Nr. 35/2024
Wahrheit / Unterschlagen wichtiger Informationen / Diskriminierung

(W., X., Y. und Z. c. Schweizer Radio und Fernsehen SRF)

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I. Sachverhalt

A. a) Am 25. Juli 2023 meldete die Sendung «Heute Morgen» von Radio SRF: «In Griechenland sind gestern über 50 weitere Brände ausgebrochen. Unter anderem auf den Inseln Rhodos, Korfu und Euböa. Mindestens drei Menschen sind bisher gestorben. Heute soll die Hitzewelle in Griechenland ihren Höhepunkt erreichen. Bis zu 46 Grad sind vorhergesagt.»

b) Am 25. Juli 2023 vermeldete SRF in der TV-Sendung «10 vor 10» zur Lage auf Rhodos unter anderem: «Morgen werden auf der Insel nochmals Temperaturen von über 46 Grad erwartet und die Trockenheit bleibt bestehen.»

c) Am 29. Juli 2023 setzte sich die Sendung «Echo der Zeit» von Radio SRF mit der Frage auseinander, wer die sogenannten «Klimaleugner» seien und weshalb sie erfolgreich seien. In der Anmoderation des Beitrags hiess es: «Der CO2-Ausstoss, der von Menschen verursacht wird, führt zum sogenannten Treibhaus-Effekt, der die Temperaturen auf der Erde ansteigen lässt. Über diesen Zusammenhang herrscht in der Wissenschaft seit rund 30 Jahren Einigkeit. Trotzdem wird die Tatsache, dass der Klimawandel stattfindet und menschgemacht ist, immer wieder angezweifelt. Auch in der Schweiz. Wer sind die sogenannten ‹Klimaleugner› und warum sind sie bis heute erfolgreich? Klaus Ammann hat Antworten gesucht.»

d) Die Sendung «Einstein» von TV SRF vom 24. August 2023 drehte sich um die Frage, ob man die Menschen dazu bringen könne, sich gemäss den Erkenntnissen und Warnungen der Umweltwissenschaften zu verhalten. Darin wird unter anderem auf ein Experiment der Neurowissenschaftlerin Tali Sharot eingegangen, welche das Verhalten von Menschen angesichts bestimmter Informationslagen untersucht. Darin erscheint der Satz: «Sind wir noch über alles erhaben? Fast unbemerkt schleichen sich Naturkatastrophen in unseren Alltag. Extremwetterereignisse nahmen in den letzten Jahren enorm zu: Waldbrände, Dürre und Hitze, Starkniederschläge. Kein Kontinent blieb verschont.» An einer späteren Stelle wurde Folgendes angeführt: «In einer Onlinestudie mit Hunderten Probanden zeigt Tali Sharot, dass eine warnende Information zum Klima bei Klimaskeptikerinnen und -skeptikern anders ankommt als bei jenen, welche an die Klimaerwärmung glauben. Wir haben sie erst nach ihren Grundüberzeugungen in Bezug auf die Klimaerwärmung gefragt. Was sie vom Paris-Abkommen halten usw. Wir haben sie dann in zwei Gruppen eingeteilt. In jene, die glauben, die Klimaerwärmung ist real, und in jene, die etwas skeptisch sind. […] Dann hat Tali Sharot den Menschen eine zusätzliche Information mitgegeben: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben alle Daten neu ausgewertet und herausgefunden, dass die Temperatur um 11 °C steigen wird in den nächsten 100 Jahren. Das Ziel des Experiments war es, herauszufinden: Wie gehen die beiden Gruppen mit der neuen Information um?»

B. Am 5. Oktober 2023 erhoben W., X., Y. und Z. Beschwerde gegen diese Beiträge. Diese verstiessen gegen die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Unterschlagen wichtiger Informationen) und 5 (fehlende Berichtigung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»).

