I. Sachverhalt
A. Am 18. August 2005 erschien in «Cash» der Artikel «Tapfere Abwehrschlacht mit Extras – Verwaltungsrat Hans Caspar von der Crone gönnt Saia-Burgess-Managern ‹goldene Fallschirme›». Darin schilderte der Journalist Leo Müller, wie der Verwaltungsrat der von einer unfreundlichen Übernahme bedrohten Firma Saia-Burgess den sieben Spitzenmanagern des Unternehmens die Kündigungsfrist von 12 auf 24 Monate verlängerte und ihnen die Möglichkeit einräumte, nach einer Übernahme ihre sofortige Freistellung zu verlangen. Im Fall einer Übernahme hätten die neuen Eigentümer das alte Management nun mit über 7 Millionen Franken statt mit rund 3,1 Millionen abfinden müssen. Besonders hob der Artikel die Rolle des Zürcher Rechtsprofessors Hans Caspar von der Crone hervor, der einerseits im Verwaltungsrat der Saia-Burgess sass und anderseits Präsident der Übernahmekommission war, jener Kommission, welche bei Firmenübernahmen über das korrekte Verhalten aller Parteien zu wachen habe. Dem Artikel war ein Kästchen mit dem Titel «Übernahme-Regler» beigestellt, in dem zwei Experten die Verlängerung der Kündigungsfristen während eines Übernahmeversuches als problematisch bezeichneten.
B. Im Editorial «Auf Kosten der Aktionäre» in der gleichen Ausgabe vom 18. August 2005 kritisierte «Cash»-Chefredaktor Dirk Schütz von der Crone und sein Handeln als Verwaltungsrat von Saia-Burgess. Schütz sprach von einer «verfilzten Situation» und stellte die Frage, wie glaubwürdig von der Crone noch als Präsident der Übernahmekommission sei, nachdem diese Kommission die Abfindungszahlungen bei Saia-Burgess gerügt habe.
C. Nach einer zusammenfassenden Chronik zum Fall Saia-Burgess («Silberne Reden, goldene Fallschirme», «Cash» vom 25. August 2005) befasste sich Leo Müller in der Ausgabe vom 1. September 2005 erneut mit den wechselnden Rollen von Hans Caspar von der Crone. Im Artikel mit dem Titel «‹In meiner Funktion als …› – Übernahme-Präsident Hans Caspar von der Crone trägt viele Hüte. Einer ist zu viel» führt Müller noch einmal aus, die Übernahmekommission habe die Abwehrmassnahme der Firma Saia-Burgess als unzulässig abgelehnt. Dies sei für Kommissionspräsident von der Crone – der bei dieser Beratung in Ausstand getreten war – blamabel gewesen. Der Bericht erwähnt noch einen anderen Übernahmefall, bei dem das Bundesgericht 2003 Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Präsidenten der Übernahmekommission geäussert hatte.
D. Im «Cash»-Editorial «Zu viele Posten für zu wenig Leute» vom 1. September 2005 bezeichnete Dirk Schütz es als unverständlich, dass Hans Caspar von der Crone weiterhin auf seinem Posten als Präsident der Übernahmekommission bleibe.
