I. Sachverhalt
A. Am 9. Januar 2015 erschien in den Onlinepublikationen «Blick.ch» und «Blick am Abend» (nachfolgend «Blick») der Beitrag «Tweet sorgt für Irritation. SVPler will ‹moslemfreie Fluglinien›» zusammen mit einem Bild von Manuel Cadonau. In diesem Artikel berichtet Christoph Lenz, der Ostschweizer SVP-Blogger Manuel Cadonau habe einen islamfeindlichen Tweet abgesetzt und wolle das im Nachhinein als Satire verstanden haben. Das Attentat auf «Charlie Hebdo» habe eine weltweite Solidaritätswelle ausgelöst. Zunehmend versuchten Politiker aber, das Attentat für ihre Absichten auszunutzen. Neben einigen Reaktionen aus politischen Kreisen wird u.a. auch der folgende Kommentar Cadonaus auf Facebook erwähnt: «Nicht jeder Muslim ist ein potenzieller Attentäter – aber jeder könnte einer sein. Wann kommen moslemfreie Fluglinien.» Worauf TV-Kabarettist Gabriel Vetter Cadonau spontan den «Sonderpreis Halbschuh der Woche» verliehen habe. Cadonau habe daraufhin getwittert: «Wenn ihr dies ernst nehmt, tut nicht so als würdet ihr Satire verstehen.» Die Aussage entspreche «in keinster Weise» seiner persönlichen Meinung. «Hier wurde Satire aus dem Kontext gerissen.» Der Artikel endet mit dem Hinweis, auf eine Kontaktanfrage von «Blick.ch» habe SVP-Blogger Manuel Cadonau nicht reagiert.
Am folgenden Tag veröffentlichte «Blick.ch» unter dem Titel «Doch keine ‹moslemfreien Fluglinien›: SVP-Cadonau tut es jetzt leid» ein Interview mit Manuel Cadonau. Darin erklärt er, sein Facebook-Kommentar sei satirisch gemeint gewesen. Wegen der Ereignisse in Paris herrsche derzeit eine Situation, in der manche Leute alle Muslime unter Generalverdacht stellten. Das habe er ins Lächerliche ziehen wollen. Leider sei sein Kommentar jedoch völlig falsch rübergekommen. Dies auch, weil die Aussage zu moslemfreien Fluglinien aus dem Kontext gerissen worden sei. Zudem habe er den Post nur für seine Freunde freigegeben, welche ihn kennen und verstehen würden. Es tue ihm leid, wenn sich Leute durch diesen Post verletzt fühlten. Er könne nur beteuern, dass er das nicht so gemeint habe.
B. Am 20. Februar 2015 wandte sich der anwaltlich vertretene Manuel Cadonau mit einer Beschwerde an den Schweizer Presserat. Er macht geltend, der in «Blick» und «Blick am Abend» veröffentlichte Artikel habe bei einem aussenstehenden Leser den Eindruck entstehen lassen, er sei ein Rassist und wolle muslimische Mitbürger vom Flugverkehr ausschliessen. Tatsächlich habe er jedoch einen anderen Beitrag veröffentlicht, «moslemfreie Fluglinien» sei aus dem Zusammenhang gerissen worden, sodass eine ganz andere Botschaft übermittelt worden sei. Wörtlich habe er folgendes geschrieben: «Wer möchte noch in überfüllten Passagiermaschinen mit Muslimen fliegen? Nicht jeder Moslem ist ein potenzieller Attentäter – aber jeder könnte einer sein. Wann kommen moslemfreie Fluglinien.» Betrachte man den Beitrag als Ganzes, so sei eindeutig, dass er sich satirisch geäussert habe. Denn er habe die bekannte Tatsache, dass Fliegen nicht immer sehr angenehm sei, mit den aktuellen Ereignissen betreffend Terror islamistischer Extremisten verbunden und sich so über die mögliche Forderung einzelner Personen, muslimische Mitbürger getrennt reisen zu lassen, lustig gemacht. Selbst wenn man die Satire nicht erkennen wollte, so sei der Bericht des «Blick» dennoch falsch, fordere er doch gerade nicht «moslemfreie» Fluglinien, sondern frage sich, wann jemand fordern würde, nicht mehr mit Muslimen fliegen zu wollen. «Blick» beschränke sich darauf, eine politisch motivierte Kampagne gegen ihn zu führen, obwohl er nicht einmal Träger eines politischen Amtes und bloss Parteimitglied sei. «Blick» habe wohl bewusst darauf verzichtet, seinen, Cadonaus, Beitrag als Ganzes