kann sich jedermann und jedefrau beschweren, ungeachtet einer persönlichen Betroffenheit. X. ist also zur Beschwerde berechtigt, unabhängig davon, ob sie von in den AZ-Artikeln Angesprochenen mandatiert ist.

2. Die Beschwerdeführerin konzentriert sich in ihrer Beschwerde auf den Fall Swisscom. Denn sie ist irrtümlich der Meinung, ihre Beschwerde sei im Fall Burkertsmatt mit Ausnahme der am 2. Februar 2008 publizierten Berichtigung «verjährt», weil die Artikel vom 6., 13. und 16. Dezember 2007 ausserhalb der Beschwerdefrist von sechs Monaten lägen. Das ist jedoch nicht der Fall. X. hat ihre Beschwerde am 5. Juni 2008 verfasst, der Presserat den Eingang tags darauf bestätigt. Somit liegen alle von X. im Fall Burkertsmatt beanstandeten Berichte nicht länger als sechs Monate zurück. Der Presserat behandelt deshalb sowohl den Fall Swisscom wie den Fall Burkertsmatt.

3. Der Fall Sportzentrum Burkertsmatt: Die drei Artikel sind darauf zu prüfen, ob sie die von der Beschwerdeführerin genannten Ziffern 1 (Wahrheitspflicht) und 7 (Privatsphäre) verletzen.

a) AZ vom 6. 12. 2007: Der Artikel informiert sachlich, dass eine Gruppe Öffentlichkeitsarbeit reaktiviert worden ist, um das Projekt eines regionalen Sport-, Freizeit- und Begegnungszentrums wieder voranzubringen. Die Gruppe plane Aktionen, eine erste am Samstag, 15. Dezember, wo man den drei verbliebenen, hartnäckigen Einsprechern «Wunschzettel» überreichen wolle. Die Befürworter des Zentrums fühlten sich von den Einsprechern hintergangen, weil diese trotz Zugeständnissen in letzter Minute doch immer wieder Rekurs eingelegt hätten. «Die gehen erneut ans Bundesgericht»
zitiert die «Aargauer Zeitung» einen Wortführer.

Der Bericht nennt die drei Namen der Einsprecher. Die Nennung von Namen ist an und für sich problematisch, solange Einsprecher lediglich ihre privaten Rechte wahrnehmen und nicht selber an die Öffentlichkeit gehen. Die private Einsprache zu einem öffentlichen Bauverfahren begründet nicht automatisch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Identifikation des Einsprechers. Im konkreten Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die drei Namen ohnehin bereits einer weiteren Öffentlichkeit bekannt waren. Bei einer jahrzehntelangen öffentlichen Auseinandersetzung wie derjenigen über den Bau des geplanten Sportzentrums Burkertsmatt ist es häufig kaum zu umgehen, dass die Namen der Kontrahenten publik werden. Nicht zuletzt dadurch, dass die AZ die Einsprecher bereits in früheren – von den Betroffenen soweit ersichtlich nicht beanstandeten – Berichten namentlich genannt hat. Deshalb ist für den Presserat die Ziffer 7 der «Erklärung» (Privatsphäre) hier nicht verletzt.

Die Beschwerde rügt sodann als tatsachenwidrig die Behauptung, die Einsprecher gingen erneut ans Bundesgericht. Diese Aussage stammt allerdings in diesem Artikel nicht vom AZ-Redaktor selbst, sondern ist die oben zitierte Erwartung eines Exponenten der Befürworter, dass die Einsprecher in der Zukunft erneut ans Bundesgericht gelangen werden. Das Zitat ist also zulässig, falsch daran ist nur das Wort «erneut». Denn bis anhin waren die Einsprecher noch nicht ans Bundesgericht gelangt. Wegen dieser einzigen kleinen Unkorrektheit eine Verletzung des Wahrheitsgebots gemäss Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» zu befinden, scheint dem Presserat unangemessen.

