Nr. 1/2001
Einseitige Berichterstattung / Nichtabdruck eines Leserbriefes

(L. c. NZZ)

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I. Sachverhalt

A. Mit Beschwerde vom 12. November 2000 gelangte L. an den Schweizer Presserat und rügte, die NZZ habe im Vorfeld der Abstimmung über die Weiterführung der Städtepartnerschaft Zürich-KunMing neben anderen, „erneut sehr negativen Artikeln über China”, in ihrer Ausgabe vom 27. Oktober 2000 drei ausschliesslich sehr negative Leserbriefe zur Städtepartnerschaft Zürich-KunMing gebracht. Positive Leserbriefe seien demgegenüber bis zur Einreichung der Beschwerde an den Presserat nicht veröffentlicht worden. Auf seinen eigenen Leserbrief vom 28. Oktober 2000 habe er nicht einmal eine Antwort erhalten. Er beschwerte sich über diese einseitige Publikation von Leserbriefen, mit der offensichtlich das Abstimmungsergebnis beeinflusst werden solle.

B. Mit Schreiben vom 17. November 2000 gab der Beschwerdeführer bekannt, in der NZZ vom gleichen Tag seien nun doch vier weitere Leserbriefe zum Thema abgedruckt worden, die nun wenigstens einigermassen positiv seien. Die Leserbriefe seien aber nur ein Teil der negativen Haltung, die die NZZ-Redaktion gegenüber China einnehme. Konkret rügte der Beschwerdeführer den NZZ-Artikel vom 7. November 2000 mit dem Titel „Diplomatie auf dem Glatteis”, „der suggerieren will, das Generalkonsulat der Volksrepublik China hätte sich mit einer Stellungnahme zu dieser Abstimmung der Einmischung in die inneren Angelegenheiten schuldig gemacht. (…) Da es sich um ein Geschäft handelt, das China und alle mit China in Kontakt stehenden Schweizer direkt betrifft, ist es durchaus legitim, dass der Stimmbürger auch die Meinung der Betroffenen erfährt.” Die NZZ habe mit ihrer entstellten Darstellung im Vorfeld der Abstimmung gezielt Stimmung gegen China erzeugen wollen.

C. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 15. Januar 2001 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Der Schweizer Presserat hat zum Abdruck von Leserbriefen in ständiger Praxis (vgl. z.B. die Stellungnahme 16/2000 vom 16. Mai 2000 i.S. Oui à la vie c. „La Liberté” mit weiteren Verweisen) daran festgehalten, dass eine Redaktion unter berufsethischen Gesichtspunkten frei ist, über den Abdruck von Leserbriefen zu entscheiden. Unter diesen Umständen erweist sich die Rüge des Beschwerdeführers, die NZZ habe vorerst einseitig nur negative Leserbriefe publiziert bzw. sein Leserbrief vom 28. Oktober 2000 sei zu Unrecht nicht abgedruckt worden, von vornherein als unbegründet. Die entsprechende Rüge des Beschwerdeführers entbehrt umso mehr jeglicher Grundlage als er in seinem Schreiben vom 17. November 2000 selber eingeräumt hat, dass die NZZ auch Leserbriefe veröffentlicht hat, die sich wie der Beschwerdeführer für die Weiterführung der Städtepartnerschaft Zürich-Kunming aussprachen.

2. Der Schweizer Presserat hat weiter wiederholt darauf hingewiesen, dass aus der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten keine Pflicht zu objektiver, ausgewogener Berichterstattung abgeleitet werden kann, weshalb auch eine einseitige und parteiergreifende Berichterstattung zulässig ist (vgl. z.B. die Stellungnahme i.S. U. AG. c. „Beobachter” vom 26. Juni 1996, Sammlung 1996, S. 43ff.) Dementsprechend braucht im vorliegenden Zusammenhang gar nicht erst geprüft zu werden, ob die angeblich einseitige Berichterstattung der NZZ im Vorfeld der Abstimmung den Tatsachen entspricht. Denn selbst wenn die NZZ einseitig berichtet haben sollte, hätte sie damit keine berufsethischen Normen verletzt. Darüber hinaus erscheint es im Lichte der Freiheit des Kommentars und der Kritik offensichtlich zulässig, eine Stellungnahme des Generalkonsulats der Volksrepublik China zur bevorstehenden Abstimmung in einem Kommentar kritisch zu hinterfragen, zumal der Leserschaft im NZZ-Artikel vom 7. November 2000 auch die der Kommentierung zugrundeliegenden Fakten umfassend bekanntgegeben werden (vgl. hierzu die Stellungnahme i.S. H c. Zuger Presse vom 1. Oktober 1999, Sammlung 1999 S. 129ff.). Die Beschwerde erweist sich deshalb auch hinsichtlich der Rüge der vom Beschwerdeführer geltend gemachten einseitigen Berichterstattung der NZZ als von vornherein offensichtlich unbegründet.

III. Feststellungen

Die Beschwerde wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.