I. Sachverhalt
A. Die «Gipfel Zytig» publizierte in ihrer Ausgabe vom 26. September 2014 unter der Rubrik «Hitsch Bärenthalers Schnellschüsse» folgenden Text: «Zum Thema Rassismus u.a.: ‹Mama, was ist eigentlich Demokratie und was ist Rassismus?›, fragt ein junger Asylbewerber neugierig seine Mutter. ‹Also, mein Sohn: Demokratie ist, wenn der Steuerzahler jeden Tag arbeitet, damit er uns helfen kann, dass wir alle hier gratis wohnen können, Krankenkasse-Unterstützung erhalten sowie gratis Essen und Taschengeld bekommen. – Das, mein Sohn, ist die wahre Demokratie!› ‹Aber Mutter, wird der Steuerzahler dabei nicht sauer auf uns?› ‹Das schon mein Sohn, aber das wäre dann schon Rassismus!›»
B. Am 13. Oktober 2014 reichte X. als Vertreter der IG offenes Davos Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er bezieht sich auf Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»), wonach Journalisten in der Berichterstattung auf diskriminierende Anspielungen, welche die ethnische oder nationale Zugehörigkeit zum Gegenstand haben, verzichten. Zudem sei laut der Richtlinie 8.2 (Diskriminierung) zu beachten, dass derartige Angaben bestehende Vorurteile gegen Minderheiten verstärken könnten. Der Text «Zum Thema Rassismus u.a.» würdige sowohl die Demokratie wie auch das Asylrecht herab. Der «Witz» gehe pauschal auf Kosten aller Asylbewerberinnen und -bewerber. Er schüre die Ablehnung jeder Sorge des Staates um sie. Zudem mache er sich mit der Pointe über den Begriff Rassismus lustig und wecke den Eindruck, es handle sich dabei um ein Kavaliersdelikt und nicht um ein Offizialdelikt. Unter dem Deckmantel der Satire verallgemeinere der Text negative Werturteile gegenüber Minderheiten. X. verweist auf die Verurteilung des Verlegers/Redaktors der Zeitung wegen Verstosses gegen die Rassismusstrafnorm durch die Staatsanwaltschaft Graubünden vom 25. Juni 2013.
C. Am 17. Oktober 2014 ging beim Presserat eine Ergänzung der Beschwerde ein. Ein weiterer «Witz», der in der «Gipfel Zytig» vom 16. Oktober 2014 publiziert wurde, zeige, dass es sich nicht um einzelne Ausrutscher der «Gipfel Zytig» handle, sondern darum, dass Minderheiten bewusst und systematisch verunglimpft würden. Der Wortlaut des ebenfalls in der Rubrik «Hitsch Bärenthalers Schnellschüsse» veröffentlichten Textes lautet: «Wer kann mir helfen??? Die haben mir meine ehrlich ausgefüllte Steuererklärung wieder zurückgeschickt!!! Als Antwort auf Frage 21: ‹Ernähren/unterhalten Sie neben sich selbst noch andere Personen?›… Da habe ich wahrheitsgetreu geantwortet: ‹Ja› mit dem Kommentar: – 185’000 illegale Immigranten; – 236’000 Arbeitslose und Arbeitsscheue;
– 42’000 Inhaftierte in über 27 Gefängnissen; – über 400’000 Asylanten und letztendlich auch noch alle Deppen in unserem Parlament. Scheinbar war das keine akzeptable Antwort!!! Aber wen zum Kuckuck habe ich denn bloss vergessen???» Unter dem Deckmantel der Satire verallgemeinere auch dieser Text die negativen Werturteile gegenüber Minderheiten. So würden illegale Immigranten, Arbeitslose, Sträflinge und Asylsuchende für die suggerierte Misere der betrogenen, dummen rechtschaffenen Schweizer verantwortlich gemacht und auch hier wiederum die Ablehnung jeder Sorge des Staats um sie geschürt. Besonders stossend sei, dass für den Artikel falsche Zahlen verwendet würden. Der Presserat habe in der Stellungnahme 8/1996 festgehalten, die Fakten, von denen Satire ausgehe, müssten stimmen. Lügen blieben Lügen, auch wenn sie als Satire deklariert würden.
