Nr. 8/2002
Unterschlagung wichtiger Informationselemente / Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen

(Räz c. «CASH») Stellungnahme des Presserates vom 22. Februar 2002

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I. Sachverhalt

A. In «CASH» Nr. 48 vom 21. September 2001 erschien unter der Rubrik «Leute» und dem Titel «Keine Spur von Räzession» folgende Kurzmeldung: «Die Presse beklagt einen Anzeigenschwund. Nicht so Hans Räz, der Herausgeber von ÐBon à savoir? dem welschen Pendant des ÐK-Tipp?. Die beiden Konsumentenmagazine kritisierten, der Internet-Vergleichsdienst Comparis nehme nur Firmen auf, die dafür bezahlen. Der ÐK-Tipp?-Herausgeber hat diesen Vorwurf inzwischen fallen gelassen, Räz bleibt dagegen – auf seine Art – stur: Er lehnt Inserate von Comparis weiterhin ab.» Illustriert war die Meldung mit einem Archivfoto von Hans Räz. Der Untertitel lautete: «Eine Spur zu stur: Hans Räz, Herausgeber des ÐBon à savoir?».

B. Am 16. Oktober gelangte Hans Räz, vertreten durch Rechtsanwalt PD Dr. Urs Saxer mit einer Beschwerde an den Presserat und rügte, der von «CASH» veröffentlichte Beitrag habe die Ziffern 1, 3 und 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sowie die Verpflichtung zur Unabhängigkeit verletzt. Im beanstandeten Kurzbeitrag fehlten jegliche Hinweise und Erläuterungen über die Hintergründe zwischen Comparis und «Bon à savoir» respektive dem «K-Tipp». Der Beschwerdeführer sei als Betroffener vor der Publikation des Artikels nie von «CASH» kontaktiert worden; zudem werde der falsche Eindruck erweckt, er sei allein für die als «stur» bezeichnete Entscheidung verantwortlich. Schliesslich habe «CASH» auch nicht dargelegt, weshalb «Bon à savoir» beste Motive gehabt habe, weiterhin keine Inserate von Comparis anzunehmen.

C. Am 26. November 2001 wies die Redaktion von «CASH», vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Schwaibold, die Beschwerde als unbegründet zurück, soweit darauf überhaupt einzutreten sei. Formell machte «CASH» geltend, die Beschwerde werde im Namen von Hans Räz geführt, obwohl die eingereichte Vollmacht nach Vertrauensprinzip als eine der Edition Plus Sàrl zu interpretieren sei. Zum Text selber schrieb «CASH», die Rubrik «Leute» sei nicht dazu bestimmt, trockene Fakten zu liefern, sondern gehe in humoristisch-freundlicher, mitunter auch ironischer Grundstimmung auf bestimmte Vorkommnisse und Personen ein. Solche Kurzmeldungen seien weder bestimmt noch geeignet, die Hintergründe bestimmter Ereignisse vollständig unter allen denkbaren Aspekten darzulegen. «CASH» habe – wenn auch in kurzer Form – die Fakten richtig dargestellt. Aus dem Eigenschaftswort «stur» folge zudem nicht, dass gegen den Beschwerdeführer der persönliche Vorwurf einer «sinnwidrigen Insertionspolitik» erhoben werde. «CASH» stelle einzig den Zusammenhang zwischen der Haltung eines Publikationsorgans mit der dafür massgeblichen Person her und bewerte dies. Ein Anspruch auf Anhörung sei bei einer solchen Meldung von vornherein zu verneinen.

D. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates (Fassung vom 1. Juli 2001) kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 22. Februar 2002 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, die Beschwerde werde namens von Hans Räz erhoben, obwohl auf der Vollmacht neben der Unterschrift von Herrn Räz ein Firmenstempel der Editions Plus Sàrl angebracht ist, weshalb es sich nur um eine solche der Firma handeln könne. Gemäss Art. 6 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserats ist aber jedermann – also hier sowohl der Beschwerdeführer wie die genannte Firma – zur Beschwerde berechtigt. Aufgrund der eingereichten Vollmacht steht fest, dass der Beschwerdeführer jedenfalls entweder in eigenem Namen oder als handelndes Organ der Editions Plus Sàrl beim Presserat wegen dem beanstandeten Artikel beim Presserat Beschwerde führen will. Nachdem Hans Räz und nicht die genannte Firma in der Beschwerdeschrift seines Rechtsanwalts als Beschwerdeführer aufgeführt wird, wird er vom Presserat als solcher behandelt.

2. Hans Räz geht in seiner Beschwerdebegründung in erster Linie auf die geltend gemachten Verletzungen der Ziffern 3 (Unterschlagung wichtiger Informationselemente) und 7 (Respektierung der Privatsphäre; Unterlassung sachlich nicht gerechtfertigter Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» ein.

