I. Sachverhalt
A. In ihrer Ausgabe Nr. 26/2012 vom 28. Juni 2012 vermeldete die «Weltwoche» in der Rubrik «Personenkontrolle» den Parteiwechsel der «vom Volk weggewählten SVP-Kantonsrätin Marlies Näf-Hofmann (85)» zu den Grünliberalen. Urs Paul Engeler merkt dazu an, bekannt geworden sei die «rüstige Dame» weder durch grüne noch durch liberale Anliegen. «Beobachter in der Ostschweiz vermuten allerdings hinter dem Parteiwechsel weniger politische als mütterliche Motive. Nachdem die SVP Arbon Näfs Sohn Andreas, der sich an der Universität Zürich immer noch an seiner Dissertation über Ethik abmüht, nicht einmal für das Amt eines lokalen Stimmenzählers nominieren konnte und auch dessen Kandidatur als Bezirksrichter ablehnen musste, suche sie nach neuen Wegen, den Mittfünfziger doch noch irgendwo zu platzieren.»
B. Eine Woche später, in der «Weltwoche» vom 5. Juli 2012 und wiederum in der Rubrik «Personenkontrolle», lieferte Urs Paul Engeler folgende Präzisierung nach: «Fälschlicherweise stand vor Wochenfrist an dieser Stelle, dass Andreas Näf (SVP), Sohn der zur GLP übergelaufenen alt SVP-Kantonsrätin Marlies Näf-Hofmann, von seiner Partei für das Amt des lokalen Stimmenzählers zurückgezogen worden sei. Tatsache ist, dass die SVP – trotz Interventionen des damaligen Stadtpräsidenten Martin Klöti und der Stadtschreiberin Andrea Schnyder – Näf nicht zurückgezogen hat. Somit ist der 46-Jährige seit Januar 2012 Arboner Stimmenzähler. Dafür verliert Näf ein anderes Ämtchen: Zusammen mit seiner 85-jährigen Mutter sass er bislang in der Thurgauer Abordnung für die nationalen SVP-Versammlungen. Nach dem Parteiaustritt von Marlies Näf wird die Partei nun andere Delegierte bestimmen.»
C. Am 8. Juli 2012 beschwerte sich Andreas Näf, Arbon, beim Schweizer Presserat, die «Weltwoche» habe in den beiden obengenannten Meldungen «mehrfach fehlerhaft berichtet und sogar Lügen verbreitet».
Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die «Weltwoche» den Parteiwechsel seiner Mutter zum Anlass nehme, über ihn zu berichten, ohne vor der Publikation mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Die Meldung über seine bevorstehende Abwahl als Delegierter der SVP Schweiz sei falsch. Weder habe bis zum 5. Juli 2012 ein entsprechender Parteibeschluss vorgelegen, noch sei der Beschwerdeführer über solche Schritte seiner Partei informiert worden. Im Gegenteil belege eine E-Mail des Präsidenten der SVP Thurgau, dass er, Näf, als Delegierter nicht zur Diskussion stehe.
Ebenfalls falsch sei die Behauptung Engelers in der Kurzmeldung vom 5. Juli 2012, dass der Arboner Stadtpräsident und die Stadtschreiberin interveniert hätten. Im Protokoll des Stadtparlaments Arbon vom 17. Januar 2012 sei dazu nichts vermerkt. Zudem weise auch Stadtschreiberin Andrea Schnyder diese Behauptung entschieden von sich.
Schliesslich habe Urs Paul Engeler in der Meldung vom 28. Juni 2012 das Alter des Beschwerdeführers mit 55 statt 46 angegeben.
D. Am 27. September 2012 wies die anwaltlich vertretene Redaktion der «Weltwoche» die Beschwerde als unbegründet zurück soweit angesichts der ungenügenden Begründung überhaupt darauf einzutreten sei.