zu publizieren. Dadurch dass «Blick» seine Aussagen verkürzt, aus dem Zusammenhang gerissen und in Verbindung zu seiner Parteizugehörigkeit gebracht habe, sei Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») verletzt. Weiter sieht Cadonau eine Verletzung von Ziffer 5 der «Erklärung» darin begründet, dass der Autor am 10. Januar 2015 ein Interview mit dem Beschwerdeführer publizierte, um angeblich das «Missverständnis» zu klären. Darin sei keinesfalls eine Berichtigung zu erblicken, vielmehr wiederhole der «Blick» eine unwahre Tatsache. Cadonau macht zudem eine Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» (Privatsphäre) geltend. Es bestehe überhaupt kein öffentliches Interesse an der Berichterstattung über ihn. Er sei bloss Mitglied einer Partei und übe keine politische Tätigkeit aus, sei somit keine Person des öffentlichen Lebens. Ihn derart an den Pranger zu stellen, indem er mit Bild auf der ersten Seite des Internetauftritts von www.blick.ch als Hetzer dargestellt wurde, verletze seine Privatsphäre.
C. Am 27. April 2015 nimmt die «Blick»-Gruppe Stellung und beantragt, die Beschwerde von Manuel Cadonau abzuweisen. Im beanstandeten Artikel sei ein Social-Media-Beitrag von Manuel Cadonau zwar kritisch, aber fair aufgenommen worden. Dies, nachdem dieser auf Facebook und Twitter für heftige Diskussionen gesorgt hatte. Anders als in der Beschwerdeschrift dargestellt sei der Beitrag von Cadonau sowohl in der Printausgabe von «Blick am Abend» als auch in der Online-Version auf «blick.ch» in der Originalversion, d.h. im Kontext veröffentlicht worden. Hinzu komme, dass in den Artikeln von «Blick am Abend» und «blick.ch» ein Tweet von Manuel Cadonau erwähnt werde, in dem er sich noch am gleichen Tag gegen die Kritik von anderen Social-Media-Nutzern verwahrte. Seine Sicht sei somit in geeigneter Form im Artikel wiedergegeben. Leserinnen und Leser könnten sich ein objektives Bild machen, weshalb der Vorwurf, es seien wichtige Elemente unterschlagen worden, jeglicher Grundlage entbehre. Zudem habe die Redaktion am 9. Januar 2015 alles versucht, um beim Beschwerdeführer eine Stellungnahme zur Intention seines ursprünglichen Social-Media-Beitrags und zu den Vorwürfen im Social-Web einzuholen. Dazu seien mehrere Kontaktanfragen per Twitter-Direktnachricht versendet worden. Am gleichen Morgen habe die Redaktion mehrfach versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Leider habe sich Cadonau erst mit grosser Verspätung gemeldet, worauf ihm Gelegenheit geboten worden sei, seine Sicht in einem Interview dazulegen. Das gesamte Interview sei ihm zur Autorisierung vorgelegt worden, er habe es mit kleinen Änderungen autorisiert. Insofern habe es nichts zu berichtigen gegeben, der Vorwurf der Verletzung von Ziffer 5 sei damit haltlos. Die «Blick»-Gruppe sieht ausserdem das öffentliche Interesse als gegeben: So kurz nach den Ereignissen in Paris hätten die Medien über mögliche Folgen der Terroranschläge berichtet, aber auch über die Reaktionen in der Schweiz. Dazu gehöre es, in den sozialen Medien geäusserte Vorschläge von Politikern und politischen Aktivisten und Exponenten aufzugreifen und einzuordnen sowie öffentliche Debatten abzubilden. Die Beschwerdegegnerin sieht deshalb Ziffer 7 der «Erklärung» nicht verletzt. Manuel Cadonau habe sich nach seiner Kandidatur als Kantonsrat für die St. Galler SVP weiterhin als Verfasser von äusserst provokativen Blog-, Facebook- und Twitter-Beiträgen sowie Kommentaren auf Internetforen einen Namen gemacht. Aufgrund der Häufigkeit seiner Tweets und deren kämpferischer Inhalte gelte er innerhalb der Twitter-Gemeinde als Kampftwitterer. Es sei somit nicht so, dass er bisher alles daran gesetzt habe, seine Privatsphäre zu schützen.
D. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 1. Kammer zu, der Francesca Snider (Kammerpräsidentin), Michael Herzka, Pia Horlacher, Klaus Lange, Francesca Luvini, Casper Selg und David Spinnler (Mitglieder) angehören. Klaus Lange trat
von sich aus in den Ausstand.
E. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 21. Mai 2015 sowie auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Gestützt auf Ziffer 3 der «Erklärung» veröffentlichen Journalistinnen und Journalisten nur Informationen, Dokumente, Bilder und Töne, deren Quellen ihnen bekannt sind. Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen. Die Beschwerdegegnerin gibt Kernaussagen aus einem Facebook-Beitrag wieder und schliesst daraus für die Titelseite, dass der Beschwerdeführer «‹moslemfreie Fluglinien› will». Im Artikel vom 9. Januar 2015 wird ein massgeblicher Teil aus dessen Facebook-Beitrag wie folgt zitiert: «Nicht jeder Muslim ist ein potenzieller Attentäter – aber jeder könnt einer sein. Wann kommen moslemfreie Fluglinien.» Ausserdem wird über eine Forderung von SVP-Nationalrat Walter Wobmann in Bezug auf muslimische Flüchtlinge aus Irak und Syrien und über eine Mitteilung von Pegida Schweiz auf deren Facebookseite berichtet. Cadonau macht geltend, sein Beitrag sei aus dem Zusammenhang gerissen und zudem nicht als Ganzes wiedergegeben worden. Dass es sich dabei um eine Satire gehandelt habe, wäre bei Darstellung des ganzen Beitrags offensichtlich gewesen. Der vollständige Post lautet wie folgt: «Wer möchte noch in überfüllten Passagiermaschinen mit Muslimen fliegen? Nicht jeder Moslem ist ein potenzieller Attentäter – aber jeder könnte einer sein. Wann kommen moslemfreie Fluglinien.» Die «Blick»-Gruppe weist nach, dass der vollständige Beitrag Cadonaus auf «Blick.ch» veröffentlicht wurde. Selbst wenn man den ersten Satz seines Posts streicht, ist dessen Aussage nach wie vor verständlich. Von einem Unterschlagen wesentlicher Elemente kann deshalb nicht die Rede sein. Für den Presserat ist Cadonaus Verweis auf Satire nicht stichhaltig. Aufgrund früherer umstrittener Äusserungen des Beschwerdeführers in sozialen Medien musste die Redaktion nicht davon ausgehen, dass es sich um Satire handelte. Zudem: Wenn man Satire als solche «deklarieren» muss, ist es in der Regel keine. Dies belegt auch Cadonaus Hinweis, es sei ja bekannt, dass «Fliegen nicht immer sehr angenehm ist» aufgrund der «Platzverhältnisse in den Maschinen». Es ist nicht zu erkennen, inwiefern diese Aussage satirisch gemeint sein sollte.
Hinzu kommt, dass die Beschwerdegegnerin als Quellen transparent Facebook und Twitter-Einträge angibt und in ihren Artikeln zitiert. Sie dokumentiert damit eine laufende Kontroverse in den sozialen Medien. Eine Unterschlagung wichtiger Informationen liegt nicht vor, Ziffer 3 der «Erklärung» ist somit nicht verletzt.