Andererseits begründet Räz die behauptete Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung» (Wahrheitspflicht) sowie der Unabhängigkeitspflicht (Ziffern 2 und 9) nicht näher. Auf den Unwahrheitsvorwurf kommt der Presserat zurück. Der Vorwurf der mangelnden Unabhängigkeit der «CASH»-Redaktion bezieht sich offenbar auf die Behauptung des Beschwerdeführers, Comparis habe mit der Zeitung «eine bereitwillige Gehilfin» gefunden, die Ablehnung der Comparis-Inserate durch «Bon à savoir» zu publizieren. Mithin sei die Publikation den kommerziellen Interessen von Comparis zu verdanken. Nachdem dieser Vorwurf aber weder begründet noch belegt ist, tritt der Presserat nicht auf ihn ein.

3. a) Ziffer 3 der «Erklärung» lautet wie folgt: Sie veröffentlichen nur Informationen, Dokumente, Bilder und Töne, deren Quellen ihnen bekannt sind. Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen (…).

b) Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist der beanstandete Beitrag im Sinne von Ziffer 3 der «Erklärung» entstellt. «CASH» habe wesentliche Sachverhaltselemente, insbesondere die Gründe für die Haltung von «Bon à savoir» (geschäftsschädigende Vorwürfe von Comparis) weggelassen.

c) Die Beschwerdegegnerin wendet dazu ein, ein Kürzestbeitrag mit glossenhaftem Charakter könne komplexe Sachverhalte nicht umfassend beleuchten. Was in der Rubrik «Leute» abgedruckt werde oder nicht, sei nach wie vor allein durch die Redaktion von «CASH» und weder durch den Beschwerdeführer noch den Presserat zu bestimmen.

d) Der Presserat hat bereits in der Stellungnahme 1/1992 i.S. A. c. «Blick» darauf hingewiesen, dass eine einseitige redaktionelle Auswahl der Information nicht zum vorneherein gegen die Regeln der journalistischen Ethik verstösst. Generell kann aus der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» keine Pflicht zu objektiver Berichterstattung abgeleitet werden, weshalb auch eine einseitige und parteiergreifende Berichterstattung berufsethisch zulässig ist. Eine erhöhte journalistische Sorgfaltspflicht besteht allerdings dann, wenn in einem Medienbericht erhobene Vorwürfe geeignet sind, das Ansehen der Betroffenen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Diesfalls sind die Kritisierten mit den Vorwürfen zu konfrontieren und aus dem Medienbeitrag muss dann mindestens ersichtlich sein, ob sie die Vorwürfe bestreiten (Stellungnahme 4/96 i.S. U. c. «Beobachter»^, seither bestätigt u.a. in 3 und 9/97, 3, 7, 12 und 17/98, 18 und 23/99 sowie 23/00). Dies gilt auch für «leichte» Gefässe wie Klatschrubriken (Stellungnahme 8/98 i.S. M. c. «SonntagsZeitung»), also auch für die vorliegend betroffene Rubrik «Leute».

Abgesehen von einer allfälligen Pflicht zur Anhörung von Hans Räz – auf diese Frage wird weiter unten einzugehen sein – war «CASH» also berufsethisch nicht verpflichtet, seiner Leserschaft darzulegen, weshalb «Bon à savoir» im Herbst 2001 Inserate von Comparis weiterhin ablehnte.

Dass dies der Fall war und dass der Inseratablehnung ursprünglich eine Kritik der damaligen Schwesterzeitschrift «K-Tipp» zugrundelag, bestreitet Räz nicht. Er lässt auch «CASHS» Darstellung unwidersprochen, dass «K-Tipp»
– anders als «Bon a savoir» – inzwischen wieder Inserate von Comparis aufnimmt. Der Presserat hält deshalb die Ziffern 3 und 1 der «Erklärung» nicht für verletzt.

4. Gemäss Ziffer 7 sollen Journalistinnen und Journalisten die Privatsphäre der einzelnen Personen respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen.

b) Der Beschwerdeführer sieht eine Verletzung seiner Privatsphäre bereits im Umstand, dass über die Auseinandersetzung zwischen «Bon à savoir» und Comparis unter Bezugnahme auf seine Person berichtet wurde. Dazu habe sachlich keinerlei Anlass bestanden. Zudem habe er sich aus dem öffentlichen Leben praktisch zurückgezogen, weshalb man ihn kaum mehr als Person des öffentlichen Lebens bezeichnen könne. Es bestehe kein öffentliches Interesse, ihn mit Bild wiederzugeben. Hinzu komme, dass die im beanstandeten Beitrag an den Beschwerdeführer gerichteten Vorwürfe sachlich in keiner Weise gerechtfertigt seien. Der Vorwurf der Sturheit sei in diesem Zusammenhang als sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigung zu qualifizieren.

