I. Sachverhalt
A. Die «Rundschau» von SF DRS strahlte am 11. Juli 2001 einen Beitrag aus, der im Zusammenhang mit einem Pfleger stand, der in einem Luzerner Alters- und Pflegeheim 9 Patientinnen und Patienten getötet hatte. In der Sendung wurde u.a. über die Pflege dementer Patienten im Pflegeheim Sonnweid in Wetzikon berichtet.
B. Am 12. Juli 2001 gelangte die Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfeorganisationen der Schweiz (VASOS) mit einer Beschwerde an den Presserat und rügte, die Darstellung dementer Patienten im «Rundschau»-Beitrag habe die Ziffern 7 (Privatsphäre), 8 (Menschenwürde) sowie eventuell 4 (Lauterkeit der Informationsbeschaffung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
C. Mit Schreiben vom 16. August 2001 teilte Ueli Haldimann, Redaktionsleiter der «Rundschau», dem Presserat mit, die SRG beteiligte sich bekanntlich nicht an Presseratsverfahren. In der gleichen Sache sei übrigens eine Beschwerde beim Ombudsmann eingegangen, weshalb er bitte, das Verfahren vor dem Presserat einzustellen.
D. Nach Rückfrage des Presseratspräsidiums bei der SRG-Generaldirektion liess der Rechtsvertreter von SF DRS dem Presserat via SRG-Rechtsdienst die Stellungnahme der «Rundschau»-Redaktion vom 13. August 2001 im erwähnten Beschwerdeverfahren vor dem Ombudsmann sowie den Bericht von DRS-Ombudsmann Otto Schoch vom 27. August 2001 in der gleichen Angelegenheit zukommen.
E. Die «Rundschau»-Redaktion machte in ihrer Stellungnahme vom 13. August 2001 geltend, sie habe nach den Tötungsdelikten in einem Pflegeheim in Luzern beabsichtigt, den Alltag (bzw. den nächtlichen Alltag) in einem Heim für Demenzkranke zu zeigen. Dafür sei während einer ganzen Nacht im Heim Sonnweid in Wetzikon gedreht worden. Das Vorhaben sei vorgängig mit dem Heimleiter besprochen worden, dieser habe seinerseits das Einverständnis der Angehörigen aller im Film gezeigten Heimbewohner eingeholt. In der redaktionsinternen Kritik der Sendung sei festgehalten worden, dass es besser gewesen wäre, die Namen der porträtierten Patienten zu unterdrücken bzw. auf der Tonspur abzudecken. Diese Namen seien zwar nicht im Off-Kommentar genannt worden, doch seien sie in den Äusserungen der Pflegerinnen zu hören gewesen. Insgesamt hätten zahlreiche Reaktionen von anderen Pflegern und Mitarbeitern anderer Heime gezeigt, dass die Reportage den Heimalltag sehr treffend gezeigt habe.
F. In seinem Bericht vom 27. August 2001 gelangte der DRS-Ombudsmann, Otto Schoch, zum Schluss, die Reportage zeige sehr eindrücklich, wie hart und anforderungsreich die Arbeit von Nachtschwestern in einem Heim für Demenzkranke sei. Der ganze Beitrag sei nach seinem Verständnis mit einem grossen Mass an Einfühlungsvermögen gestaltet worden. Insgesamt sei er von der Sendung nicht schockiert, sondern vielmehr beeindruckt gewesen, weshalb er keine Veranlassung habe, die Sendung als in irgendeiner Weise unsorgfältig oder unkorrekt redigiert zu bezeichnen.
G. Am 13. September 2001 beschloss das Presseratspräsidium, den Schriftenwechsel abzuschliessen, da sich die «Rundschau»-Redaktion im Rahmen des Verfahrens vor dem Ombudsmann zu wesentlichen in der Beschwerde von VASOS vom 12. Juli 2001 gerügten Punkten geäussert habe.
H. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates (Fassung vom 1. Juli 2001) kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.
I. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 21. Dezember 2001 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Die Beschwerde betrifft die Ziffern 4 («Sie bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, Bildern, Tönen und Dokumenten keiner unlauterer Methoden»), 7 («Sie respektieren die Privatsphäre der einzelnen Person, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt») und 8 («Sie respektieren die Menschenwürde») der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten».
2. Eine Verletzung von Ziffer 4 der «Erklärung» entfällt hier offensichtlich, nachdem für die Dreharbeiten sowohl die Bewilligung der Heimleitung wie diejenige der Angehörigen der «Betroffenen» eingeholt worden ist. Ebenso liegt unter diesen Voraussetzungen keine Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» vor. Zwar findet der Presserat hinsichtlich der Namensnennung einzelner Patienten in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin und dem DRS-Ombudsmann, diese Namen wären auf der Tonspur besser abgedeckt worden. Die – neben den Bildern – unnötige Namensnennung dürfte aber den Kreis der Zuschauerinnen und Zuschauer, welche einzelne oder mehrere Patienten identifizieren konnten, kaum noch wesentlich erweitert haben.
3. Der zentrale Punkt der Beschwerde betrifft die geltend gemachte Verletzung der Menschenwürde der im «Rundschau»-Bericht gezeigten Patienten. Der Presserat hat in zwei Stellungnahmen vom 3. November 2000 (37/2000 i.S. Ogi c. «Zeitfragen», Sammlung 2000, S. 277ff. und 38/2000 i.S. S. c. «Wochenzeitung», Sammlung 2000, 283ff.) den in Ziffer 8 der «Erklärung» enthaltenen Begriff der «Menschenwürde» konkretisiert: Die Menschenwürde ist dann verletzt, wenn eine Darstellung als äusserst erniedrigend erscheint oder einen Betroffenen seines elementaren Rechts beraubt, in seinem Menschsein nicht herabgewürdigt zu werden. Ebenso hat der Presserat im Zusammenhang mit der Publikation von Bildern über Krieg, Terror und Unglücksfälle aber auch festgehalten, dass die Berichterstattung der Medien ihre Grenzen im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen findet (vgl. z.B. die Stellungnahme 25/2000 vom 25. August 2000 i.S. P. c. «Blick», Sammlung 2000, S. 182ff).
Gerade der zuletzt genannte Grundsatz gilt auch für die vorliegende Bildberichterstattung über die Pflege demenzkranker Patienten. Allerdings wird aus den dem Presserat zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht ersichtlich, dass die vom Bericht direkt Betroffenen oder deren Angehörige sich durch die «Rundschau»-Sendung in irgendeiner Form herabgesetzt gefühlt hätten. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführerin zwar zuzugestehen, dass die heikle Thematik zwar viel Fingerspitzengefühl erforderte. Grundsätzlich ist die Berichterstattung über sämtliche Aspekte und Phasen des menschlichen Lebens aber von öffentlichem Interesse und war ein Bericht über die konkrete Realität der Betreuung demenzkranker Patienten gerade nach dem Bekanntwerden des gravierenden Luzerner Falles besonders aktuell. Der Presserat hat in einer Stellungnahme vom 20. Februar 1998 (1/98 i.S. SJU-Frauenrat c. «FACTS», Sammlung 1998, S. 15ff.) darauf hingewiesen, dass in einer bildbetonten Kommunikationswelt selbst bei heiklen Themen wie dem sexuellen Missbrauch von Kindern Bilder als Ergänzung eines sachlichen Texts nicht unüblich sind. Allerdings sollten Bilder in diesem Fall mit grosser Sorgfalt und erst nach eingehender Interessenabwägung eingesetzt werden. Vorliegend hat die «Rundschau»-Redaktion nach Auffassung des Presserates diese erforderliche Sorgfalt aufgewendet und kann jedenfalls bei einer Gesamtwürdigung nicht davon die Rede sein, dass die abgebildeten Patienten durch eine gefühllose, in voyeuristischer Effekthascherei motivierte Bildauswahl in ihrem Menschsein herabgewürdigt worden wären.
III. Feststellungen
Die Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.