b) AZ vom 13. 12. 2007 Der zweite Artikel weist noch einmal auf die bevorstehende Pro-Burkertsmatt-Kundgebung hin. Er resümiert zudem einen Teil der Vorgeschichte des Zentrumsprojekts seit 1993, zitiert ausführlich aus den Argumenten der Arbeitsgruppe Öffentlichkeit des befürwortenden Gemeindeverbands Burkertsmatt, nennt wiederum die Namen der Mitglieder der Arbeitsgruppe und zweimal jene der Einsprecher (einmal davon mit Vorname). In Bezug auf diese Namennennung gilt das oben Gesagte, sie ist hier zulässig. Der Passus über den Gang ans Bundesgericht lautet so: «Derzeit liegt die Sache zum zweiten Mal vor dem Verwaltungsgericht und man muss damit rechnen, dass A-B-C erneut bis ans Bundesgericht gehen werden.» Das ist diesmal die Einschätzung Rechsteiners selbst, was künftig geschehen werde und insofern unverfänglich, wiederum mit Ausnahme des falschen Wortes erneut. Der Presserat stellt auch bei diesem Bericht keine Verletzung der Ziffern 1 oder 7 fest.

Was den zweiten Bericht vom ersten unterscheidet, ist, dass der AZ-Redaktor diesmal durchblicken lässt, dass er das Projekt Burkersmatt bejaht. Das war zwar für langjährige Leserinnen und Leser der AZ keine Überraschung, hatte Hans Rechsteiner doch zum Beispiel zum oben erwähnten Artikel vom 5. Februar 2003 einen überaus deutlichen Kommentar mit dem Titel «Zwängerei sondergleichen» gestellt. Darin sprach er sich unzweideutig fürs Sportzentrum und gegen die Verhinderungstaktik der Einsprecher aus.

Dass AZ-Redaktor Rechsteiner «einseitig und parteiisch» berichte, ist einer der Hauptvorwürfe der Beschwerdeführerin. Doch selbst wenn dem so wäre, ist das berufsethisch zulässig. Der Schweizer Presserat hält nach konstanter Praxis daran fest, dass Journalistinnen und Journalisten nicht verpflichtet sind, sogenannt ausgewogen oder objektiv zu berichten. Vielmehr dürfen sie auch einseitig und parteiergreifend berichten, solange die Berichterstattung fair und wahr bleibt und sie Angeschuldigte anhören und zu Wort kommen lassen (vergleiche zuletzt die Stellungnahmen 4 und 13/2007). Es gibt gar eine ganze publizistische Gattung, den anwaltschaftlichen Journalismus, die sich dadurch definiert, dass sie für Schwache, sonst Ungehörte, Benachteiligte, aber auch Konsumenten, Vermieter oder Mieter, Partei ergreift.

Rechsteiners drei Dezember-Berichte sind nicht besonders einseitig. Sie verlassen den Rahmen des Üblichen nur an einer Stelle: Mit der plumpen Aufforderung an die Leser «Kommen Sie auch» am Schluss seines Artikels vom 13. Dezember. Eine solche Aufforderung, mitzumachen, erwartet man auf dem Flyer der Demo-Veranstalter, nicht in einem seriösen Vorbericht. Die Redaktion hätte den unprofessionellen Schlusssatz besser gestrichen, eine Verletzung des Pressekodex ist dieser Fauxpas jedoch nicht.

c) «AZ Sonntag» vom 16. 12. 2007 Der Bericht über die Demonstration vom Vortag nimmt den kleineren Teil des Artikels ein; der grössere ist die geraffte Geschichte des seit 30 Jahren dauernden Ringens um das Sportzentrum. Falsch ist dabei wiederum die diesmal faktische Behauptung, Einsprecher seien vor Bundesgericht gegangen. Da Rechsteiner diesmal nicht von einem künftig zu erwartenden Gang ans Bundesgericht spricht, sondern von einem Fakt, hat die «Aargauer Zeitung» hier unwahr berichtet, also die Ziffer 1 der «Erklärung» verletzt. Unpräzis war auch der Hinweis, das Bundesgericht habe bei einer Sportanlage in Würenlos die abendlichen Öffnungszeiten «im Sinne des Sports grosszügig» ausgelegt. Die von der AZ später abgedruckte Berichtigung hält dazu fest, das Bundesgericht lege mit keiner Silbe die Öffnungszeiten aus, sondern weise das Aargauer Verwaltungsgericht nur an, sein Urteil zu überarbeiten.