E. Mit Eingabe vom 16. September 2005 erhob der anwaltlich vertretene Hans Caspar von der Crone beim Presserat Beschwerde gegen die genannten «Cash»-Artikel und ihre Autoren. Er warf Leo Müller vor, der erste Artikel vom 18. August 2005 operiere mit unvollständiger Information und verletze die Wahrheitspflicht. Der Untertitel «Hans Caspar von der Crone gönnt Saia-Burgess-Managern ‹goldene Fallschirme›» erwecke zu Unrecht den Eindruck, es sei im Wesentlichen der Beschwerdeführer gewesen, der die Verträge der Manager geändert habe. Im Kästchen «Übernahme-Regler» werde die Aussage eines der beiden Experten, Rudolf Tschäni, falsch wiedergegeben. Im ganzen Beitrag komme die Saia-Burgess kaum zu Wort. Der Journalist verschweige überdies seine Quelle; der Schluss liege nahe, dass er sich von der Firma, welche die Saia-Burgess habe übernehmen wollen, und von deren PR-Berater habe instrumentalisieren lassen. Der Artikel erhebe schwere Vorwürfe, zu denen von der Crone nicht angehört worden sei. Das gelte auch für das Editorial «Auf Kosten der Aktionäre» von Dirk Schütz in der gleichen Ausgabe, in dem Fakten und Meinungsäusserungen vermischt würden. Besonders stiess sich der Beschwerdeführer daran, dass Schütz «die Situation» als «verfilzt» bezeichnete. Im Artikel vom 1. September 2005 über die «vielen Hüte» von der Crones habe Leo Müller Interview-Antworten des Beschwerdeführers nicht als Interview wiedergegeben, sondern als Zitate in falschem Kontext in seinen Artikel eingebaut. Zudem sei der Artikel mit einer fast halbseitigen Grossaufnahme des Beschwerdeführers illustriert gewesen, womit «Cash» die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers, namentlich sein Recht am eigenen Bild, verletzt habe. Artikel und Bild ergäben zusammen ein verzerrendes Gesamtbild. Gegen das Editorial von Dirk Schütz vom 1. September 2005 erhob der Beschwerdeführer den Vorwurf, er sei zu den schweren Vorwürfen nicht angehört worden.
F. Am 19. September 2005 bestätigte die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) die Empfehlung der Übernahmekommission, welche die Ergänzung der Arbeitsverträge der Saia-Burgess-Manager als «unzulässige Abwehrmassnahme» taxiert hatte. «Diese durch den Verwaltungsrat der Saia-Burgess beschlossenen Änderungen der Arbeitsverträge der Geschäftsleitungsmitglieder widersprechen eindeutig den Gesellschaftsinteressen», schrieb die EBK und bezeichnete die Abwehrmassnahme zudem als «unlauter». Noch am gleichen 19. September 2005 erklärte Hans Caspar von der Crone seinen Rücktritt als Präsident (und Mitglied) der Übernahmekommission auf den 31. Oktober 2005.
G. Mit Schreiben vom 14. November 2005 beantragte die ebenfalls anwaltlich vertretene «Cash»-Redaktion, die Beschwerde sei als unbegründet abzuweisen. Keiner der vier Artikel verletzte die berufsethischen Pflichten der Journalistinnen und Journalisten. «Cash» bestritt insbesondere, dass der Experte Rudolf Tschäni falsch zitiert worden sei. Eine Stellungnahme von Saia-Burgess habe es nicht gebraucht, denn durch das Handeln ihres Verwaltungsrats sei belegt, dass die Firma die kritisierte Vertragsänderung für richtig gehalten habe. Der «Filzvorwurf» sei presseethisch zulässig. Für den Artikel vom 1. September 2005 habe Leo Müller die vom Beschwerdeführer autorisierten Antworten korrekt verwendet. Eine berechtigte Erwartung, das Interview erscheine nur in der Interviewform habe Müller nicht geweckt. Das Foto zum Artikel sei mit Bewilligung des Beschwerdeführers in dessen Büro entstanden. Angesichts der Prominenz des Beschwerdeführers und seiner vielen Funktionen sei das Recht am eigenen Bild nicht verletzt. Das Editorial «Zu viele Posten für zu wenig Leute» habe schliesslich nur das verlangt, was der Beschwerdeführer kurze Zeit später auch getan habe.
H. Das Präsidium des Presserats wies die Beschwerde seiner 3. Kammer zu, der Esther Diener Morscher als Präsidentin sowie Judith Fasel, Claudia Landolt Starck, Peter Liatowitsch, Roland Neyerlin, Daniel Suter und Max Trossmann angehören.
I. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 8. Dezember 2005 sowie auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. a) Der Artikel «Tapfere Abwehrschlacht mit Extras» vom 18. August 2005 verletzt nach Meinung des Beschwerdeführers mehrere berufsethische Pflichten der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachstehend kurz «Erklärung» genannt). An zwei Stellen verstosse der Artikel gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung»): mit dem angeblich falschen Zitieren des Experten Rudolf Tschäni und mit dem Untertitel «Verwaltungsrat Hans Caspar von der Crone gönnt Saia-Burgess-Managern ‹goldene Fallschirme›».
b) Der Beschwerdeführer bringt für seine Behauptung, der Experte Tschäni sei falsch zitiert worden, keine Belege. Da der Presserat kein Beweisverfahren durchführt, kann er deshalb auf diesen Vorwurf nicht eintreten.
c) Der Untertitel «Verwaltungsrat Hans Caspar von der Crone gönnt Saia-Burgess-Managern ‹goldene Fallschirme›» mag auf den ersten Blick tatsächlich den Eindruck erwecken, als
habe der Beschwerdeführer allein oder zumindest in führender Rolle gehandelt. Doch bereits im Lead wird deutlich, dass der ganze Verwaltungsrat die Arbeitsverträge «nachgebessert» hatte. Zudem bezeichnet das Verb «gönnen» keine aktive Handlung, sondern eine Haltung oder Einstellung. So gesehen widerfährt dem Beschwerdeführer kein Unrecht, denn er hat ja unbestrittenermassen im Verwaltungsrat für die Verlängerung der Kündigungsfrist gestimmt. Dass von der Crone als einziger Verwaltungsrat mit Namen genannt wird, ist auf Grund seines Amtes als Präsident der Übernahmekommission gerechtfertigt. Daran ändert der Umstand nichts, dass er in der Kommission bei der Behandlung der Saia-Burgess-Übernahme in den Ausstand getreten ist.
2. a) Der Beschwerdeführer moniert, der Artikel «Tapfere Abwehrschlacht» verstosse mehrfach gegen Ziffer 3 der «Erklärung». Einerseits verletze er das Vollständigkeitsgebot, indem er seine Quellen – namentlich die PR-Berater der Konkurrenz – nicht nenne. Anderseits sei der Autor nicht seiner Pflicht nachgekommen, den Beschwerdeführer zu den schweren Vorwürfen anzuhören (Richtlinie 3.8 der «Erklärung»).
b) Die Leserschaft hat das Recht zu erfahren, auf welche Quellen sich Behauptungen eines Artikels stützen. Das bedeutet nicht, dass eine Journalistin oder ein Journalist die Person offenbaren muss, welche ihm das Quellenmaterial zukommen lässt. Im vorliegenden Artikel war der Autor offenbar in den Besitz einer Kopie der vertraulichen Vertragsänderung von Saia-Burgess gelangt; ein Ausschnitt des Dokuments ist im Artikel abgebildet. Damit – und auch aus dem Text des Artikels – ist der Leserschaft von «Cash» deutlich geworden, auf welche Unterlagen sich der Autor stützte. Der Vorwurf der unvollständigen Information ist daher nicht berechtigt.
c) Der Autor hat zwar den Beschwerdeführer am Abend vor dem Erscheinen der «Cash»-Ausgabe telefonisch kontaktiert und über seinen Artikel informiert. Der Artikel enthält jedoch keine persönliche Stellungnahme des Beschwerdeführers. Für den Presserat ist weder aus der Darstellung von Hans Caspar von der Crone noch aus derjenigen von «Cash» ersichtlich, ob der Beschwerdeführer am Telefon überhaupt bereit war, gegenüber der Zeitung zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Immerhin kommt aber die kritisierte Firma Saia-Burgess in einem knappen Statement ganz am Schluss des Artikels zu Wort. Diese Aussage stellt der Autor mit seinem letzten, kommentierenden Satz «Das ist wieder einmal nur die halbe Wahrheit» zwar in Frage. Trotzdem wird aus dem Zitat für die Leserschaft deutlich, dass die Firma Saia-Burgess damals einen direkten Zusammenhang zwischen den Vertragsänderungen und dem Übernahmeangebot bestritt, mithin also geltend machte, das Vorgehen sei rechtlich zulässig. Das Gebot zur Anhörung beider Seiten ist deshalb in diesem Fall erfüllt – wenn auch in einem gerade noch zulässigen Minimum. Da der Artikel insbesondere auch mit dem Untertitel und den Illustrationen ebenso wie der gleichentags erschienene Kommentar des Chefredaktors von «Cash» personell stark auf den Verwaltungsrats-Delegierten und CEO von Saia-Burgess, Daniel Hirschi, und den Beschwerdeführer ausgerichtet war, wäre es allerdings wünschenswert gewesen, wenn die Leserschaft von deren persönlichen Stellungnahmen zu den Vorwürfen hätte Kenntnis nehmen können oder wenn «Cash» gegebenenfalls darauf hingewiesen hätte, dass sie eine solche verweigerten.
