Nr. 31/2018
Diskriminierung

(Partei der Arbeit Bern c. «Das Magazin»)

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I. Sachverhalt

A. Am 10. Juni 2017 veröffentlichte «Das Magazin» auf seinem Titelbild ein Foto von Kim Kardashian, welches diese von hinten mit fast vollständig entblösstem Hintern zeigt. Kardashian trägt High Heels, Strümpfe, knappe Unterwäsche und einen Pelz. Sie kriecht auf allen Vieren auf einem Geröllhang und streckt ihren Hintern prominent in die Kamera. Darunter prangt ein Zitat von «Dr. Simon Ourian, Schönheitsarzt und Schöpfer von Kim Kardashians Markenzeichen»: «Für den perfekten Po gilt: Die Taille muss im Verhältnis 1:1,6 zum Hintern stehen. Wer verrückt sein will, geht heute auf 1:2 oder sogar 1:2,5».

B. Am 14. Juni 2017 reichte Zora Schneider im Namen der Partei der Arbeit Bern (nachfolgend PdA) beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen das Titelbild des «Magazin» ein. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»). Kim Kardashian werde auf diesem Bild sexualisiert und in pornografischer Weise objektifiziert. Das dadurch vermittelte unterwürfige Frauenbild sei diskriminierend und senke die Hemmschwelle für Übergriffe und sexualisierte Gewalt an Frauen. Ausserdem habe der Ausdruck «perfekter Po» einen sexistischen Normierungsdruck auf Frauen zur Folge. Schneider erachtet die Verwendung des Bildes als unverhältnismässig, da das Thema auch mit einem anderen, weniger störenden und frauenverachtenden Bild hätte illustriert werden können.

C. Der Rechtsdienst der Tamedia AG nahm am 3. August 2017 für «Das Magazin» Stellung. Das Foto habe zur Illustration eines Interviews mit dem Chirurgen Dr. Simon Ourian gedient. Dieser sei nicht nur einer der berühmtesten Akteure in der kosmetischen Chirurgie, sondern verdanke seinen Ruf auch den diversen Eingriffen an Kim Kardashian. Deshalb sei das Foto zur Illustration des Interviews geeignet und verhältnismässig. Das Foto zeige Kardashian als Kunstfigur und Individuum und stehe nicht stellvertretend für alle Frauen. Somit fehle es an der Betroffenheit einer (meist schon benachteiligten) Gruppe, welche das Diskriminierungsverbot der Ziffer 8 verlange. Die Beschwerdegegnerin bringt weiter vor, dass Kardashian bewusst von der Kapitalisierung ihres Körpers lebe und diese Bilder auch selber publiziere. Zuletzt betont die Tamedia AG den hohen künstlerischen Wert des Werkes, da es durch einen renommierten Modefotografen geschaffen worden sei. Aus diesen Gründen sei nicht ersichtlich, wie das beanstandete Titelbild dazu geeignet sein solle, Kim Kardashian (oder gar die gesamte Gruppe der Frauen) herabzusetzen.

D. Am 6. November 2017 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 13. September 2018 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Ziffer 8 der «Erklärung». Ziffer 8 hält Journalistinnen und Journalisten dazu an, die Menschenwürde zu respektieren und in ihren Berichten auf diskriminierende Anspielungen zu verzichten, welche die ethnische oder nationale Zugehörigkeit, die Religion, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, Krankheiten sowie körperliche oder geistige Behinderung zum Gegenstand haben. Die Richtlinie 8.2 zur «Erklärung» verdeutlicht dazu, dass diskriminierende Anspielungen bestehende Vorurteile gegen Minderheiten verstärken können. Die Beschwerdeführerin sieht in der Abbildung Kim Kardashians auf der Titelseite des «Magazin» eine Herabsetzung von Frauen und somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Dass Kim Kardashian auf dem Bild als Sexobjekt dargestellt wird und somit auf ihren Körper reduziert wird, bestreitet auch die Beschwerdegegnerin nicht. Sie macht jedoch geltend, Kardashian lebe bewusst von der Kapitalisierung ihres Körpers und publiziere die Bilder auch selbst. Der Presserat setzt die Schwelle bei der Feststellung einer Diskriminierung relativ hoch an. Er hat in seinen Stellungnahmen zum Diskriminierungsverbot (vgl. die Stellungnahmen 38/2000, 32/2001, 6/2002, 9/2002, 37/2002, 44/2003, 32/2006 und 21/2008) konstant darauf hingewiesen, dass die abwertende Äusserung gegen eine Gruppe oder ein Individuum eine Mindestintensität erreichen muss. Entsprechend soll das Verbot weder im Sinne einer «political» noch einer «sexual correctness» ausdehnend interpretiert werden (32/2001, 31/2007). In der Stellungnahme 21/2001 empfahl der Presserat, bei jeder Aussage «kritisch zu fragen, ob damit eine angeborene oder kulturell erworbene Eigenschaft herabgesetzt oder ob herabsetzende Eigenschaften kollektiv zugeordnet werden, ob lediglich Handlungen der tatsächlich dafür Verantwortlichen kritisiert werden oder ob die berechtigte Kritik an einzelnen in ungerechtfertigter Weise kollektiviert wird».

Auf dem Titelbild des «Magazin» ist Kim Kardashians Gesicht erkennbar, Betrachtende können sie als Individuum identifizieren. Für sie ist erkennbar, dass Kardashian ihren Körper und insbesondere ihren Hintern bewusst inszeniert und sich im vorliegenden Fall von der Kamera eines Kunstfotografen ablichten lässt. Frauen werden mit diesem Bild nicht generell als Gruppe herabgesetzt. Die Bildunterschrift macht ausserdem klar, dass es um einen Schönheits- und Optimierungswahn geht, ein insbesondere bei Frauen verbreitetes Phänomen. Wenn das «Magazin» diese Thematik aufgreift und mit einem provokativen Foto illustriert, ist dies nicht diskriminierend gegenüber allen Frauen, sondern Teil der notwendigen medialen Diskussion. Ziffer 8 der «Erklärung» ist nicht verletzt.

III. Feststellungen

1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.

2. «Das Magazin» hat mit seinem Titelblatt vom 10. Juni 2017 Ziffer 8 (Diskriminierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.