Nr. 2/2018
Wahrheit / Trennen von Fakten und Kommentar / Quellen / Berichtigung / Unterlassen anonymer und sachlich nicht gerechtfertigter Anschuldigungen

(X. c. «Rigi Post») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 1. Februar 2018

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I. Sachverhalt

A. Am 19. Januar 2017 veröffentlichte die «Rigi Post» den Artikel «Schmierereien in Goldau». Der Untertitel lautet «SVP-Plakat mutwillig zerstört». Im Kurzartikel wird berichtet, im Bahnhof Goldau hätten sich – «nach der Hakenkreuz-Unterschrift zu urteilen – ein paar nationale Sozialisten» in Sachbeschädigung geübt. Meinungsfreiheit scheine heute nicht mehr gefragt zu sein. Illustriert ist der Artikel mit dem mit schwarzer Farbe verschmierten Plakat der SVP.

B. Am 23. Februar 2017 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel der «Rigi Post» ein. Der Beitrag sei mit dem Kürzel «da.» gezeichnet. Auf telefonische Nachfrage habe Verleger Schorsch Kaelin behauptet, er wisse nicht, für wen das Kürzel stehe, sei jedoch bereit, weitere Fragen per Mail zu beantworten. In der Folge sei er weder per Mail noch telefonisch erreichbar gewesen. Die «Rigi Post» habe kein Impressum, somit sei nicht klar, was das Kürzel «da.» bedeute. X. sieht im Artikel einen Verstoss gegen die Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche), welche die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») ergänzt: In der Schweiz sei die Bezeichnung «Nationale Sozialisten» weder als Fremd-, noch als Eigenbezeichnung für «Sozialist_innen» oder «Nazis» gebräuchlich. Die Formulierung «nationale Sozialisten» unterstelle, bei den für die Sprayerei Verantwortlichen handle es sich um Sozialist_innen. Eine andere mögliche Interpretation sei, dass unterstellt werde, es handle sich um Nazis (Nationalsozialist_innen). Auch diese Aussage wäre unbegründet, da Nazis kein Motiv hätten, ein dem Faschismus förderliches Plakat zu übermalen. Die erwähnten Hakenkreuze seien zudem schon vor der Schwärzung des Plakats in der Bahnhofsunterführung angebracht gewesen. Die Formulierung «nationale Sozialisten» erwecke den falschen Eindruck, die Ideologien von Sozialisten und Nationalsozialisten stünden sich nahe. Und der oder die Verfasser des Beitrags hätten diesen falschen Eindruck wohl ganz gezielt erwecken wollen. Denn in der Schwyzer Mitte-Rechts-Szene sei allgemein akzeptiert, dass «Sozialismus» und «Nationalsozialismus» das Gleiche sei. Weiter macht X. einen Verstoss gegen Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) geltend, weil der Beitrag nicht als Kommentar gekennzeichnet werde, obwohl er einer sei. Eine diffuse, nicht belegbare Anschuldigung werde als Fakt präsentiert. Zudem liege ein Verstoss gegen Ziffer 3 der «Erklärung» vor. Danach seien unbestätigte Meldungen (Hintergrund der Sprayer) als solche zu bezeichnen. Ausserdem fehle die Angabe der Quelle bzw. des Autors des Artikels. Da der Beitrag zudem nicht der Wahrheit entspreche, hätte er berichtigt werden müssen (Ziffer 5 der «Erklärung»). Dies sei trotz Aufforderung nicht geschehen. Schliesslich sieht der Beschwerdeführer auch Ziffer 7 verletzt, indem die «Rigi Post» anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen erhob. Zusammenfassend versuche der Beitrag, durch einen im Schweizer Sprachgebrauch nicht existierenden Begriff Parallelen zwischen dem Nationalsozialismus und dem Sozialismus zu ziehen.

C. Die «Rigi Post» hat trotz zweimaliger Aufforderung durch den Presserat zur Beschwerde von X. nicht Stellung genommen.

D. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presserats-präsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 1. Februar 2018 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, die offensichtlich unbegründet ist.

