Nr. 6/2002
Diskriminierungsverbot

(VEV DAJ c. «Baslerstab» etc.) Stellungnahme des Presserates vom 15. Februar 2002

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I. Sachverhalt

A. Mit Schreiben vom 11. September 2001 machte der Verband der Eltern- und Angehörigen-Vereinigungen Drogenabhängiger (VEV DAJ) den Presserat darauf aufmerksam, «dass immer noch verschiedene Journalistinnen und Journalisten in vielen Medien» gegen die Ziffern 7 und 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen würden. Ausdrücke wie «Junkie, Fixer und Drögeler» seien diskriminierend und würden sowohl drogenabhängige Menschen wie deren Angehörige massiv beleidigen.

B. Am 12. September 2001 wies das Presseratssekretariat die VEV DAJ darauf hin, der Presserat werde nicht auf blosse «Anzeige» hin tätig, wenn dem «Anzeiger» eine Beschwerde ohne weiteres möglich sei. Es forderte die VEV DAJ deshalb auf, gegebenenfalls anhand konkreter Medienberichte eine Beschwerde zu formulieren.

C. Mit Schreiben vom 3. Oktober und 19. November reichte die VEV DAJ dem Presserat zahlreiche Beispiele aus verschiedenen Schweizer Medien («Baslerstab», «Tages-Anzeiger», «Schaffhauser Nachrichten», «Berner Zeitung», «Blick» und «Basler Zeitung») ein und machte geltend, die genannten Zeitungen hätten mit Titeln und Formulierungen wie «Mehr Junkies denn je», «Nur bei einzelnen Gruppe wie Alkoholabhängigen, Kiffern und Junkies …», «Präsident ehemaliger Junkies», «Drögeler-Namen waren geändert», «Drögeler biss Polizisten ins Bein», «Drögeler gestand 13 Delikte», «Fixer brauchte Geld» usw. die Ziffern 7 und 8 der «Erklärung» verletzt.

D. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 15. Februar 2002 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Die Beschwerde betrifft die Ziffern 7 (Respektierung der Privatsphäre) und 8 (Diskriminierungsverbot) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten».

2. Von einer Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» kann von vornherein offensichtlich deshalb nicht die Rede sein, weil die von der Beschwerdeführerin eingereichten konkreten Beispiele bzw. die Anwendung der von ihr kritisierten Termini in diesen Fällen in keinem Zusammenhang zur zu respektierenden Privatsphäre von einzelnen Individuen stehen.

3. a) Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus ohne nähere Begründung geltend macht, die Verwendung von Termini wie «Drögeler», «Junkie», «Fixer» zur generalisierenden Bezeichnung von Drogenabhängigen sei im Sinne von Ziffer 8 der «Erklärung» diskriminierend, ist die Beschwerde ebenso als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

b) Gemäss Ziffer 8 der «Erklärung» ist in der Berichterstattung u.a. auf diskriminierende Anspielungen zu verzichten, die Krankheiten zum Gegenstand haben. Gemäss der am 9. November 2001 revidierten Richtlinie 8.2. zur «Erklärung» dürfen solche Angaben nur gemacht werden, wenn sie für das Verständnis unerlässlich sind.

c) Der Presserat hat in seiner Stellungnahme 32/2001 i.S. A. c. «NZZ-Folio» darauf hingewiesen, dass die abwertende Äusserung eine Mindestintensität erreichen muss, um als herabwürdigend oder diskriminierend zu gelten. Nur dann verletzt sie Ziffer 8 der «Erklärung».

d) Der Presserat vermag zwar nachzuvollziehen, wenn einzelne Drogenabhängige oder deren Angehörige die Verwendung der beanstandeten Termini aus ihrer subjektiven Sicht als abwertend empfinden. Bei einer objektivierten Betrachtungsweise kann aber keine Rede davon sein, dass jemand, der harte Drogen konsumiert und deshalb in den Medien als «Junkie», «Fixer» oder «Drögeler» bezeichnet wird, schon deswegen in seiner Würde als Mensch nicht mehr respektiert würde oder dass damit eine gesellschaftliche Gruppe von Suchtkranken in sachlich nicht gerechtfertigter Weise erheblich herabgesetzt würde. Vielmehr ist gerade in den von der Beschwerdeführerin eingereichten konkreten Beispielen davon auszugehen, dass es aufgrund des eingebürgerten Sprachgebrauchs für das Verständnis der Leserschaft keinen wesentlichen Unterschied ausmacht, ob ein Heroinkonsument in einem Medienbericht als «Drogenabhängiger» oder mit einem von der Beschwerdeführerin gerügten Termini beschrieben wird. Leserinnen und Leser entnehmen der Verwendung dieser Termini in erster Linie den unbestreitbaren Informationsgehalt, wonach die betreffende Person harte Drogen konsumiert. Nicht zu übersehen ist, dass auch Drogenabhängige selber oft in diesen Ausdrücken übereinander reden.

Gemäss der bereits erwähnten Stellungnahme 32/2001 darf das Verbot diskriminierender Anspielungen nicht derart ausdehnend interpretiert werden, dass die Medien immer einer strengen «sexual» oder «political correctness» Rechnung zu tragen hätten. Zwar gehört es auch zu den Aufgaben des Presserates, sich nötigenfalls für eine sprachliche Sensibilisierung der Medienschaffenden einzusetzen. Dabei darf von einem Organ der berufsethischen Selbstkontrolle aber nicht erwartet werden, dass es als «Medien-Sprachpolizei» für sämtliche Themenbereiche die Grenze zwischen zulässigem und unzulässigem Sprachgebrauch zieht. Vielmehr sind entsprechende Empfehlungen lediglich zurückhaltend und jedenfalls nur dort angezeigt, wo ein verbreiteter Sprachgebrauch anders als im vorliegenden Fall zu einer Diskriminierung von Individuen oder einer Gruppe führen kann.

III. Feststellung

Die Beschwerde wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.