Als Urs Paul Engeler auf den überraschenden Parteiwechsel von Marlies Näf aufmerksam geworden sei, habe er im Umfeld der SVP zu recherchieren begonnen und sich dabei auch über den Verbleib des Beschwerdeführers erkundigt. Dieses Vorgehen sei absolut nachvollziehbar und journalistisch sogar angezeigt. Es sei allgemein bekannt, dass der Beschwerdeführer und seine Mutter sowohl beruflich als auch politisch eng zusammenarbeiteten. In den Recherchen zum Parteiwechsel sei dem Autor von zwei voneinander unabhängigen Quellen mitgeteilt worden, der Parteiwechsel der Mutter sei hauptsächlich darin begründet, dass die SVP ihrem Sohn das Amt als Suppleant am Bezirksgericht Arbon verweigert habe.
Unbestritten sei zudem, dass es im Zusammenhang mit der Wahl von Andreas Näf ins Wahlbüro der Stadt Arbon zu Unstimmigkeiten gekommen sei. Dies gehe auch aus dem Sitzungsprotokoll des Stadtparlaments Arbon hervor. Hingegen habe sich die Information, wonach der Beschwerdeführer nicht für das Amt des Stimmenzählers nominiert worden war, im Nachhinein als falsch herausgestellt. Die «Weltwoche» habe die Meldung deshalb am 5. Juli prominent korrigiert und zusätzlich einen Leserbrief des Beschwerdeführers publiziert. Da die «Weltwoche» keine schweren Vorwürfe im Sinne der Richtlinie 3.8 veröffentlicht habe, sei eine Anhörung des Beschwerdeführers vor der Veröffentlichung nicht notwendig gewesen.
Bei der vom Beschwerdeführer in der Meldung vom 5. Juli 2012 beanstandeten Aussage, dieser verliere das Amt des SVP-Delegierten, habe sich Urs Paul Engeler auf Aussagen von mehreren Personen aus dem Umfeld der SVP gestützt. Die Informanten hätten erklärt, nach dem Parteiaustritt der Mutter werde dieses Amt nun auch dem Beschwerdeführer entzogen. Der Autor habe in guten Treuen davon ausgehen dürfen, dass die Information richtig war. Daran ändere auch die vom Beschwerdeführer dem Presserat eingereichte E-Mail von SVP-Kantonalpräsident Walter Marty nichts.
Auch die Behauptung von Andreas Näf, es habe kein Interventionen gegen seine Wahl als Stimmenzähler gegeben, widerspreche den von Urs Paul Engeler im Umfeld der SVP eingeholten Erkundigungen. «Mindestens zwei voneinander unabhängige Quellen berichteten dem Autor, dass sich Martin Klöti, ehemaliger Stadtpräsident, und Andrea Schnyder, Stadtschreiberin, gegenüber mehreren Drittpersonen gegen eine Wahl des Beschwerdeführers ausgesprochen habe.» Für diese Darstellung spreche auch das Sitzungsprotokoll des Stadtparlaments.
Schliesslich sei es für das Verständnis der Leserschaft unerheblich, ob der Beschwerdeführer 46 oder 55 Jahre alt sei. Die journalistische Ungenauigkeit in der Ausgabe vom 28. Juni 2012 – ausgelöst durch einen Rechnungsfehler – sei vorliegend weder irreführend noch erschwere sie das Verständnis. Im Übrigen habe die zweite Meldung vom 5. Juli 2012 die falsche Altersangabe berichtigt.
E. Am 1. Oktober 2012 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.
F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 8. Februar 2013 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Zwar hat es der Beschwerdeführer unterlassen, in seiner Beschwerde die einzelnen von ihm als verletzt gerügten Bestimmungen der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» anzuführen. Gestützt auf seine Ausführungen ist für den Presserat jedoch klar, dass er eine Verletzung der Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) der «Erklärung» beanstandet. In diesem Sinne ist auf die Beschwerde einzutreten.
2. Der Beschwerdeführer sieht die berufsethische Wahrheitspflicht dreifach verletzt. Bei der unbestrittenermassen falschen Alterszuschreibung in der ersten Meldung vom 28. Juni (Mittfünfziger statt Mittvierziger) ist der Fehler allerdings nicht relevant genug, um eine Verletzung der «Erklärung» zu begründen (vgl. beispielsweise die Stelllungnahme 21/2012).