3. a) Beim Artikel «‹In meiner Funktion als …›» sieht der Beschwerdeführer die Fairness und die Interviewregeln gemäss Richtlinie 4.5 zur «Erklärung» erheblich verletzt. Das grossformatige Bild des Beschwerdeführers habe «eindeutig satirische Züge» und verletze das Recht auf das eigene Bild im Sinne von Richtlinie 7.3 zur «Erklärung».
b) Gemäss Richtlinie 4.5 zur «Erklärung» basiert das journalistische Interview auf einer Vereinbarung zweier Partner, welche die dafür geltenden Regeln festlegen. Die Einhaltung der Regeln ist eine Frage der Fairness. So muss der Interviewte wissen, dass seine Antworten publiziert werden, und er muss sie im Normalfall auch autorisieren können. Hingegen spricht sich Richtlinie 4.5 nicht darüber aus, in welcher Form die autorisierten Antworten wiedergegeben werden sollen – ob als Frage-Antwort-Wechsel oder als Zitate in einem so genannten Lauftext.
Betrachtet man im vorliegenden Fall den Mail-Verkehr zwischen den Parteien, so fällt zunächst auf, dass der Begriff «Interview» darin nicht vorkommt. Der Journalist schreibt dem Beschwerdeführer, dass die Zeitung einen Beitrag zur Frage der Unabhängigkeit des Präsidentenamtes der Übernahmekommission plane. «Darum möchte ich Sie freundlichst zu folgenden Fragen um Ihre Haltung, Einschätzung und Verfahrenspraxis bitten», heisst es in dem Schreiben weiter. Auch die Art und Weise, wie die Fragen formuliert sind, deuten eher auf eine Recherche als auf ein Interview hin. Dieser Eindruck verdichtet sich, als der Journalist dem Beschwerdeführer die Zitate aneinandergereiht und ohne die Fragen dazwischen zur Autorisierung übermittelt. Der Beschwerdeführer konnte demnach nicht davon ausgehen, dass seine Antworten in Interviewform abgedruckt würden. Dass die Antworten durch ihre Integration in den Lauftext verfremdet oder gar verfälscht wurden, ist nicht zu erkennen.
c) Das grossformatige Porträt des Beschwerdeführer entspricht dem Bildkonzept von «Cash», das dem Beschwerdeführer zweifellos bekannt war. Dass seine Person im Zentrum des Artikels stehen werde, war ihm vom Autor angekündigt worden. Als Präsident der Übernahmekommission und als prominenter Rechtsprofessor und Anwalt war der Beschwerdeführer eine Person des öffentlichen Lebens und ist es wohl noch immer. In diesem Zusammenhang darf sein Bild in einer Zeitung publiziert werden. Das Foto zeigt ihn in Anzug und Krawatte bei einem Votum in seinem Büro, also in seinem beruflichen Kontext. Ein unvoreingenommener Betrachter bekommt den Eindruck einer temperamentvollen, engagierten Persönlichkeit. Diese Illustration verletzt die Privatsphäre des Beschwerdeführers nicht.
4. Die beiden Editorials von Dirk Schütz in den «Cash»-Ausgaben vom 18. August und 1. September 2005 stützen sich nur auf die in den Artikeln von Leo Müller vorgelegten Tatsachen. Die Editorials sind als Meinungstexte erkennbar; ihre Aussagen bewegen sich innerhalb der Kommentarfreiheit. Eine separate Anhörung des Beschwerdeführers zu den Editorials war nicht nötig.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Vorbehältlich einer ausdrücklichen Absprache zwischen dem Journalisten und seinem Gesprächspartner sind Medienschaffende nicht verpflichtet, ein längeres Recherchegespräch in einer bestimmten journalistischen Form wiederzugeben, z.B. als Interview mit Frage-Antwort-Wechsel.
3. Die Publikation eines Fotos aus dem beruflichen Kontext einer Person des öffentlichen Lebens verletzt die Privatsphäre nicht.