I. Sachverhalt
A. In ihrer Ausgabe vom 8. Juli 2005 kündigte die «Weltwoche» auf der Titelseite ein Interview mit Niki Lauda wie folgt an: «ÐStewardessen sollten Minirock tragen. Oder nichts.? Ein Gespräch mit Niki Lauda über Luft und Liebe. Von Lukas Hässig und Christian Seiler.» Das Zitat stützte sich auf folgende Passage des Interviews: Frage «Weltwoche»:«Die Flugbegleiterinnen (beim Fly Niki-Flug von Zürich nach Wien) taten uns ein bisschen Leid, sie stecken in silbrigen Überziehkleidern.» Antwort Lauda: «Ja, die Frauen wirken zu voluminös, weil sie unter den Mänteln anziehen dürfen, was sie wollen. Am besten sieht es natürlich aus, wenn sie Miniröcke tragen oder gar nichts.»
B. Mit Beschwerde vom 28. September 2004 gelangte die Vereinigung des Kabinenpersonals, Kapers, an den Presserat und rügte, die «Weltwoche» habe mit ihrer reisserischen und sexistischen Schlagzeile «Stewardessen sollten Minirock tragen. Oder nichts» die Ziffern 3 (Unterschlagung wichtiger Informationen) und 8 (Diskriminierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Die «Weltwoche» habe mit der Lösung der Aussage von Niki Lauda aus dem Interviewzusammenhang und der verkürzten Wiedergabe wichtige Elemente der Information unterschlagen und zudem die Würde der Frau sowie den Berufsstand des Kabinenpersonals in unnötiger Weise herabgesetzt.
C. Mit Stellungnahme vom 28. September 2004 wiesen Chefredaktor Simon Heusser und Autor Lukas Hässig, die Beschwerde namens der Redaktion der «Weltwoche» als unbegründet zurück. Es treffe zwar zu, dass die Leserschaft allein aufgrund des Titels nicht wissen konnte, dass sich Laudas Aussage auf die Bekleidungsform unter den Overalls bezog. Diese Zusatzinformation habe die «Weltwoche» weggelassen, weil Titel kurz und prägnant sein müssten und zudem zum Lesen animieren sollten. Dabei sei keinesfalls beabsichtigt gewesen, mit dieser Titelgebung die Würde des weiblichen Kabinenpersonals zu verletzen.
D. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.
E. Am 8. Oktober 2004 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium, bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher behandelt.
F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 1. April 2005 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Ziffer 3 der «Erklärung» auferlegt den Journalistinnen und Journalisten die Pflicht, keine wichtigen Elemente von Informationen zu unterschlagen. Diese berufsethische Pflicht gilt bei allem Verständnis für die Notwendigkeit journalistischer Prägnanz auch für Titel und Aushänge. Der Presserat hat in der Stellungnahme 32/2000 darauf hingewiesen, dass die «Verkürzung von strafrechtlichen Vorwürfen zu Tatsachen in Titel und Lead von Medienberichten, die einen Sachverhalt verfälscht, statt ihn auf den Punkt zu bringen» selbst dann unzulässig ist, wenn der Inhalt des Medienberichts sie relativiert. «Denn bei unzulässigen Zuspitzungen erhält derjenige Teil des Publikums, der einen Medienbericht nur flüchtig zur Kenntnis nimmt, einen nicht den Tatsachen entsprechenden Eindruck.»
2. Die Leserschaft der «Weltwoche», die bloss den Titel, nicht aber das Interview las, konnte aufgrund des Wortlauts den unzutreffenden Eindruck erhalten, gemäss Niki Lauda sollten seine weiblichen Flight Attendents am besten mit Minirock bekleidet oder nackt arbeiten. Trotz dieser entstellenden Zuspitzung verneint der Presserat unter inhaltlichen Gesichtspunkten eine Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung». Denn es ist unwahrscheinlich, dass das Publikum eine derart flapsige, allenfalls dümmliche Aussage zum Nennwert nahm. Formal zu beanstanden ist hingegen, dass die «Weltwoche» über die inhaltlich nicht korrekte Zuspitzung hinaus die Verkürzung auch noch als Zitat kennzeichnete. Allerdings wäre es unverhältnismässig, allein daraus eine Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» (Entstellung von Informationen) abzuleiten. Es wäre aber korrekt gewesen, die Anführungszeichen als Kennzeichen eines Zitats mit Wahrheitsanspruch wegzulassen.
3. Den von Kapers darüber hinaus erhobene Vorwurf der Verletzung von Ziffer 8 der «Erklärung» (Diskriminierung) weist der Presserat ab. Er hat bereits in der Stellungnahme 32/2001 darauf hingewiesen, dass das Verbot diskriminierender Anspielungen nicht ausdehnend interpretiert werden darf. Die Meinungsäusserungsfreiheit gebietet auch bei Vorwurf der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, nicht immer den Massstab einer strengen «sexual correctness» anzulegen. Wie oben unter Ziffer 2 der Erwägungen ausgeführt, erscheinen weder die tatsächliche Aussage von Niki Lauda noch die verfälschende Zuspitzung durch die «Weltwoche» als schwerwiegende, ernstzunehmende Äusserungen. Dementsprechend sind sie ebensowenig als erhebliche, berufsethisch zu rügende Herabwürdigung des weiblichen Geschlechts zu bewerten.
III. Feststellung
Die Beschwerde wird abgewiesen.