I. Sachverhalt
A. Am 16. Mai 2003 veröffentlichte die «Schweizerzeit» unter dem Titel «Sprachregelung» eine Glosse von «Cato». Darin hat der Glossator den dem Propagandaminister des Dritten Reiches, Josef Goebbels, zugeschriebenen Begriff «Sprachregelung» paraphrasiert und mit Adolf Ogi in Verbindung gebracht: «Adolf der Letzte hat ebenfalls einen Propaganda-Sprecher und -Schreiber ernannt, Dr. Oswald S., der auch unter dem neuen VBS-Chef noch immer wirkt und amtet. Und in der Propagandaschlacht des Departements gegen das Referendum über die Armee XXI findet der historische Begriff ÐSprachregelungð plötzlich wieder Anwendung. Zur Vorbereitung von Diskussionen werden vom VBS Blätter mit der Überschrift ÐSprachregelungð herausgegeben. (…) In der Brockhaus-Enzyklopädie (1973, Band 17) ist übrigens unter dem Stichwort ÐSprachregelungð folgendes zu lesen: ÐIn autoritären und totalitären Staaten ist die Sprachregelung ein Mittel der Kommunikationspolitik.ð Offensichtlich gehört die Propaganda-Abteilung des VBS zu dieser Sorte.»
B. Am 21. Mai 2003 beschwerte sich alt Bundesrat Adolf Ogi beim Presserat darüber, dass er in der «Schweizerzeit» «mit einem der grössten Verbrecher und Massenmörder der Weltgeschichte» verglichen worden sei. Die Zeitung habe damit die Ziffern 7 (Persönlichkeitsschutz) und 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
C. In einer Stellungnahme vom 27. Juni 2003 räumte der Chefredaktor der «Schweizerzeit», Ulrich Schlüer, ein: «Uns war von allem Anfang an klar, dass uns mit der Publikation dieser Glosse eine Fehlleistung unterlaufen war.» Diese sei aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Nationalrat und Mitglied des Zürcher Verfassungsrates und aufgrund eines Missverständnisses zwischen Redaktion und Chefredaktor entstanden. Fälschlicherweise sei man gegenseitig davon ausgegangen, dass der Text der Glosse vor der Drucklegung geprüft worden sei bzw. sich im Rahmen des Üblichen bewegt habe. «Auch wenn in der Glosse von ÐCatoð keine unmittelbare Gleichsetzung von Exponenten des VBS mit Kriegsverbrechern des Dritten Reiches stattfindet, so ist die schlaksige Erweiterung der ÐSprechregelungsð-Glosse auf Exponenten des Dritten Reiches deplaciert und für die erwähnten Personen beleidigend.» In Absprache mit dem VBS habe die «Schweizerzeit» in der Ausgabe vom 30. Mai 2003 dessen Stellungnahme an gleicher Stelle abgedruckt, an der zwei Wochen zuvor die Glosse von «Cato» stand. Die Stellungnahme sei zudem «durch einen vom Chefredaktor verfassten kurzen Kommentar an die Leser» ergänzt worden, «in welchem wir die redaktionelle Fehlleistung bedauerten und uns dafür entschuldigten». Gegenüber Adolf Ogi habe Chefredaktor Schlüer zudem in einem Schreiben vom 27. Mai 2003 sein Bedauern über das Vorgefallene ausgedrückt und habe ihn dafür um Entschuldigung gebeten. «Mit ebenfalls handschriftlichem Brief vom 6. Juni 2003 akzeptierte Alt Bundesrat Adolf Ogi die Entschuldigung und erklärte Ðdie Sache auf der persönlichen Ebene für erledigt.ð»
D. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.
E. Am 3. Juli 2003 erklärte der Presserat den Schriftenwechsel als geschlossen und teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt.
F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 26. September 2003 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Weder der dem Beschwerdegegenstand zugrundeliegende Sachverhalt noch dessen berufsethische Bewertung ist vorliegend grundsätzlich strittig, da die Beschwerdegegnerin einräumt, mit der Publikation des vom Beschwerdeführer beanstandeten Vergleichs einen Fehler gemacht zu haben. Zu prüfen ist damit in erster Linie die Zuordnung des Sachverhalts zu einzelnen Bestimmungen der «Erklärung», namentlich zu den Ziffern 7 (Persönlichkeitsschutz) und 8 (Menschenwürde). Nicht Gegenstand der Beschwerde und damit auch nicht der nachfolgenden Erwägungen ist das positiv zu wertende Verhalten der Redaktion der «Schweizerzeit» nach Erscheinen der Glosse.
2. a) Unter dem Gesichtspunkt der Kommentarfreiheit liesse sich zwar geltend machen, die Leserschaft sei nicht in die Irre geführt worden. Kein Leser werde davon ausgehen, das Verhalten des VBS im Zusammenhang mit dem Abstimmungskampf gegen das Referendum über die Einführung der Armee XXI entspreche ernsthaft demjenigen des Propagandaapparates des Dritten Reiches. So ist der Presserat in seiner Stellungnahme 35/2003 jüngst zum Schluss gelangt, allein aus der unter Geschmacks- und Sinngesichtspunkten zwar fragwürdigen Verschiebung eines Zitats aus einer Rede von Adolf Hitler auf Bundeskanzler Schröder (es ging dort um Pearl Harbour 1941, hier um den Irak-Krieg 2003) lasse sich noch keine «ungerechtfertigte Anschuldigung» im Sinne von Ziffer 7 des Journalistenkodexes ableiten. Denn die Leserschaft sei nicht dahingehend getäuscht worden, das Verhalten Schröders im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg sei auch nur annähernd gleich zu werten, wie dasjenige Hitlers im Zweiten Weltkrieg.
b) Vorliegend geht die Glosse von Cato aber weit über ein Wortspiel mit dem Begriff «Sprachregelung» und über die Verschiebung von Begriffen zwischen sehr unterschiedlichen Kontexten hinaus. Mit den vergleichenden Paarbildungen «Adolf der Letzte» und «Adolf der Zweitletzte» bzw. «Dr. Oswald S.» und «Dr. Josef G.» setzt die Glosse die Personen Adolf Ogi und Adolf Hitler bzw. Oswald Sigg und Josef Goebbels zwar vielleicht nicht gerade gleich, suggeriert diesen diffamierenden Schluss aber doch und erhebt damit offensichtlich ungerechtfertigte Anschuldigungen im Sinne von Ziffer 7 der «Erklärung».
3. Zu prüfen bleibt noch, ob die «Schweizerzeit» darüber hinaus auch die Menschenwürde des Beschwerdeführers verletzt hat. Zwar kann der Presserat nachvollziehen, dass alt Bundesrat Adolf Ogi gerade durch die Anspielung auf seinen Vornamen besonders verletzt worden ist. Trotzdem zielt die Diffamierung aber in erster Linie auf den früheren Politiker und weniger auf den Menschen Adolf Ogi und dessen Eigenschaften. Zudem erscheint auch die Art und Weise der Darstellung nicht als derart erniedrigend, dass die Menschenwürde im Sinne von Ziffer 8 der «Erklärung» verletzt erscheint. Ungeachtet dieser Überlegungen ist die Beschwerde aber insgesamt begründet und dementsprechend vollständig gutzuheissen.
III. Feststellung
Die Beschwerde wird gutgeheissen.