Die Beschwerdeführer stellen den einzelnen Kritikpunkten eine allgemeine Erklärung voran, in welcher sie die Ausgangslage schildern, von welcher sie mit ihren Überlegungen ausgehen. Stark zusammengefasst: Sie befürchten einen weltweiten Genozid, in welchem «sehr Reiche, selbsternannte ‹Eliten›, genannt auch Globalisten» eine Rolle spielten. Sie thematisieren, die «Bilderbergmeetings», an denen «regelmässig die 10’000 reichsten Menschen der Erde» teilnähmen. In diesem Kontext sehen sie die Berichterstattung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG, der Muttergesellschaft von SRF. Der Sender propagiere eine heile Welt, welche angeblich bedroht sei von einer «Klimakrise». Damit verfolge SRF das Narrativ, welches unter anderem vom US-Pentagon [das amerikanische Verteidigungsministerium] mit seiner 4000 Mann starken Propaganda-Abteilung verbreitet werde. Zahlreich vorhandene wichtige Informationen, die unsere Zukunft betreffen, würden nicht veröffentlich: «Wer Wichtiges wissentlich verschweigt, macht sich strafbar.»

Angesichts des Umfangs und des Detailreichtums der darauffolgenden Beschwerdepunkte verzichtet der Presserat an dieser Stelle (Sachverhalt) auf eine Zusammenfassung der einzelnen geltend gemachten Verstösse und benennt die Vorwürfe der Beschwerdeführer und die Gegenargumente der Beschwerdegegnerin SRF erst im Rahmen der Erwägungen unter II.

C. Am 29. April 2024 nahm der Rechtsdienst von Schweizer Radio und Fernsehen SRF Stellung zur Beschwerde. SRF beantragt, auf die Beschwerde sei gemäss Art. 11 des Geschäftsreglements des Presserates nicht einzutreten, weil gleichzeitig ein Strafverfahren gegen die SRG erhoben worden sei. Eventualiter wird Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch hier werden die dafür aufgeführten Begründungen erst unter II. (Erwägungen) knapp angeführt.

D. Am 29. Mai 2024 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, und Ursina Wey, Geschäftsführerin. Vizepräsident Jan Grüebler tritt als Angestellter von SRF in den Ausstand.

E.
Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 23. Oktober 2024 verabschiedet.


II. Erwägungen

1. Der Presserat tritt auf die Beschwerde ein. Die Beschwerdegegnerin SRF macht zwar geltend, es sei von einem der Beschwerdeführer parallel zur vorliegenden Beschwerde ein Strafverfahren gegen eine Verwaltungsrätin der SRG eingeleitet worden, was gemäss Artikel 11 Absatz 1 Aufzählungspunkt 6 des Geschäftsreglements des Presserates dazu führen müsste, dass dieser auf die Beschwerde nicht eintritt. Aber erstens ist dieses Verfahren inzwischen mit einem Nichteintretensentscheid abgeschlossen. Zweitens handelte es sich im Wesentlichen um andere Kritikpunkte als die hier vorliegenden. Im Strafverfahren ging es in erster Linie um die Rolle der SRG in der «Corona-Diktatur» mit ihren «Genveränderungs-Stechungen» [Impfungen]. Angerufen wurden Straftatbestände wie fahrlässige Tötung, Volksverhetzung, Völkermord. Zwar wurden auch Verstösse gegen das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) geltend gemacht, aber diese waren zum grossen Teil nicht identisch mit den hier vorliegenden konkreten Beispielen.

2. Die Beschwerdeführer sehen in der unter A. a) beschriebenen SRF-Nachrichtenmeldung vom 25. Juli 2023 über Hitze und Feuer in Rhodos einen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht. Es habe dort zur fraglichen Zeit nicht wie behauptet 50 Brände gegeben, sondern nur einen und es seien nicht Tausende Menschen evakuiert worden, «auf Rhodos befanden sich noch nie Tausende». Beide Behauptungen seien unwahr und hätten berichtigt werden müssen (Ziffer 5 der «Erklärung»). Die Beschwerdegegnerin SRF belegt mit der Abschrift des Textes, dass nicht von 50 Bränden auf Rhodos die Rede war, sondern von 50 Bränden in ganz Griechenland. Und was die Zahl der Evakuierten auf Rhodos betreffe, habe die griechische Regierung schon zwei Tage zuvor von 19’000 Personen berichtet, von der grössten Evakuierungsaktion, die jemals in Griechenland stattgefunden habe. Die Formulierung, wonach Tausende evakuiert worden seien, sei zutreffend.