Für die Beschwerdeführerin ist der Artikel vom 16. Dezember der Gipfel der unsachlichen, einseitigen Berichterstattung Rechsteiners. Dafür findet der Presserat aber kaum Belege. Der Titel in Zitatform «Gebt euren Widerstand endlich auf» fasst durchaus zutreffend und zulässig die Stossrichtung der Demonstranten gegenüber den Einsprechern zusammen. Denn im Artikel zitiert Rechsteiner das Anliegen der jungen Sportler auf den Wunschzetteln so: «Zieht endlich eure Einsprachen zurück, damit wir anständig trainieren können.»

Die Reaktion der Einsprecher beschreibt die AZ so: «Zu allem Unverständnis reagierten die Angeschuldigten auf die friedliche Aktion ausgesprochen feindselig. Sie schotteten ihre Anwesen mit Bodyguards und Hunden ab, man versuchte auch gegenüber dem ‹Sonntag›-Reporter ein Fotoverbot durchzusetzen.»

Da der Schweizer Presserat kein Beweisverfahren durchführt oder Zeugen einvernimmt, ist nicht mit Sicherheit festzustellen, was sich an diesem Samstag in Widen zutrug. Auch die von der AZ publizierte Berichtigung hilft da nur bedingt. Denn sie berichtigt zum Teil Dinge, die Rechsteiner so gar nicht geschrieben hatte. Just in diesem Artikel nannte er nämlich die Einsprecher nicht mit Namen. Den Namen der Familie, die sich in der eben zitierten Passage von Rechsteiner zu Unrecht als Angeschuldigte und Einsprecher angesprochen fühlte, erfuhren die Leser der AZ erst aus deren Berichtigung vom 2. Februar 2008! Allenfalls hatte der eine oder andere ortskundige Demonstrant vom Foto in der AZ, das laut Beschwerdeführerin den Aufgang zum Grundstück dieser Familie zeigt, fälschlicherweise darauf geschlossen, dass diese Familie zu den Einsprechern gehöre.

Rechsteiner schreibt von Bodyguards und Hunden. Offensichtlich standen Sicherheitsleute bei den Anwesen der Einsprecher. Denn auch das regionale Konkurrenzblatt, der «Bremgarter Bezirks-Anzeiger», berichtet: «Beobachtet wurden sie (die Demonstranten) dabei von Leuten eines privaten Sicherheitsdienstes; offenbar befürchteten die Einsprecher Übergriffe.» Und die Berichtigung bestätigt: «Wir waren mit unseren Hunden lediglich im Garten, um das Treiben zu beobachten und um Sachbeschädigungen an unserem Eigentum zu verhindern.»

Wohl wertete der AZ-Redaktor die Aktion der Burkertsmatt-Freunde positiv und die Reaktion der Einsprecher kritisch, aber das ist berufsethisch zulässig. Nach sorgfältigem Abwägen findet der Presserat im Artikel vom 16. Dezember 2007 keine weitere Verletzung der Wahrheitspflicht (Ziffer 1) als jene wegen des Bundesgerichts. Auch die Ziffe
r 7 zur Privatsphäre ist hier nicht verletzt.

d) Berichtigung AZ vom 2. 2. 2008 Am 2. Februar 2008 erschien schliesslich die Berichtigung der sich im AZ-Bericht vom 16. Dezember angegriffen fühlenden Familie aus dem Quartier Halde in Widen. Die Familie hatte gegenüber der «Aargauer Zeitung» energisch auf dieser Richtigstellung und einer schriftlichen Entschuldigung von AZ-Redaktor Hans Rechsteiner bestanden. Der Mailverkehr dazu zog sich über die Feiertage Ende 2007 und den Januar hin. Einlenken signalisierte schon der stellvertretende AZ-Chefredaktor und Kantonschef Balz Bruder, indem er schrieb: «Was Ihre inhaltlichen Beanstandungen, insbesondere die Hinweise auf juristische Verfahren und gerichtliche Urteile betrifft, muss ich Ihnen Recht geben: Der Text enthält die eine oder andere Ungenauigkeit.» Am 16. Januar 2008 entschuldigte sich Chefredaktor Peter Buri in aller Form für die Falschdarstellungen seines Redaktors und sicherte die Berichtigung zu. Die AZ brachte sie unter dem Titel «Keine Angeschuldigte oder Einsprecher» auf einer Drittelseite über die ganze Breite. Am 12. Februar entschuldigte sich Hans Rechsteiner «für Fehler beziehungsweise unpräzise Formulierungen».