2. a) Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung der Ziffern 1, 2, 3, 5 und 7 der «Erklärung» geltend. Ziffer 1 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie sich an die Wahrheit halten und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten lassen, die Wahrheit zu erfahren. Der Artikel besagt, der Hakenkreuz-Unterschrift nach zu urteilen hätten sich nationale Sozialisten in Sachbeschädigung geübt. Der Autor äussert demnach eine Vermutung, wer die Urheber des verschmierten Plakats der SVP sein könnten. Dem Presserat liegen keine Unterlagen darüber vor, ob die Urheberschaft der Schmierereien geklärt werden konnte. Wie der Beschwerdeführer selbst festhält, ist zudem unklar, wen der Autor meint, wenn er von nationalen Sozialisten spricht. Eine Verletzung der Wahrheitspflicht liegt somit nicht vor. Damit kommt auch Ziffer 5 der «Erklärung», welche eine Berichtigung von Meldungen materiell falschen Inhalts verlangt, nicht zur Anwendung.

b) Der Beschwerdeführer macht geltend, in der Schweiz sei die Bezeichnung «Nationale Sozialisten» weder als Fremd-, noch als Eigenbezeichnung für «Sozialist_innen» oder «Nazis» gebräuchlich. Dies trifft zu. Es ist davon auszugehen, dass der Autor des Beitrags diesen Begriff ganz bewusst (und wohl auch polemisch) gewählt hat. Der Begriff Nationaler Sozialismus bezeichnet seit etwa 1890 entstandene ideologische Strömungen und politische Parteien in Europa, die Nationalismus und Sozialismus auf verschiedene Weise miteinander verbanden und verbinden. Der Ausdruck «nationale Sozialisten» kann als politischer Kampfbegriff bezeichnet werden. Er wurde bereits zur Zeit der Nationalsozialisten verwendet mit dem Ziel, alle Linken, Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten zu treffen bzw. zu brandmarken. Die Frage, inwieweit es ideologische Parallelen zwischen dem Sozialismus und dem Nationalsozialismus gab bzw. gibt, wird kontrovers diskutiert. Der Beschwerdeführer äussert die Vermutung, der Verfasser habe gezielt einen «falschen» Eindruck erwecken wollen. Dies ist wie erwähnt nicht auszuschliessen, stellt jedoch keine Verletzung des Journalistenkodex dar. Der Beschwerdeführer sieht im Beitrag einen Kommentar, der als solcher hätte gekennzeichnet werden müssen. Für den Presserat handelt es sich nicht um einen Kommentar, sondern um eine Vermutung mit der Angabe, worauf sie sich stützt. Ziffer 2 der «Erklärung» ist somit nicht anwendbar.

c) Ziffer 3 der «Erklärung» verlangt von Journalisten, dass sie unbestätigte Meldungen als solche bezeichnen. Der Verfasser des Beitrags äussert wie erwähnt eine Vermutung über die Urheber der Sachbeschädigung. Diese Meldung ist insofern ambivalent, als nicht klar wird, wer damit gemeint ist. Die Vermutung wird mit der Hakenkreuz-Unterschrift begründet. Der Beschwerdeführer hingegen macht geltend, die Hakenkreuze befänden sich schon seit längerer Zeit in der Bahnhofsunterführung. Es handelt es sich somit nicht um eine unbestätigte Meldung, die als solche hätte bezeichnet werden sollen. Ziffer 3 der «Erklärung» ist somit unter diesem Aspekt nicht als verletzt zu erachten.

Ziffer 3 verlangt weiter von Journalisten, dass sie nur Informationen veröffentlichen, deren Quellen ihnen bekannt sind. X. erkennt in der Verwendung des Kürzels «da.» eine Verletzung dieser Bestimmung. Mit Quellen ist hier jedoch nicht der Autor gemeint, sondern die Quelle, auf die sich eine Information abstützt. Im Artikel geht es um ein verschmiertes Plakat, das zudem abgebildet ist. Dieses selbst ist Quelle dieses Beitrags, von einer unbekannten Quelle kann somit nicht die Rede sein. Ziffer 3 der «Erklärung» ist im Ergebnis somit offensichtlich nicht verletzt.

d) Ziffer 7 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen zu unterlassen. Vorliegend handelt es sich weder um anonyme noch sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen. Anonym sind sie nicht, da von der «Rigi Post» geäussert. Sachlich nicht gerechtfertigt darum nicht, weil zwar unklar ist, wer damit ins Visier genommen wird, die «Rigi Post» aber doch einen faktischen Kern für die Vermutung der Urheberschaft nennt: das Hakenkreuz als Signatur. Ein Verstoss gegen Ziffer 7 der «Erklärung» liegt somit nicht vor.

III. Feststellung

Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.