Nr. 17/2001
Redaktionelle Verantwortung für Kolumnen

(S. c. «Metropol») Stellungnahme des Presserates vom 1. März 200

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I. Sachverhalt

A. Am 30. August 2000 veröffentlichte die Gratiszeitung «Metropol» eine Kolumne von SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli mit dem Titel «Das Niveau des Inders Rajiv». Ausgehend von dieser Satirefigur aus «Viktors Spätprogramm» von SF DRS kritisiert Mörgeli die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus, die neuerdings noch mehr Geld und mehr Beamte wolle. «Es wäre aber weder dieser famosen eidgenössischen Zensurbehörde noch irgendwelchen Staatsanwälten eingefallen, Viktor Giacobbo und SF DRS wegen fortgesetzter Beleidigung indischer Mitmenschen vor Gericht zu zerren.» Wenn solches erlaubt sei, dann gehe es aber auch nicht an, wenn «dieselbe Rassismuskommission über den Schnitzelbankvers einer Bäretswiler Fasnachtsklique Zeter und Mordio schreit. Offensichtlich gelten hier zu Lande für Giaccobo als linken Satiriker (…) ganz andere Gesetze als für möglicherweise bürgerlich gesinnte Fasnächtler aus dem Zürcher Oberland. Spätestens heute würde ich einen parlamentarischen Vorstoss zur Abschaffung der willkürlichen, einäugigen Rassismuskommission einreichen. Zum Glück habe ich dies bereits im letzten Dezember getan.»

B. In einer weiteren am 1. September 2000 in «Metropol» veröffentlichten Kolumne mit dem Titel «Der billige Bignasca-Reflex» thematisierte Mörgeli die aus seiner Sicht übertriebene Aufmerksamkeit, die die Medien und einzelne Politiker rechtsextremistischen Tendenzen widmeten. Wie habe doch das Politestablishment des Kantons Tessin auf der Lega und dessen Chef herumgehackt. «Allmählich kommt es nun an den Tag, dass manche der ach so feinen christdemomkratisch-frommen Tessiner Biedermänner so fein und fromm denn doch nicht waren, sondern sich mafiöse Schweinereien zuschulde kommen liessen, vor denen sich die Taten des Aussenseiters Bignasca geradezu als Kinderstreiche ausnehmen.» Gerade das Beispiel Bignascas zeige, dass diejenigen, die am meisten Lärm machten, nicht immer das reinste Gewissen hätten. «Möglicherweise wollen jene Politiker, die jetzt am meisten über den Rechtsextremismus lamentieren, mit ihrem moraltriefenden Gebaren von ihrem eigenen, recht langen Sündenregister ablenken.»

C. Am 23. Oktober 2000 reichte S., Beschwerde gegen die Redaktion von «Metropol» wegen der «Veröffentlichung von zerstörerischen Kolumnen des SVP-Nationalrates Ch. Mörgeli» ein. Mit ihrem Verhalten verstosse die Redaktion in gravierender Weise gegen die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», insbesondere gegen die Ziffern 1,5 und 8.

Als Beispiele unterbreitete er dem Presserat die oben unter A. und B. zusammengefasst wiedergegebenen Kolumnen zur Beurteilung. Der wahrheitswidrige Vergleich, den Christoph Mörgeli in der ersten Kolumne mit dem krass antijüdischen Fasnachtsvers aus Bäretswil mache, sei nicht akzeptabel. Die Kolumne trete die Menschenwürde in übler Weise mit Füssen. Und indem die Redaktion sie trotzdem veröffentliche, verstosse sie gegen die journalistische Berichtigungspflicht. In der zweiten Kolumne bringe Mörgeli Wirtschaftsdelikte in unakzeptabler Weise in die Nähe der «menschenunwürdigen Handlungsweise» von G. Bignasca. Zwar müssten Wirtschaftdelikte selbstverständlich auch verfolgt werden, doch gefährdeten diese die Werte der Menschlichkeit, Solidarität und der Demokratie nicht in gleichem Masse wie das Verhalten von G. Bignasca.

D. Das Präsidium des Presserats übertrug die Behandlung der Beschwerde der 3. Kammer, der Catherine Aeschbacher als Präsidentin, Esther Diener Morscher, Judith Fasel, Sigmund Feigel, Roland Neyerlin, Daniel Suter und Max Trossmann angehören.