Der Presserat hält die Abwicklung der Berichtung für korrekt, wenn auch etwas schleppend. Redaktionen sollten Korrekturen jeweils rasch nach der beanstandeten Veröffentlichung bringen. Das dient sowohl den Berichtigenden wie der Leserschaft.

4. Der Fall der Swisscom-Mobilfunkantenne: Hier sieht die Beschwerdeführerin im AZ-Bericht «Swisscom hat Recht bekommen» vom 8. Februar 2008 mehrmals die Wahrheitspflicht verletzt und vor allem die Privatsphäre der namentlich genannten Einsprecherin Y. Die Beschwerdeführerin wertet den Artikel als tendenziös, einzelne Aussagen als reisserisch, Rechsteiners Arbeitsweise insgesamt als schludrig und unseriös. Für die Beschwerdegegnerin ist der Artikel inhaltlich in Ordnung, die Namensnennung gerechtfertigt.

Der Presserat vermeint einen anderen Artikel als die Beschwerdeführerin vor sich zu haben. Denn der Bericht schildert sachlich und fast ohne jede Wertung den Entscheid des Verwaltungsgerichts zur Swisscom-Antenne und dessen Vorgeschichte. Konnte die Beschwerdeführerin Hans Rechsteiner im Fall Burkertsmatt Ungenauigkeiten und Fehler nachweisen, gelingt ihr dies im Fall Swisscom nicht.

a) Die massive Busse Das aargauische Baudepartement hatte dem Gemeinderat Rudolfstetten wegen Rechtsverzögerung der Baubewilligung für die Antenne Kosten von rund 3800 Franken auferlegt. Der Gemeinderat zog die Sache ans Verwaltungsgericht, das jedoch dem Departement Recht gab; wiederum fielen Verfahrenskosten von rund 1200 Franken an plus die Parteikosten der Swisscom, die im Urteil vom 31. August 2005 noch nicht beziffert sind. Summa summarum wird das Rudolfstetten 7000 bis 9000 Franken gekostet haben. Die AZ schrieb von «massiv gebüsst» (der «Bremgarter Bezirks-Anzeiger» von «gebüsst»), ohne eine Zahl zu nennen. Die Beschwerdeführerin hält das für falsch, weil es keine Busse war, für tendenziös und Sensationsjournalismus. IG-Mitglied Y. sei deshalb unter Beschuss geraten. Der Presserat kann keine Verfehlung erkennen: Zwar ist gebüsst nicht der juristisch korrekte Ausdruck, wenn einem Verfahrens- und Parteikosten auferlegt werden. Aber das ist in einem Artikel für eine Durchschnittsleserschaft eine vernachlässigbare Unpräzision. Und die Einschätzung Rechsteiners, dass die «Busse» auf Kosten der Steuerzahler massiv ausgefallen sei, bleibt ihm als Wertung unbenommen, auch wenn sie vielleicht leicht übertrieben ist.

b) Der Rückenschuss Ebenfalls eine zulässige Wertung ist die Formulierung, wonach «die gleichzeitige Einsprache (der IG) gegen die Buechholz- und die Grossmattantenne sich für den Gemeinderat (Rudolfstetten) als Rückenschuss erwies». Die Beschwerde sieht diese «reisserische Aussage» im Gegenteil als Rückenschuss für Y. und die Interessengemeinschaft; Rechsteiner hätte dazu zuvor mit Y. reden sollen. Das war nach Meinung des Presserats jedoch nicht nötig. Der AZ-Journalist referiert hier nur die Einsprachen der IG und liefert mit dem «Rückenschuss» eine nahe liegende und sachlich fundierte Interpretation: Denn der Gemeinderat hatte versucht, die Swisscom dazu zu bewegen, ihre Antenne doch auf einem Strommast in der Buechholz zu errichten, ausserhalb der Bauzonen. Dort war bereits eine Mobilantenne der Sunrise bewilligt, die inzwischen funkt.

c) Die Namensnennung Der Hauptkritikpunkt der Beschwerde ist die Nennung des Namens von IG-Exponentin Y. «Die Nennung des Namens ist absolut unnötig, da dies das öffentliche Interesse nicht erfordert». Y. sei deshalb «unzähligen Belästigungs-Telefonaten» ausgesetzt gewesen. Dabei habe die IG viele Gesichter und Exponenten, Y. habe sich nicht in den Vordergrund gedrängt.