D. Am 26. März 2015 teilte der Presserat dem Beschwerdeführer mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider sowie Vizepräsident Max Trossmann.
E. Das Presseratspräsidium hat die ursprüngliche Stellungnahme per 4. Mai 2015 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
F. Mit Schreiben vom 30. Mai 2015 machte der Beschwerdeführer den Presserat darauf aufmerksam, dass er sich in seiner Stellungnahme nicht mit der Rüge der Verletzung der Wahrheitspflicht befasst hat und bat ihn, auf seinen Entscheid zurückzukommen und auch die journalistische Wahrheitspflicht zu berücksichtigen. Der Presserat kam diesem Antrag nach und bat die «Gipfel Zytig», zu diesem Punkt Stellung zu nehmen. Die «Gipfel Zytig» verzichtete auf eine Stellungnahme.
G. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende, revidierte Stellungnahme per 7. April 2017 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, mit den Texten «Zum Thema Rassismus u.a. (…)» sowie «Wer kann mir helfen??? (…)» würden Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder nationalen Gruppe diskriminiert. Nach der Praxis des Presserats zum Diskriminierungsverbot gilt eine Anspielung als diskriminierend, wenn ein Medienbericht durch eine unzutreffende Darstellung das Ansehen einer geschützten Gruppe beeinträchtigt und die Gruppe kollektiv herabwürdigt. Vorliegend sind beide Texte als «humoristische» Texte erkennbar. Beide basieren zudem auf Pauschalisierungen. Zu fragen ist, ob diese Pauschalisierungen mit einer Herabwürdigung der genannten Gruppen verbunden sind. Abwertende Äusserungen gegen eine Gruppe oder ein Individuum müssen eine Mindestintensität erreichen, um als herabwürdigend oder diskriminierend zu gelten (Stellungnahme 48/2013). Dies ist vorliegend zu verneinen. Die «Witze» diskriminieren keine der genannten Gruppen von Menschen. Wohl aber enthalten sie wertende Meinungsäusserungen über die Begriffe Demokratie, Steuerfragen und Rassismus unter Anspielung auf Asylsuchende, illegale Immigranten, Arbeitssuchende, Inhaftierte und Parlamentarier. Zwar lässt sich sehr wohl darüber streiten, ob die beiden «Witze» lustig bzw. geschmacklos sind oder nicht. Der Presserat äussert sich jedoch nicht zu Geschmacksfragen (Stellungnahmen 27/2006, 77/2012). Eine Verletzung von Ziffer 8 der «Erklärung» bzw. der zugehörigen Richtlinie 8.2 liegt demnach nicht vor.
2. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, der am 16. Oktober 2014 veröffentlichte «Witz» «Wer kann mir helfen (…)» gehe von falschen Zahlen aus, weshalb eine Verletzung von Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) vorliege. Konkret geht es um folgende Zahlen: 185’000 illegale Immigranten; 236’000 Arbeitslose und Arbeitsscheue; 42’000 Inhaftierte in über 27 Gefängnissen; über 400’000 Asylanten. Allein die Zahl von 400’000 Asylbewerbern würde bedeuten, dass in etwa jeder 20. Einwohner der Schweiz ein Asylbewerber ist. In Bezug auf die Inhaftierten wäre zudem jeder 200. Einwohner der Schweiz inhaftiert. Bereits ein einfacher Plausibilitätscheck mache deutlich, dass diese Zahlen jeder Grundlage entbehrten. Was die Zahl von in der Schweiz lebenden Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung betreffe, so seien genaue Angaben naturgemäss unmöglich.