E. In einer Stellungnahme vom 6. November 2000 wies der Chefredaktor von «Metropol», Ueli Haldimann, die Beschwerde als unbegründet zurück. «Metropol» publiziere jeden Tat eine Kolumne. Autoren seien verschiedene Persönlichkeiten, die ein breites politische Spektrum abdeckten. Christoph Mörgeli bilde in diesem Spektrum sozusagen die Rechtsaussenposition. Die anderen Kolumnistinnen und Kolumnisten seien mehrheitlich dem liberalen und linksliberalen Spektrum zuzuordnen. Es sei nichts Verwerfliches darin zu sehen, eine Person wie Christoph Mörgeli bei einer grossen Zeitung kolumnieren zu lassen. Immerhin gelte er als Vordenker der wählerstärksten Partei der Schweiz. Selbstverständlich achte die Redaktion von «Metropol» darauf, dass sich ihre Kolumnistinnen und Kolumnisten im Rahmen des Strafrechts und der landesüblichen Gepflogenheiten bewegten was Anstand und Menschenwürde betreffe.

F. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 1. März 2001 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Der Beschwerdeführer macht zu Recht nicht geltend, Christoph Mörgeli selber habe mit seinen Kolumnen die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt, sondern rügt vielmehr den aus seiner Sicht berufsethisch nicht korrekten Umgang der Redaktion von «Metropol» mit diesen Kolumnen. Der Presserat hat jüngst in einer Stellungnahme vom 2. November 2000 i.S. Demokratische Juristinnen und Juristen Luzern c. «Anzeiger Luzern» darauf hingewiesen, dass sich die berufsethische Verantwortung der Medienschaffenden auch auf die Bearbeitung von Kolumnen erstreckt. Ähnlich wie bei Leserbriefen ist jedoch bei Kolumnen eine Beschränkung der inhaltlichen Prüfung durch die Redaktion auf offensichtliche Verstösse gegen berufsethische Regeln angezeigt. Mit anderen Worten hatte die Redaktion von «Metropol» vor dem Abdruck der beiden Kolumnen lediglich zu prüfen, ob die in den Texten enthaltenen Fakten offensichtlich gegen die Wahrheitspflicht, die Pflicht zur Respektierung der Privatsphäre, das Gebot der Unterlassung sachlich nicht gerechtfertigter oder anonymer Anschuldigungen, die Menschenwürde oder das Gebot der Unterlassung diskriminierender Anspielungen usw. verstiess.

2. Demgegenüber ist es unter berufsethischen Gesichtspunkten nicht Aufgabe der Redaktion, die in einer Kolumne enthalten kommentierenden Wertungen einer dahingehenden Prüfung zu unterziehen, ob diese nach Auffassung der Redaktion «akzeptabel» seien oder nicht. Der Presserat hat in der angeführten Stellungnahme i.S. DJL Luzern c. «Anzeiger Luzern» festgehalten, dass es nicht Aufgabe der Medienschaffenden sein könne, aus ihrer Sicht inopportun erscheinende politische Diskussionen von vornherein zu unterdrücken. Dementsprechend macht die Redaktion von «Metropol» zu Recht geltend, dass sie sich in der Wahl ihrer Kolumnistinnen und Kolumnisten nicht einschränken lassen wolle.

3. Bei der Kolumne «Das Niveau des Inders Rajiv» vermag der Presserat keine offensichtliche Verletzung von berufsethischen Normen zu erkennen. Den Kern der Kolumne bildet die Kritik von Christoph Mörgeli an einem Urteil zur Antirassimusstrafnorm sowie an der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. Ungeachtet davon, ob eine Redaktion diese Kritik teilt oder nicht, ist es jedenfalls im Lichte der Kommentarfreiheit ohne weiteres zulässig, auch scharfe Kritik an Gerichtsurteilen und Behörden zu üben.

4. Ebensowenig kann bei der Kolumne «Der billige Bignasca-Reflex» von einer offensichtlichen Verletzung der Berufsethik die Rede sein, aufgrund derer die Redaktion redigierend hätte eingreifen müssen. Auch hier kann es unter berufsethischen Gesichtspunkten nicht angehen, einen aus Sicht der Redaktion allenfalls verfehlten Vergleich in einem kommentierenden Text von vornherein als unzulässig zu erklären und den Abdruck dieser Kolumne zu verweigern. Einzig bei der sehr weit gehenden und stark generalisierenden Formulierung wonach sich «manche» der «christdemokratisch-frommen Tessiner Biedermänner (…) mafiöse Schweinereien» hätten zuschulde kommen lassen, wäre es allenfalls angezeigt gewesen, wenn die Redaktion vor dem Abdruck der Kolumne mit dem Autor Rücksprache genommen und ihn
zu einer etwas zurückhaltenderen Wortwahl bewegt hätte.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen

2. Redaktionen sind in der Wahl ihrer Kolumnistinnen und Kolumnisten frei.

3. Die berufsethische Verantwortung der Medienschaffenden beschränkt sich bei der Bearbeitung von Kolumnen auf die Prüfung, ob diese offensichtliche Verstösse gegen berufsethische Regeln enthalten. Sie müssen jedoch nicht überprüfen, ob die darin enthaltenen wertenden Kommentierungen mit der Haltung der Redaktion übereinstimmen.