c) Die Beschwerdegegnerin hält dieser Argumentation entgegen, Hans Räz dürfe als Herausgeber eines auflagestarken Konsumentenmagazins, um dessen Verhalten gegenüber einem Inserenten es gehe, auch dann noch abgebildet werden, wenn er nicht mehr wie früher regelmässig den «Kassensturz» moderiere oder sich sonst ganz besonders aktiv hervortue. Der Bericht in «CASH» habe überdies nicht mit der richtig verstandenen Privatsphäre zu tun. Herr Räz werde auch nicht einfach ohne Anlass als «stur» bezeichnet. Als Herausgeber von «Bon à savoir» müsse sich der Beschwerdeführer die Entscheidung seines Publikationsorgans zurechnen lassen.

d) Soweit Hans Räz geltend macht, «CASH» habe mit dem beanstandeten Bericht der Pflicht zur Respektierung der Privatsphäre nicht Rechnung getragen, kann ihm nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer ist als Journalist und insbesondere als früherer Moderator einer äusserst populären Konsumentensendung einem breiten Publikum nach wie vor ein Begriff. Hinzu kommt, dass er – wenn auch in anderer Funktion – nach wie vor im Bereich der Konsumenteninformation tätig ist, einem Gebiet, bei dem es wie generell im Journalismus darum geht, Transparenz herzustellen. Wer aber mit dem Anspruch antritt, Angelegenheiten von öffentlichem Interesse publizistisch auszuleuchten, muss sich umgekehrt auch gefallen lassen, selber zum Gegenstand des Medieninteresses zu werden. Zudem ist die Namensnennung hier mit Räz’ beruflicher Tätigkeit verknüpft.

e) Die Bezeichnung eines Verhaltens als «stur» (gemäss Duden, Deutsches Universalwörterbuch: «nicht imstande, nicht willens sein, … etwas einzusehen; eigensinnig an seinen Vorstellungen … festhalten) muss nicht zwingend als Beleidigung gedeutet werden, ist doch gerade die darin auch enthaltene Komponente der «Geradlinigkeit» auch positiv besetzt. Hinzu kommt, dass die Bezeichnung «stur» vorliegend auf ein bestimmtes Ereignis bezogen ist, Räz also nicht generell als «stur» bezeichnet wird, sondern bloss seine Handlungsweise in einem bestimmten Fall. Eine solche Wertung bewegt sich gemäss der Praxis des Presserates aber jedenfalls dann im Rahmen der Freiheit des Kommentars und der Kritik, wenn der Leserschaft die dem Kommentar zugrundeliegenden Fakten offengelegt werden, die Kritik ein sachbezogenes Fundament hat (vgl. die Stellungnahme 3/98 i.S. S. c. NZZ). Vorliegend ist für die Leserschaft von «CASH» nachvollziehbar, dass der Autor der Kurzmeldung meint, für «Bon à savoir» sei – wie für «K-Tipp» – ein wesentlicher Grund der Aussperrung von Comparis offenbar inzwischen weggefallen. Unter diesen Umständen kann das für die Leserschaft erkennbare Werturteil («stur») jedenfalls nicht als «sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigung» im Sinne von Ziffer 7 der «Erklärung» gedeutet werden.

Der Vorwurf der «Sturheit» erscheint nach dem soeben Ausgeführten zudem nicht als derart schwer, dass «CASH» berufsethisch zwingend gehalten gewesen wäre, den Beschwerdeführer vor der Publikation anzuhören und seine Sicht der Dinge in die Kurzmeldung zu integrieren. Eine solche Anhörung hätte zwar zur Erhellung des Sachverhalts beigetragen und wäre dementsprechend auch aus Sicht des Publikums wünschbar gewesen. Auch das Format der Rubrik «Leute» mit seinen variablen Umfängen wäre dem nicht entgegengestanden. Der Autor hätte dennoch auf seiner Wertung beharren können. Doch auch wenn es für den Beschwerdeführer subjektiv ärgerlich sein mag, dass die der Kritik zugrunde liegenden Fakten von «CASH» verkürzt dargestellt worden ist, erscheint es objektiv nicht nachvollziehbar, inwiefern Ansehen und Ruf dadurch wesentlich beeinträchtigt worden sein sollten. Ebenso muss es sich Räz gefallen lassen, dass ein Kurzbericht einen Entscheid der Redaktion von «Bon à savoir» ihm als verantwortlichem Herausgeber zuordnet, selbst wenn er diesen offenbar lediglich in Vertretung der Redaktion gegen aussen zu vertreten hat.

III. Feststellung

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.