In seiner grundlegenden Stellungnahme 8/1996 «Medienethische Grenzen satirischer Medienbeiträge» hatte sich der Presserat u.a. zur Frage der Vereinbarkeit von Satire und berufsethischer Wahrheitspflicht geäussert und festgehalten, dass auch für die Satire in den Medien die berufsethische Wahrheitspflicht gilt. Dieser Grundsatz müsse allerdings für die Satire aufgrund ihrer speziellen Art interpretiert werden. Er schliesse Übertreibungen und Verfremdungen, die zum Wesen der Satire gehören, nicht aus, jedoch müssten die Fakten stimmen, von denen die Satire ausgeht. Der materielle Kern (nicht die Verzerrung oder Übertreibung) der Satire müsse den Tatsachen entsprechen, ebenso wie die Kritik mittels einer demaskierenden Differenz zwischen Sein und Schein auf sorgfältig recherchierten Erkenntnissen basieren müsse. Grundsätzlich ist es nicht Sache des Presserats, eigene Untersuchungen zu den im Witz genannten Zahlen vorzunehmen. Allerdings legen allein Plausibilitätsüberlegungen nahe, dass die genannte Zahl von 400’000 Asylbewerbern um ein Vielfaches zu hoch ist. Zudem entspricht es der Natur der Sache, dass sich genaue Zahlen über in der Schweiz lebende Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung nicht nennen lassen. Zu fragen ist deshalb, ob die dem Witz zugrunde gelegten Fakten bzw. Zahlen eine Verzerrung oder Übertreibung darstellen oder den materiellen Kern der Fakten betreffen. Mit Zahlen werden Fakten dargestellt, weshalb der Presserat zur Ansicht kommt, dass vorliegend der materielle Kern der Satire nicht mehr den Tatsachen entspricht. Die in Ziffer 1 der «Erklärung» statuierte Wahrheitspflicht ist somit verletzt.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2. Die «Gipfel Zytig» hat Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» dadurch verletzt, dass die einem «Witz» zugrunde liegenden Zahlen nicht den Tatsachen entsprechen.
3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen. Die «Gipfel Zytig» hat Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Diskriminierung) nicht verletzt.
Alte Stellungnahme vom 4. Mai 2015:
I. Sachverhalt
A. Die «Gipfel Zytig» publizierte in ihrer Ausgabe vom 26. September 2014 unter der Rubrik «Hitsch Bärenthalers Schnellschüsse» folgenden Text: «Zum Thema Rassismus u.a.: ‹Mama, was ist eigentlich Demokratie und was ist Rassismus?›, fragt ein junger Asylbewerber neugierig seine Mutter. ‹Also, mein Sohn: Demokratie ist, wenn der Steuerzahler jeden Tag arbeitet, damit er uns helfen kann, dass wir alle hier gratis wohnen können, Krankenkasse-Unterstützung erhalten sowie gratis Essen und Taschengeld bekommen. – Das, mein Sohn, ist die wahre Demokratie!› ‹Aber Mutter, wird der Steuerzahler dabei nicht sauer auf uns?› ‹Das schon mein Sohn, aber das wäre dann schon Rassismus!›»
B. Am 13. Oktober 2014 reichte X. als Vertreter der IG offenes Davos Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er bezieht sich auf Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», wonach Journalisten in der Berichterstattung auf diskriminierende Anspielungen, welche die ethnische oder nationale Zugehörigkeit zum Gegenstand haben, verzichten. Zudem sei laut der Richtlinie 8.2 (Diskriminierung) zu beachten, dass derartige Angaben bestehende Vorurteile gegen Minderheiten verstärken könnten. Der Text «Zum Thema Rassismus u.a.» würdige sowohl die Demokratie wie auch das Asylrecht herab. Der «Witz» gehe pauschal auf Kosten aller Asylbewerberinnen und
-bewerber. Er schüre die Ablehnung jeder Sorge des Staates um sie. Zudem mache er sich mit der Pointe über den Begriff Rassismus lustig und wecke den Eindruck, es handle sich dabei um ein Kavaliersdelikt und nicht um ein Offizialdelikt. Unter dem Deckmantel der Satire verallgemeinere der Text negative Werturteile gegenüber Minderheiten. X. verweist auf die Verurteilung des Verlegers/Redaktors der Zeitung wegen Verstosses gegen die Rassismusstrafnorm durch die Staatsanwaltschaft Graubünden vom 25. Juni 2013.