Der Presserat geht von Folgendem aus: Der Hinweis auf 50 Brände nicht nur auf Rhodos, sondern in ganz Griechenland ist von SRF mit glaubwürdiger Quelle belegt. Die Annahme der Beschwerdeführer «auf Rhodos gab es noch nie Tausende» ist angesichts einer Wohnbevölkerung von 120’000 Menschen und der hohen Zahl von TouristInnen nicht nachvollziehbar. Zudem ist der Hinweis auf 19’000 Evakuierte von SRF ebenfalls mit den entsprechenden Quellen hinreichend belegt. Der Presserat kann keinen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») erkennen und sieht entsprechend auch keine Verpflichtung zu einer Berichtigung.

3. Die Beschwerdeführer sehen auch in der unter A. b) beschriebenen Passage von «10 vor 10» vom 25. Juli 2023, wonach auf Rhodos für den folgenden Tag erneut Temperaturen von mehr als 46 Grad erwartet würden, einen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht. Diese Zahl sei unrealistisch, hier werde nicht auf die Lufttemperatur am Schatten abgestellt, sondern auf die Bodentemperatur. Es sei von SRF nicht beachtet worden, dass die «ESA» jeweils auf diese 20 Prozent höhere Bodentemperatur abstelle. Dies hätte klargestellt werden müssen. Dass dies nicht geschah, verletze die Ziffer 3 der «Erklärung»; dies sei das Unterschlagen einer wichtigen Information. SRF bestreitet den Vorwurf mit dem Hinweis darauf, dass die Temperaturvorhersage nicht von der Weltraumagentur ESA stamme, wie die Beschwerdeführer schreiben, sondern vom griechischen Wetterdienst (belegt mit Quellenangabe), sowie mit dem Hinweis darauf, dass der gleiche griechische Wetterdienst am folgenden Tag die effektive Temperatur für den betreffenden Tag auf Rhodos mit genau diesen 46 Grad gemessen habe.

Gestützt auf diese Angaben sieht der Presserat auch in diesem Punkt keinen Verstoss gegen die Ziffer 1 und die Ziffer 3 der «Erklärung».

4. In der unter A. c) zitierten Passage aus dem «Echo der Zeit» vom 29. Juli 2023 kritisieren die Beschwerdeführer den Satz, wonach in der Wissenschaft seit 30 Jahren Einigkeit bestehe, dass der vom Menschen verursachte CO2-Ausstoss zu einem Treibhauseffekt führe, welcher die Temperaturen ansteigen lasse. Diese Behauptung sei unwahr (Verstoss gegen Ziffer 1 der «Erklärung») und müsse berichtigt werden (gemäss Ziffer 5 der «Erklärung»). Zum Beleg der Unwahrheit der Klima-These werden sieben Links zu verschiedenen Videos angeführt. Im Weiteren wird kritisiert, dass von «Klimaleugnern» gesprochen wird, was den Tatbestand der Diskriminierung (Ziffer 8 der «Erklärung») erfülle. Hier würden Menschen schlecht gemacht, welche den Verlautbarungen des IPCC [Weltklimarat der Uno] oder von Milliardären wie Al Gore nicht glaubten. Das Wort erinnere an die «Impfgegner» während der Coronakrise. Wer könne denn schon das Klima leugnen.

SRF verweist demgegenüber auf Studien zum Thema «Wie gross ist der wissenschaftliche Konsens zum menschgemachten Klimawandel?». Dort werde wiederholt festgestellt, dass der Konsens in der Wissenschaft weit grösser sei als 90 Prozent und dass die Einigkeit höher sei, je grösser der Sachverstand der Beurteilenden. Die entsprechenden Untersuchungen belegt SRF in einer verlinkten Beilage. Und was den Begriff «Klimaleugner» betrifft, so beschreibe dieser Menschen, die sowohl den Klimawandel als auch die Prämisse, dass dieser menschgemacht ist, anzweifelten.

