I. Sachverhalt
A. Am 17. August 2010 berichtete Maurice Thiriet im «Tages-Anzeiger» unter dem Titel «Die eingebildete Astronautin» über die Physiklehrerin X., die in zahlreichen Medien als «Nasa-Mitarbeiterin» und «angehende Astronautin» aufgetreten sei. Ein paar Telefonanrufe in den USA hätten jedoch klargemacht, dass X. alle an der Nase herumgeführt habe. Zwar sei sie sowohl 2009 und 2010 in Huntsville, USA gewesen. «Aber nicht am Nasa Education Center, sondern am U.S. Space and Rocket Center (Spacecenter). Das steht zwar auf dem gleichen Gelände wie das Nasa Marshall Space Flight Center, hat damit aber nicht viel zu tun. Das Spacecenter ist, wie das Verkehrshaus Luzern, eine Einrichtung, in der Schüler für die Naturwissenschaften begeistert werden sollen.» X. sei weder jetzt noch künftig, weder von der Nasa noch vom Spacecenter als Instruktorin angestellt gewesen. Vielmehr habe sie sich für den Sommerkurs als Volunteer instructor gemeldet und dafür keinen Lohn erhalten. Als «Steigbügelhalter für ihre kurze Karriere als Hochstaplerin» habe X. den von ihr 2009 gewonnenen jährlichen Wissenschaftswettbewerb des Staatssekretariats für Bildung und Forschung benützt.
Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» bezeichne X. heute alles als grosses Missverständnis. Man habe ihr immer gesagt, sie sei in einer Nasa-Einrichtung. Dass sie keine Anstellung und keinen Lohn erhalten habe, sei ein Visa-Problem. «Blick» und «20 Minuten» habe sie wiederholt darauf hingewiesen, sie nicht mit der Nasa in Zusammenhang zu bringen. «Es ist so viel geschrieben worden. Ich konnte das nicht mehr alles kontrollieren.»
B. Am 17. November 2011 reichte die anwaltlich vertretene X. beim Zivilgericht Zürich Ehrverletzungsklage gegen Maurice Thiriet und Unbekannt ein. Der Titel des Berichts vom 17. August 2011 («Die eingebildete Astronautin») unterstelle der Klägerin «den pathologischen Zustand der Schizophrenie». Zudem werde sie im Text als «Hochstaplerin» bezeichnet. Im weiteren beanstandet die Klage eine Reihe von Einzelaussagen des beanstandeten Berichts als unwahr. Dieser zeichne zudem auch in seiner Gesamtaussage ein falsches Bild der Klägerin.
C. Am 17. Februar 2011 beschwerte sich die wiederum anwaltlich vertretene X. beim Presserat gegen Maurice Thiriet und die Redaktion des «Tages-Anzeiger». Der Bericht vom 17. August 2011 verstosse gegen die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Quellenüberprüfung; Anhörung bei schweren Vorwürfen), 4 (Rechercheinterviews), 5 (Berichtigung) und 7 (Privatsphäre) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sowie gegen das der «Erklärung» zugrunde liegende Fairnessprinzip.
Der beanstandete Bericht enthalte nicht bloss mehrere Unwahrheiten, sondern zeichne insgesamt ein nachweislich falsches Bild der Beschwerdeführerin. Der Autor des Berichts habe unvollständig recherchiert und andere Medienberichte ohne Überprüfung wiedergekäut. Zudem habe ihr der Beschwerdeführer vor der Veröffentlichung zu wenig Zeit eingeräumt, um ihre Aussagen mittels Dokumenten zu belegen. Maurice Thiriet sei sich der Tragweite bewusst gewesen, die der Bericht für die Beschwerdeführerin haben würde und hätte deshalb besonders sorgfältig handeln müssen. Wegen des «negativen Medienrummels» nach Erscheinen des Berichts seien ihr die Stelle als Physiklehrerin an einer Kantonsschule sowie Sponsoringverträge gekündigt worden.
D. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.
E. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina, hat die vorliegende Stellungnahme per 29. April 2011 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gemäss Art. 10 Abs. 2 seines Geschäftsreglements kann der Presserat auch dann auf Beschwerden eintreten, wenn im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ein solches vom Beschwerdeführer noch anhängig gemacht werden soll. Vorauszusetzen ist allerdings, dass sich im konkreten Fall grundlegende berufsethische Fragen stellen.
2. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Beschwerde grundlegende berufsethische Fragen aufwirft, berücksichtigt der Presserat nicht allein die als verletzt gerügten abstrakten berufsethischen Bestimmungen, sondern den konkret zur Diskussion stehenden Sachverhalt in Verbindung mit diesen Bestimmungen. Ebenso fällt bei der durch den Presserat vorzunehmenden Interessenabwägung ins Gewicht, inwiefern es von der Bedeutung der Sache her gerechtfertigt erscheint, zu einem identischen oder zumindest ähnlichen Sachverhalt zwei parallele Verfahren durchzuführen. Beanstandet der Beschwerdeführer im parallel hängigen Gerichtsverfahren zu weiten Teilen die gleichen Punkte wie in der Presseratsbeschwerde, ist diese Doppelspurigkeit aus Sicht des Presserates in aller Regel nicht gerechtfertigt (Stellungnahmen 9/2010, 46/2007).
3. Die von der Beschwerdeführerin am 17. November 2010 eingereichte Ehrverletzungsklage, in der sie sich zudem ausdrücklich eine zivilrechtliche Schadenersatzklage vorbehält – beanstandet grösstenteils den gleichen Sachverhalt wie die Presseratsbeschwerde. Nach Auffassung des Presserats wirft die Presseratsbeschwerde vom 17. Februar 2011 darüber hinaus keine grundsätzlichen oder vom Presserat bisher noch nie behandelten neuen berufsethischen Fragen auf. Hinzu kommt, dass es in der Beschwerde zu wesentlichen Teilen um umstrittene Tatsachenbehauptungen geht, über die der Presserat – insbesondere auch weil ihm im Gegensatz zu einem staatlichen Gericht die dafür notwendigen prozessualen (Zwangs-)Mittel fehlen – keinen Beweis führen lässt (vgl. zuletzt die Stellungnahme 4/2011). Unter diesen Umständen erscheint die Durchführung zweier paralleler Verfahren nicht sinnvoll.
I. Sachverhalt
Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.