C. Am 17. Oktober 2014 ging beim Presserat eine Ergänzung der Beschwerde ein. Ein weiterer «Witz», der in der «Gipfel Zytig» vom 16. Oktober 2014 publiziert wurde, zeige, dass es sich nicht um einzelne Ausrutscher der «Gipfel Zytig» handle, sondern darum, dass Minderheiten bewusst und systematisch verunglimpft würden. Der Wortlaut des ebenfalls in der Rubrik «Hitsch Bärenthalers Schnellschüsse» veröffentlichten Textes lautet: «Wer kann mir helfen??? Die haben mir meine ehrlich ausgefüllte Steuererklärung wieder zurückgeschickt!!! Als Antwort auf Frage 21: ‹Ernähren/unterhalten Sie neben sich selbst noch andere Personen?›… Da habe ich wahrheitsgetreu geantwortet: ‹Ja› mit dem Kommentar: – 185’000 illegale Immigranten; – 236’000 Arbeitslose und Arbeitsscheue; – 42’000 Inhaftierte in über 27 Gefängnissen; – über 400’000 Asylanten und letztendlich auch noch alle Deppen in unserem Parlament. Scheinbar war das keine akzeptable Antwort!!! Aber wen zum Kuckuck habe ich denn bloss vergessen???» Unter dem Deckmantel der Satire verallgemeinere auch dieser Text die negativen Werturteile gegenüber Minderheiten. So würden illegale Immigranten, Arbeitslose, Sträflinge und Asylsuchende für die suggerierte Misere der betrogenen, dummen rechtschaffenen Schweizer verantwortlich gemacht und auch hier wiederum die Ablehnung jeder Sorge des Staats um sie geschürt.
D. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.
E. Das Presseratspräsidium bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann hat die vorliegende Stellungnahme per 4. Mai 2015 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gestützt auf Artikel 11 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.
2. Hauptpunkt der vorliegenden Beschwerde bildet die Rüge, mit den Texten «Zum Thema Rassismus u.a. (…)» sowie «Wer kann mir helfen??? (…)» würden Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder nationalen Gruppe diskriminiert. Nach der Praxis des Presserats zum Diskriminierungsverbot gilt eine Anspielung als diskriminierend, wenn ein Medienbericht durch eine unzutreffende Darstellung das Ansehen einer geschützten Gruppe beeinträchtigt und die Gruppe kollektiv herabwürdigt. Vorliegend sind beide Texte als «humoristische» Texte erkennbar. Beide basieren zudem auf Pauschalisierungen. Zu fragen ist, ob diese Pauschalisierungen mit einer Herabwürdigung der genannten Gruppen verbunden sind. Abwertende Äusserungen gegen eine Gruppe oder ein Individuum müssen eine Mindestintensität erreichen, um als herabwürdigend oder diskriminierend zu gelten (Stellungnahme 48/2013). Dies ist vorliegend zu verneinen. Die «Witze» diskriminieren keine der genannten Gruppen von Menschen. Wohl aber enthalten sie wertende Meinungsäusserungen über die Begriffe Demokratie, Steuerfragen und Rassismus unter Anspielung auf Asylsuchende, illegale Immigranten, Arbeitssuchende, Inhaftierte und Parlamentarier. Zwar lässt sich sehr wohl darüber streiten, ob die beiden «Witze» lustig bzw. geschmacklos sind oder nicht. Der Presserat äussert sich jedoch nicht zu Geschmacksfragen (Stellungnahmen 27/2006, 77/2012). Die Beschwerde ist somit offensichtlich unbegründet.
III. Feststellung
Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.