Nr. 38/2018
Menschenwürde / Identifizierung

X. c. «Der Landbote»

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I. Sachverhalt

A. Am 8. Juli 2017 veröffentlichte «Der Landbote» auf seiner Frontseite den Artikel «SVP und FDP zeigen Stadtwerk-Chefs an – ‹das Volk will es so›». Gemäss Sonderbericht der städtischen Finanzkontrolle zum Stadtwerk Winterthur hätten zahlreiche Kompetenzüberschreitungen, Vertuschungen und Rechtsbrüche durch die Verantwortlichen stattgefunden. Der Stadtrat habe sich salopp gesagt auf den Standpunkt gestellt, dass die entlassenen Direktoren zwar fiese Typen seien, aber keine Ganoven. Aus diesem Grund habe die Regierung auf eine Strafanzeige verzichtet. Die Parteien FDP und SVP sähen das anders und hätten deshalb beim Staatsanwalt Anzeige eingereicht. Dieser entscheide vorab, ob eine formelle Untersuchung eröffnet werde.

Am selben Tag erschien auf Seite 5 der Artikel «Staatsanwalt soll die Skandale prüfen». Auch darin geht es um die Strafanzeige der FDP und SVP gegen das Direktorium des Stadtwerks. Die fehlbaren Personen, der frühere Direktor Markus Sägesser und sein Finanzchef X., seien entlassen worden, strafrechtlich liege jedoch nicht genug gegen sie vor, so Stadtpräsident Michael Künzle (CVP). Mit der Bildlegende «Im Fokus der Ermittlungen: Ex-Leiter Markus Sägesser und sein Finanzchef X.. Grundsätzlich werden Verstösse aller Beteiligten geahndet» sind die beiden mit Porträtfotos im Artikel abgebildet.

B. Am 18. Juli reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen mehrere Artikel des «Landbote» ein, welche im Zeitraum von September 2016 bis Juli 2017 erschienen waren. Bezüglich der beiden Artikel, welche innerhalb der dreimonatigen Beschwerdefrist beim Presserat gerügt wurden, sieht der Beschwerdeführer die Richtlinien 7.2 und 8.1 verletzt. Richtlinie 7.2 (Identifizierung) sieht er als verletzt durch das Abdrucken der Fotos des Ex-Direktors und ihm selbst im Artikel «Staatsanwalt soll die Skandale prüfen». Im Artikel gehe es um die Anzeige gegen «das Direktorium» von Stadtwerk Winterthur, welche keinen Zusammenhang habe mit den Vorgängen um die Wärme Frauenfeld AG. Die Bildunterschrift, welche besagt, dass grundsätzlich «Verstösse aller Beteiligten geahndet» würden, sei sachlich falsch. Ausserdem sei es offensichtlich, dass die Bebilderung nur deshalb so gewählt worden sei, weil die beiden Betroffenen entlassen worden seien. Diese Entlassung habe aber ganz andere Ursachen als die im Artikel erwähnten. Es handle sich somit bei der Nennung der Namen und insbesondere beim Abdruck der Bilder um eine ungerechtfertigte Identifizierung. Richtlinie 8.1 (Achtung der Menschenwürde) sei verletzt durch den Artikel «SVP und FDP zeigen Stadtwerk-Chefs an – ‹das Volk will es so›». Der Satz «Die entlassenen Direktoren seien zwar fiese Typen, aber keine Ganoven …» missachte die Würde der Betroffenen.

C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presserats-präsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 28. September 2018 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gestützt auf Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, die offensichtlich unbegründet ist.

2. Das Geschäftsreglement des Presserats sieht in seinem Artikel 11 für das Einreichen von Beschwerden eine Frist von 3 Monaten ab Veröffentlichungsdatum vor. Lediglich zwei der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Artikel befinden sich innerhalb dieser Frist, auf alle anderen wird nicht eingetreten.

3. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» gehörenden Richtlinie 7.2 (Identifizierung). Dass im Artikel «Staatsanwalt soll die Skandale prüfen» Bilder der beiden Stadtwerk-Kaderleute mit Namensnennung erschienen, käme einer ungerechtfertigten Identifizierung gleich. Richtlinie 7.2 hält Journalistinnen und Journalisten dazu an, bei der Frage der Identifizierung die beteiligten Interessen (Recht der Öffentlichkeit auf Information vs. Schutz der Privatsphäre) sorgfältig abzuwägen. Namensnennung und/oder identifizierende Berichterstattung ist demnach nur unter besonderen, in Richtlinie 7.2 klar umschriebenen Umständen zulässig. Der Schweizer Presserat sieht diese Richtlinie im vorliegenden Artikel nicht verletzt. X. als Finanzchef und Markus Sägesser als Direktor des Stadtwerks Winterthur standen im Zentrum des Skandals rund um das Werk. Das Abdrucken der Bilder mit Namensnennung ist aus diesem Grund gerechtfertigt, insbesondere da die betroffenen Personen beide als leitende öffentliche Funktionsträger fungierten. Richtlinie 7.2 erklärt eine identifizierende Berichterstattung für zulässig, sofern die betroffene Person ein politisches Amt beziehungsweise eine staatliche oder gesellschaftlich leitende Funktion wahrnimmt und der Medienbericht damit im Zusammenhang steht. Die Rüge der Verletzung von Richtlinie 7.2 ist somit offensichtlich unbegründet.

4. Der Beschwerdeführer bringt weiter eine Verletzung der Richtlinie 8.1 (Achtung der Menschenwürde) vor. Diese Richtlinie schreibt vor, dass sich die Informationstätigkeit an der Achtung der Menschenwürde zu orientieren hat. Der Beschwerdeführer sieht diese Norm durch den Satz «Die entlassenen Direktoren seien zwar fiese Typen, aber keine Ganoven» verletzt. Der Presserat qualifiziert diese Aussage als eine wie der Journalist festhält – «salopp ausgedrückt(e)» kommentierende Zusammenfassung der Wertung der Vorkommnisse durch die Stadtregierung. Dies ist für die Leserschaft erkennbar. Diese Formulierung liegt deutlich unter der Schwelle dessen, was der Presserat als eine Verletzung der Menschenwürde qualifizieren würde. Eine Verletzung von Richtlinie 8.1 und somit Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» liegt deshalb offensichtlich nicht vor.

III. Feststellungen

Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.