Als Falschmeldung bezeichnet der Beschwerdeführer weiter die Behauptung der «Weltwoche» in der Ausgabe vom 5. Juli 2012, Näf verliere sein «Ämtchen» als Delegierter der SVP Schweiz. Hier stellt der Presserat ebenso wie bei der Frage, ob es im Vorfeld der Wahl von Andreas Näf ins Arboner Wahlbüro zu Interventionen kam, gestützt auf die ihm v
on den Parteien eingereichten Unterlagen fest, dass Aussage gegen Aussage steht. Es ist nicht Sache des Presserats, zu umstrittenen Tatsachenbehauptungen ein Beweisverfahren durchzuführen. Ihm fehlen im Gegensatz zu einem Gericht die dafür notwendigen prozessualen (Zwangs-)Mittel (vergleiche dazu die Stellungnahmen 4 und 16/2011).
Gestützt auf die vom Beschwerdeführer eingereichte E-Mail des Präsidenten der Thurgauer SVP, Walter Marty, erscheint zudem die Darstellung der «Weltwoche» plausibel, wonach der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Parteiwechsel seiner Mutter nicht mehr als Delegierter der Kantonalpartei für die SVP Schweiz gemeldet worden sein soll. Zwar schreibt der Kantonalpräsident zunächst: «Ich sehe keine Veranlassung, Dich nicht mehr als Delegierter zu melden.» Die beiden darauffolgenden Sätze sprechen aber eindeutig für die These der «Weltwoche»: «Ich habe Yvonne Melone aufgefordert, Dich wieder als Delegierter zu bezeichnen. Anscheinend ist aufgrund des Austritts Deiner Mutter dies so geschehen.»
Und auch bei der Wahl des Beschwerdeführers ins Wahlbüro der Stadt Arbon erscheint die Interpretation von Urs Paul Engeler nicht von vornherein abwegig. Er bezieht sich dabei auf folgendes Votum von Roland Schöni, SVP, das im Protokoll des Stadtparlaments Arbon vom 17. Januar 2012 festgehalten ist: «Menschen haben Stärken und Schwächen, es gibt Ämter und Funktionen, die man einer Person ohne weiteres zutraut und es gibt Ämter und Funktionen, für die jemand nicht geeignet ist. Die eigenen Möglichkeiten und die Selbsteinschätzung muss aber immer wieder überdacht werden. Wir müssen die Menschen als das sehen, was sie sind und nicht so darstellen, wie wir sie gerne hätten. Ich bitte sie, Andreas Näf neu in das Wahlbüro zu wählen.» Dieses Votum erscheint kaum denkbar, wenn die Eignung des Beschwerdeführers für das Amt im Vorfeld völlig unbestritten war.
3. Gemäss der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» sind Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören. Deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben. Vorliegend entfällt eine Pflicht zur Anhörung, weil die «Weltwoche» keine schweren Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer erhebt. Weder die Behauptung, die Wahl ins Wahlbüro sei umstritten gewesen noch die, der Beschwerdeführer sei nicht mehr als Delegierter gemeldet worden, wiegen schwer im Sinne dieser Bestimmung. Die «Weltwoche» wirft dem Beschwerdeführer damit weder ein illegales noch ein damit vergleichbares unredliches Verhalten vor und sie erhebt auch sonst wie keine schweren Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer.
4. Schliesslich ist festzuhalten, dass es der «Weltwoche» unbenommen ist, im Zusammenhang mit dem Parteiübertritt einer 85-Jährigen die möglichen Hintergründe zu recherchieren und dabei auch den Beschwerdeführer einzubeziehen.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen
2. Die «Weltwoche» hat mit der Veröffentlichung von zwei Meldungen über Andreas Näf in der Rubrik «Personenkontrolle» (Ausgaben vom 28. Juni und 5. Juli 2012) die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.