Der Presserat sieht auch in diesem Punkt weder einen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht noch gegen die Berichtigungspflicht noch eine Diskriminierung. Der Stand der Erkenntnis zum Klimawandel wird von SRF glaubhaft mit Studien über die klar überwiegenden Einschätzungen belegt. Umgekehrt zeigt die Prüfung der ersten beiden von sieben Links, welche die Beschwerdeführer zum Beleg ihrer Thesen (menschgemachter Klimawandel nicht belegt) anbieten, dass der erste («96 % der US-Klimadaten fehlerhaft») zurückgeht auf die Meinung eines einzigen Meteorologen, der für das «Heartland Institute» schreibt, die bekannteste und grösste Institution, welche gegen die Warnungen vor dem Klimawandel ankämpft. Und der zweite, sogar doppelt aufgeführte Link führt zu einem Artikel des Mitteldeutschen Rundfunks MDR, der etwas anderes feststellt – Zitat aus dem Artikel: «Unter dem Titel ‹Es gibt keinen Klimanotstand› haben mehr als 1100 Menschen eine sogenannte ‹Weltklimaerklärung› unterzeichnet. Doch weniger als 1 Prozent der aufgeführten Namen bezeichnen sich selbst als Klimawissenschaftler.» Und weiter: «Diese ‹Weltklimaerklärung›, die auf einer Seite zusammengefasst ist, spiegelt nicht den aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand über die Erderwärmung wider und enthält eine Reihe von Behauptungen, die von Klimaforschenden bereits widerlegt wurden.»

Den Beschwerdeführern ist zuzustimmen, dass «Klimaleugner» ein unsinniger Begriff ist, dass niemand die Existenz des Klimas an sich leugnet. Umgekehrt hat sich der Begriff eingebürgert, weil die genauere Beschreibung «Menschen, die sowohl eine schädliche Klimaerhitzung als auch die Prämisse, dass dieser menschgemacht ist, anzweifeln» praktisch nicht verwendbar ist. Der Moderationstext des fraglichen Beitrages spricht denn auch ausdrücklich von «sogenannten Klimaleugnern». Der Ausdruck verletzt auch nicht die Ziffer 8 der «Erklärung», welche diskriminierende Anspielungen betrifft, die Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Krankheiten, sowie körperliche oder geistige Behinderung zum Gegenstand haben. Der Ausdruck «Klimaleugner» beinhaltet eine kritische Wertung, aber keine Diskriminierung. Und mit «sogenannt» wird er bewusst relativiert. Weder Ziffer 1 noch Ziffer 8 der «Erklärung» sind verletzt.

5.
In der unter A. d) zitierten Sendung «Einstein» vom 24. August 2023 kritisieren die Beschwerdeführer wieder die als diskriminierend empfundene Bezeichnung «Klimaleugner». Weiter wird der als suggestiv präsentierte «menschengemachte Klimawandel» wieder als Verstoss gegen die Wahrheitspflicht kritisiert. Ebenso die Passage über den Anstieg extremer Wetterereignisse. Weiter werde von einem bevorstehenden Anstieg der Temperaturen um 11 Grad in den nächsten 100 Jahren gesprochen. Das sei reine Panikmache und dazu werde keine Quelle angegeben.

SRF antwortet zum Thema Extremereignisse, es sei logische Folge der Atmosphärenphysik, dass die Änderung der Temperaturen auch eine Änderung des Wetters und seiner Extreme herbeiführe. Das habe bei verschiedenen Extremereignissen auch nachgewiesen werden können. Dazu wird eine Quelle angegeben. Bei der kritisierten «Panikmache» mit den 11 Grad Temperaturanstieg habe es sich nicht um eine Behauptung von SRF gehandelt, sondern um eine bewusst extreme Annahme in dem zitierten Experiment, welches herausfinden wollte, wie Menschen mit neuen Informationen umgehen würden

Der Presserat sieht auch in diesen zentralen Kritikpunkten der Beschwerdeführer weder einen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht noch gegen die Pflicht, Fehler zu berichtigen, oder das Verbot, zu diskriminieren.


III. Feststellungen

1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.

2. SRF hat mit den zitierten vier Beiträgen weder die Ziffer 1 (Wahrheit) noch die Ziffern 3 (Unterschlagen wichtiger Informationen), 5 (Berichtigungspflicht) oder 8 (Diskriminierungsverbot) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.