I. Sachverhalt
A. Am 8. September 2015 erschien auf «bazonline», der Online-Ausgabe der «Basler Zeitung», ein als Kommentar gekennzeichneter Artikel mit dem Titel «Deutsche Gründlichkeit». Der Untertitel lautet: «Flüchtlinge damals und heute. Erinnerungen an die deutsche Politik während des Zweiten Weltkriegs». Der Kommentar von David Klein befasst sich mit der Rede Angela Merkels vom 31. August 2015 betreffend die Flüchtlingskrise; Merkel hatte darin u.a. festgehalten, mit «deutscher Gründlichkeit» sei ihr nicht beizukommen. Klein stellt die Rede in Zusammenhang mit einer Epoche, in der Europa schon einmal vor der Herausforderung gestanden sei, Menschenmassen durch Subkontinente zu «bewegen». Der Autor berichtet von den Deportationen der Juden im Dritten Reich und macht dabei wiederholt Verbindungen zur heutigen Situation: So sei Adolf Hitler der Vorgänger von Angela Merkel gewesen. Mehrmals wendet er den von ihr gebrauchten Ausdruck «deutsche Gründlichkeit» auf die von Adolf Hitler begangenen Taten an. Allerdings sei den «umgesiedelten» Juden keine Sozialhilfe in Aussicht gestellt worden, sondern diese hätte ihr ganzes Vermögen an den deutschen Staat verloren. Für «Merkels Amtskollegen Hitler» sei die «Menschenwürdigkeit» des durch ganz Europa beförderten Transportguts zugegebenermassen nicht von Belang gewesen, was den reibungslosen Ablauf des Vernichtungsfeldzugs gegen die europäischen Juden erheblich erleichtert habe. Und auch mit der «Integration» der «fremdvölkischen Personen» hätte sich der Führer nicht herumschlagen müssen: Die «zur Abwanderung gebrachten» Juden seien bei ihrer Ankunft im «Ausland» an Ort und Stelle umgebracht worden.
B. Am 11. September 2015 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel der «bazonline» ein. Er rügt die Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»). Der Artikel transportiere ausser Plattitüden und Diffamierungen keine Wahrheit oder wenn, dann eine, die nur dem Verfasser bekannt sei, was gegen das Recht der Öffentlichkeit verstosse, die Wahrheit zu erfahren. Weiter macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» geltend. Der Journalist unterschlage zwar nichts, ziehe aber Schlüsse, welche die Wahrheit entstellten, sowohl die historische wie die aktuelle. Schliesslich rügt er die Verletzung der Ziffer 8 der «Erklärung», denn der Artikel vermische in unqualifizierter Weise die aktuelle Flüchtlingssituation mit den Verschleppungen im Dritten Reich. Damit diffamiere und verletze er die Würde der Opfer des NS-Regimes, der heutigen Flüchtlinge und deren Helfer sowie von Kanzlerin Angela Merkel. Der Autor ziehe zudem Schlüsse und Vergleiche, die historisch so nicht haltbar seien. Der Artikel habe eine stark herabsetzende Tendenz und diene einzig und allein der Stimmungsmache. Der Beschwerdeführer anerkennt, dass der Autor sich antideutsch und auch gegen die Flüchtlinge äussern dürfe, jedoch habe auch die Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit gewisse Grenzen.
C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.
D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 27. Dezember 2016 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gemäss Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.
2. Bei dem Artikel «Deutsche Gründlichkeit» handelt es sich um einen – klar so gekennzeichneten – Kommentar. Gemäss Praxis des Presserats braucht der Meinungskommentar grossen Freiraum, denn die Kommentarfreiheit schützt das Bedürfnis nach individueller Entfaltung und dient dem politischen Diskurs. Doch auch der Kommentarfreiheit sind Grenzen gesetzt. So dürfen unter anderem Tatsachen nicht entstellt werden und Privatsphäre sowie Menschenwürde müssen gewahrt bleiben.
Der Beschwerdeführer bringt nicht überzeugend vor, inwiefern Tatsachen entstellt worden seien (Ziffer 3 der «Erklärung») bzw. gegen das Wahrheitsgebot (Ziffer 1 der «Erklärung») verstossen worden sei. Autor David Klein berichtet über die Deportation der Juden im Dritten Reich und zeigt dabei zwar gewisse Parallelen auf – jedoch setzt er sie nicht mit der aktuellen Flüchtlingssituation gleich und verbreitet – soweit ersichtlich – auch keine Unwahrheiten. Er bewegt sich somit im Rahmen der Kommentarfreiheit.
Der Schutz der Menschenwürde ist in Ziffer 8 der «Erklärung» näher umschrieben. Danach ist in der Berichterstattung auf diskriminierende Anspielungen zu verzichten, welche die ethnische oder nationale Zugehörigkeit, die Religion, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, Krankheiten sowie körperliche oder geistige Behinderung zum Gegenstand haben. Die Grenzen der Berichterstattung über Kriege, terroristische Akte, Unglücksfälle und Katastrophen liegen dort, wo das Leid der Betroffenen und die Gefühle ihrer Angehörigen nicht respektiert werden. Obwohl der Autor im selben Artikel über die Deportation der Juden im Dritten Reich und über die aktuelle Flüchtlingssituation berichtet, stellt dies allein noch keine Verletzung der Menschenwürde der betroffenen Personen dar. Auch wird keine Person mit Adolf Hitler gleichgesetzt. Im Artikel heisst es zwar, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei eine Nachfolgerin von Adolf Hitler, dies bezieht sich aber nicht auf ihre politischen Entscheidungen, sondern ist in Bezug auf ihre politische Position als Regierungschefin zu verstehen. Auch die mehrfache Wiederholung von Merkels Ausdruck «deutsche Gründlichkeit» im Zusammenhang mit Adolf Hitlers Gräueltaten stellt noch keine Verletzung von Merkels Menschenwürde dar. Der Autor stellt einen gewissen Bezug zwischen Merkels Wortwahl und Hitlers Vorgehen her, doch bedeutet dies nicht, dass er die beiden Vorgehensweisen gleichsetzt. Bei dem Artikel handelt es sich um einen provokativ formulierten Kommentar. Eine Verletzung von Ziffer 8 der «Erklärung» vermag er offensichtlich nicht zu begründen.
III. Feststellung
Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.