2. Gemäss Ziffer 5 der «Erklärung» berichtigen Journalisten jede von ihnen veröffentlichte Meldung, deren materieller Inhalt sich ganz oder teilweise als falsch erweist. Der Beschwerdeführer macht geltend, im Artikel vom 10. Januar 2015 werde festgehalten: «‹Moslemfreie Fluglinien› forderte SVP-Mitglied Manuel Cadonau heute in einem Facebook-Post». Damit werde die eigentlich ehrverletzende Aussage nicht nur nicht korrigiert, sie werde darüber hinaus wiederholt und somit bestätigt. Das sei keine Berichtigung einer unwahren Tatsache, sondern eine Wiederholung derselben. Der Presserat liest diese Rüge des Beschwerdeführers so, dass die «Blick»-Gruppe die Aussage Cadonaus hätte berichtigen müssen, er fordere moslemfreie Fluglinien. Die vom Beschwerdeführer zitierte Passage stellt den Einleitungssatz zum Interview mit Cadonau dar. Daran schliesst sich der Satz an: «Ein grosses Missverständnis, sagt er jetzt. ‹Ich habe nichts gegen Muslime.›» Bereits im zweiten Satz der Einleitung zum Interview wird somit die Haltung des Beschwerdeführers zur beanstandeten Textpassage wiedergegeben. Zudem ist unbestritten, dass «Blick» versucht hat, Cadonau bereits für eine Stellungnahme zum Artikel vom 9. Januar 2015 zu erreichen. Am Folgetag erhielt Cadonau dann ausführlich Gelegenheit, seine Sicht in einem von ihm autorisierten Interview darzustellen. Er äussert darin sein Bedauern, wenn sein Beitrag als anti-islamisch «rübergekommen» sei. «Ich habe dies nicht ernst gemeint. Jeder Einzelne verarbeitet diese äusserst schwierige Situation nach dem Anschlag in Paris individuell.» Angesichts dieser Ausgangslage bestand kein Anlass für eine Berichtigung, Ziffer 5 der «Erklärung» ist somit nicht verletzt.
3. Ziffer 7 der «Erklärung» verlangt, dass Journalisten die Privatsphäre der einzelnen Personen respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Zu fragen ist somit, ob ein öffentliches Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung gegeben ist. «Blick» veröffentlichte die beiden Artikel unmittelbar nach dem Anschlag auf «Charlie Hebdo». Es war von öffentlichem Interesse, über die Reaktionen in der Schweiz zu berichten. Dazu gehören auch Diskussionen und Kontroversen, die in den sozialen Medien geführt werden. Der Beschwerdeführer äussert sich regelmässig zu politischen Themen, seine Facebook-Seite gleicht schon fast einem Blog. Er war Kantonsratskandidat seiner Partei. Das Wahlplakat und Fotos mit der SVP-Prominenz fanden sich zum Zeitpunkt der Kammersitzung des Presserats noch immer auf seiner persönlichen Homepage (https://www.manuelcadonau.ch/uber_mich.html). Unter diesen Vorzeichen ist nicht zu beanstanden, dass «Blick» samt Namensnennung über Cadonaus Äusserungen berichtete. Der Beschwerdeführer war bereit, ein Interview zu den von ihm zitierten Aussagen zu geben. Wäre ihm seine Privatsphäre wichtiger gewesen, hätte er dies wohl unterlassen. Dasselbe gilt auch in Bezug auf die Veröffentlichung seines Fotos. Dieses stammt aus der Debatte rund um die sogenannte Masseneinwanderungsinitiative und der Beschwerdeführer hatte es somit bereits vor der Verwendung durch den «Blick» öffentlich gemacht. Weder Namensnennung noch die Verwendung des Fotos
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. «Blick.ch» und «Blick am Abend Online» haben mit den Artikeln «Tweet sorgt für Irritation. SVPler will ‹moslemfreie Fluglinien›» vom 9. Januar 2015 und «Doch keine ‹moslemfreien Fluglinien›: SVP-Cadonau tut es jetzt leid» vom 10. Januar 2015 Ziffer 3 (Unterschlagen wichtiger Elemente von Informationen), Ziffer 5 (Berichtigung) und Ziffer 7 (Privatsphäre) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt, indem sie den Facebook-Post des Beschwerdeführers wiedergaben und dessen Name und Bild veröffentlichten.