Die Beschwerdegegnerin macht demgegenüber geltend, Y. sei sehr wohl eine führende Gestalt der Interessengemeinschaft Lebensqualität. Sie habe aktiv die Öffentlichkeit gesucht, sich sogar in der AZ abbilden lassen. Ihre namentliche Erwähnung sei in früheren Artikeln wie im Bericht vom 8. Februar 2008 gerechtfertigt gewesen; die AZ habe Y.’s Privatsphäre nicht verletzt.

Für den Presserat ergibt sich aus den von Beschwerdeführerin wie Beschwerdegegnerin eingereichten Unterlagen unzweifelhaft, dass Y. eine herausragende Position als Gegnerin der Mobilantenne und Exponentin der IG einnimmt. Sie gehörte laut Beschwerdeführerin nicht nur zu den allerersten Einsprecherinnen noch vor Gründung der IG. Sie zog Beschwerden auch über alle Instanzen durch. Sie liess sich sowohl in der AZ vom 24. Februar 2006 wie im «Bremgarter Bezirks-Anzeiger» vom 3. März 2006 im Vordergrund abbilden, wie sie und IG-Mitglieder dem Rudolfstetter Gemeindeschreiber eine Petition übergeben, auch wenn sie bei dieser Gelegenheit nicht namentlich genannt wurde. Am 9. März 2007 erschien in der AZ ein eineinhalbseitiger Bericht über eine vom Regierungsrat gutgeheissene Beschwerde der IG mit einem halbseitigen Bild von drei IG-Mitgliedern, die aktiv darüber informierten. Y. ist prominent in der Bildmitte zu sehen und in der Legende aufgeführt. Y. firmiert zudem auf vielen amtlichen Schriftstücken und Urteilen von Gemeinderat über Staatskanzlei bis Verwaltungs- und Bundesgericht als erstunterzeichnende Beschwerdeführerin, wo es dann beispielsweise heisst «Y. und 63 Mitbeteiligte» oder «Y. und vier Mitunterzeichner». Daraus zitiert auch Hans Rechsteiner, wenn er zweimal von «Y. und Mitbeteiligten» schreibt. Beide Male ist die namentliche Erwähnung sachbezogen und ohne negative Wertung.

Der Presserat kommt deshalb zum Schluss, dass die AZ den Namen von Y. erwähnen durfte und die Namensnennung einer führenden Vertreterin der Antennengegner von öffentlichem Interesse war. Y.’s Privatsphäre ist daher nicht verletzt.

d) Die Fristversäumnis Die Beschwerdeführerin behauptet, die Passage, wonach Y. und Mitbeteiligte vom Verwaltungsgericht «aus dem Recht gewiesen» worden seien und wegen Fristversäumnis danach nicht mehr am Verfahren teilnehmen konnten, sei falsch, negativ und insinuiere eine Mitschuld von Y. am Versäumnis. Dem ist aber nicht so. Der AZ-Text hält sich exakt an das, was dazu im Urteil vom 18. Dezember 2007 steht.

e) Die Einsprachefrist Die Beschwerdeführerin hält sich darüber auf, dass die AZ im Gegensatz zum «Bremgarter Bezirks-Anzeiger» nicht erwähne, dass das eben genannte Urteil des Verwaltungsgerichts bei der Publikation des Artikels am 8. Februar 2008 noch nicht rechtskräftig war. Das ist wohl richtig, denn die Parteien erhielten das Urteil am 31. Januar und die 30tägige Einsprachefrist lief noch. Diese Information fehlt tatsächlich. Sie war aber nach Einschätzung des Presserats nicht derart wichtig und zum Verständnis notwendig, dass sie die AZ hätte bringen müssen.

f) Insgesamt ergibt sich für den Schweizer Presserat im AZ-Artikel «Swisscom hat Recht bekommen» vom 8. Februar 2008 weder eine Verletzung von Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) noch Zi
ffer 7 (Schutz der Privatsphäre).

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Die «AZ Sonntag» hat im Artikel «Gebt euren Widerstand endlich auf» vom 16. Dezember 2007 über ein regionales Sportzentrum die Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Wahrheitspflicht) verletzt, indem sie fälschlich schrieb, Einsprecher gegen das Zentrum seien ans Bundesgericht gelangt.

3. Zu allen übrigen Artikeln und Punkten wird die Beschwerde abgewiesen.