Nr. 21/2019
Trennung von redaktionellem Teil und Werbung / Menschenwürde

(X. c. «20 Minuten»)

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I. Sachverhalt

A. Am 16. Januar 2018 veröffentlichte «20 Minuten» auf seiner Website ein Video, das vom venezolanischen Widerstandskämpfer Oscar Perez auf Instagram hochgeladen worden war und ihn selber zeigt, wie er verletzt in die Kamera schaut, während er beschossen wird, und wie er darum bittet, das Feuer einzustellen. Das Video ist begleitet von einem längeren Text, aus dem unter anderem ersichtlich wird, wer Perez ist, was für eine Rolle er in Venezuela spielt, weiter wird darauf hingewiesen, dass es unklar sei, ob Perez den Beschuss überlebt habe.

B. Am 18. Januar 2018 reichte X. beim Schweizer Presserat eine Beschwerde gegen «20Minuten» ein und zwar nicht gegen das Video per se, sondern gegen die Tatsache, dass dem Video eine Werbebotschaft vorangestellt werde. Das hält er angesichts des bedrückenden Inhalts des Videos für pietätlos und er fragt, ob das mit dem Ethik-Kodex des Pressehauses Tamedia vereinbar sei, ob das überhaupt erlaubt sei. Weiter macht er geltend, diese Kombination verstosse gegen die Ziffer 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung)», insbesondere gegen die zur «Erklärung» gehörenden Richtlinien 8.1 (Achtung der Menschenwürde), 8.4 (Bilder über Krieg und Konflikte) und 7.4 (Notsituationen).

C. Mit Eingabe vom 5. März 2017 beantragte der Verlag Tamedia (Beschwerdegegner) Abweisung der Beschwerde, soweit überhaupt darauf einzutreten sei. Er macht geltend, es gebe in der Tat einen Ethik-Kodex bei «20 Minuten», dieser betreffe aber nur die journalistischen Inhalte, nicht die Werbeplatzierung.

Was die Beschwerde angehe, so befasse sich die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nur in Ziffer 10 und in der «Richtlinie» 10.1 mit Werbung und dies ausschliesslich mit dem Erfordernis der klaren Trennung von redaktionellem Teil und der Werbung. Diese sei hier aber klar gegeben.
Im Übrigen sei nicht ersichtlich, inwieweit die Kombination von Werbung und Inhalt die angeführten Bestimmungen der Richtlinien verletzten. Das sei auch gar nicht möglich: Es handle sich bei dem Video von Perez um ein Dokument der Zeitgeschichte, welches zwar eine identifizierbare Person in Not zeige, diese habe aber ein eigenes Interesse an der Veröffentlichung bewiesen, Perez habe das Video selber bewusst auf Instagram hochgeladen mit der Absicht einer möglichst grossen Verbreitung. Insofern bestehe kein Schutzbedürfnis seinerseits, seine Persönlichkeitsrechte seien nicht tangiert.

D. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin und Max Trossmann, Vizepräsident, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 8. Juli 2019 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

Der Beschwerdeführer kritisiert im Text seiner Eingabe die Wirkung einer Kombination eines Video-Ausschnittes mit einer vorangestellten Werbung. Gemäss Artikel 2 des Geschäftsreglements ist der Presserat ausschliesslich für den redaktionellen Teil einer Publikation zuständig, er beurteilt ausschliesslich deren journalistische Inhalte. Die Werbung gehört nicht dazu. Entsprechend kann er sich auch nicht zur Platzierung von Werbung äussern. Auch wenn einzuräumen ist, dass das Zusammenwirken von Werbung und Inhalt bisweilen zu problematischen Wirkungen führen kann.

Im konkreten Fall kommt hinzu, dass nicht alle Benutzer der Websites mit der gleichen Werbung «versorgt» werden, dass die entstehende Wirkung also je nach Betrachter unterschiedlich ist.

Der Presserat ist zwar zuständig, wenn es um das Erfordernis der klar erkennbaren Trennung von Werbung und redaktionellem Teil geht (Ziffer 10 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» und die zugehörige Richtlinie 10.1). In vorliegenden Fall ist aber die Werbung deutlich als solche erkennbar und vom fraglichen Beitrag abgetrennt.

Die vom Beschwerdeführer angeführten Bestimmungen, Ziffer 8 der «Erklärung» (Menschenwürde) und Richtlinien 7.8 (Notsituationen), 8.1 (Menschenwürde), 8.4 (Bilder über Konflikte) wären allenfalls hinsichtlich des gezeigten Videoausschnitts des verletzten Oscar Perez in seiner Not in Betracht zu ziehen. Sie beziehen sich aber nicht auf die vom Beschwerdeführer gerügte Kombination von Werbung und redaktionellem Inhalt, sie fallen demnach ausser Betracht.

Hinzu kommt, dass selbst wenn der Beschwerdeführer nur den Inhalt und die Ausstrahlung des Videos von Perez gerügt hätte, diese Bestimmungen kaum anwendbar gewesen wären, weil Perez, selber eine Person des öffentlichen Interesses, die Öffentlichkeit mit dieser Aufnahme bewusst gesucht hat.

Wenn der Presserat – wie eingangs erwähnt – gemäss Artikel 2 des Geschäftsreglements nicht zuständig ist, beschliesst er gemäss Artikel 11 des Geschäftsreglements, auf die Beschwerde nicht einzutreten.

III. Feststellung

Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.