I. Sachverhalt
A. Am 21. Oktober 2007 berichtete Andreas Kunz in der «SonntagsZeitung» unter dem Titel «15 Monate Gefängnis. Ex-SVP-Politiker stiftete zum Raub an», das Bundesgericht habe gegen den ehemaligen Präsidenten der Parteisektion einer grösseren Schweizer Stadt eine Gefängnisstrafe von 15 Monaten bestätigt. Der Betroffene wurde namentlich genannt. Er sei 1992 Gründungspräsident der entsprechenden Stadtsektion gewesen und im Jahr 2002 in die Legislative der im Bericht genannten Stadt gewählt worden. Dort habe er allerdings noch vor der ersten Sitzung zurücktreten müssen. Heute arbeite der 69-Jährige als Taxichauffeur.
B. Am 31. März 2008 gelangte der im obengenannten Medienbericht namentlich genannte X. mit einer Beschwerde an den Presserat. Da er keine Person des öffentlichen Lebens (mehr) sei, verstosse die Namensnennung gegen Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalisten» (Privatsphäre). Zudem habe die «SonntagsZeitung» die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») verletzt, indem sie fälschlicherweise von Raub geschrieben habe. Dies obwohl aus dem öffentlich zugänglichen Bundesgerichtsurteil hervorgehe, dass er für Anstiftung zu Diebstahl und nicht wegen Raub verurteilt worden sei. Schliesslich hätte er angesichts der schweren Vorwürfe vor der Publikation angehört werden müssen (Richtlinie 3.8 zur «Erklärung»).
C. Am 25. April 2008 beantragte die durch den Rechtsdienst der Tamedia AG vertretene «SonntagsZeitung», es sei vom Beschwerdeführer eine Erklärung zu verlangen, ob er rechtliche Schritte gegen den beanstandeten Artikel unternehme. X. habe sich mit Schreiben vom 17. März 2008 an den Chefredaktor der «SonntagsZeitung» gewandt und eine Strafanzeige für den Fall angedroht, dass die «SonntagsZeitung» die von ihm geforderte Genugtuungssumme von CHF 1’000’000.00 nicht begleiche. Da die Beschwerdegegner die Zahlung des geforderten Betrags abgelehnt hätten, müsse mit rechtlichen Schritten des Beschwerdeführers gerechnet werden.
D. Am 6. Mai 2008 teilte der Beschwerdeführer dem Presserat mit, er habe bisher weder eine Straf- noch eine Zivilklage eingereicht. Wie die Erfahrung zeige, sei eine Beeinflussung eines späteren Gerichtsurteils durch eine Stellungnahme des Presserates ohnehin ausgeschlossen. «Falls der Presserat meine Beschwerde gutheissen würde, würde ich selbstverständlich mit der ‹SonntagsZeitung› zuerst eine gütliche Einigung suchen.»
E. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats werden Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt, vom Presseratspräsidium behandelt.
F. Das Presseratspräsidium bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina hat die vorliegende Stellungnahme per 5. September 2008 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. a) Gemäss Art. 10 Abs. 2 seines Geschäftsreglements kann der Presserat auch dann auf Beschwerden eintreten, wenn im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ein solches vom Beschwerdeführer noch anhängig gemacht werden soll. Vorausgesetzt ist in diesem Fall allerdings, dass sich im konkreten Fall grundlegende berufsethische Fragen stellen. Diese Bestimmung, die am 1. Juli 2008 – nach Eingang der Beschwerde von X. – in Kraft getreten ist, entspricht weitgehend dem bisherigen Art. 15 Abs. 2 und 3 des Geschäftsreglements.
b) Bereits in seiner jüngeren Praxis zu dieser Bestimmung war für den Presserat bei gleichzeitig hängigen Gerichts- und Presseratsverfahren in erster Linie massgebend, ob die Presseratsbeschwerde grundlegende berufsethische Fragen aufwirft (44/2006). Dabei berücksichtigt der Presserat nicht allein die als verletzt gerügten abstrakten berufsethischen Bestimmungen, sondern den konkret zur Diskussion stehenden Sachverhalt in Verbindung mit diesen Bestimmungen. Ebenso fällt bei der durch den Presserat vorzunehmenden Interessenabwägung aber ins Gewicht, inwiefern es von der Bedeutung der Sache her gerechtfertigt erscheint, zu einem identischen oder zumindest ähnlichen Sachverhalt zwei parallele Verfahren durchzuführen. Beanstandet der Beschwerdeführer im parallel hängigen Gerichtsverfahren weitgehend die gleichen Punkte wie in der Presseratsbeschwerde, ist diese Doppelspurigkeit aus Sicht des Presserates in aller Regel nicht gerechtfertigt (46/2007).
2. Vorliegend hat der Beschwerdeführer zwar noch kein Gerichtsverfahren anhängig gemacht. Aufgrund seines Verhaltens und seiner Äusserungen bestehen aber für den Presserat keine Zweifel daran, dass für den Beschwerdeführer die berufsethische Beurteilung des Sachverhalts durch den Presserat nicht im Vordergrund steht. Vielmehr geht es ihm mindestens ebenso darum, seine gegenüber der «SonntagsZeitung» geforderte Genugtuungssumme oder wenigstens einen Teil davon durchzusetzen; notfalls auf dem Rechtsweg. Darauf deutet insbesondere die Formulierung hin, wonach er im Falle einer Gutheissung der Presseratsbeschwerde vor einer Klageeinreichung zuerst Vergleichsverhandlungen mit der Beschwerdegegnerin aufnehmen werden.
Bei einer allfälligen Zivilklage wegen Verletzung der Persönlichkeit würden sich aber praktisch die gleichen Fragen stellen wie im Presseratsverfahren: Insbesondere: War die Nennung des vollen Namens des Beschwerdeführers und seiner Verurteilung durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt? Der Presserat sieht sich nicht als Erfüllungsgehilfen zur Durchsetzung von Forderungen. Zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen sind allein die staatlichen Gerichte zuständig. Entsprechend ist ein genügendes Interesse des Beschwerdeführers daran zu verneinen, dass sich vor dem vom Beschwerdeführer zumindest in Aussicht gestellten späteren Gerichtsverfahren vorgängig auch der Presserat mit den gleichen Beanstandungen auseinandersetzt.
III. Feststellung
Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.