I. Sachverhalt
A. In ihrer Ausgabe vom 30.1.2005 berichtete die «SonntagsZeitung» unter dem gross aufgemachten Titel «Korruption: scharfe Kritik am Bundesanwalt» und dem Untertitel «Laut OECD-Bericht tut die Schweiz zu wenig gegen Schmiergeldzahlungen» über einen damals «noch unveröffentlichten 60-seitigen Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)». Der von Catherine Boss unter Mitarbeit von Yves Carpy verfasste Artikel zitiert den Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth: «der Bericht ist sehr kritisch». Weiter berichtete die «SonntagsZeitung», mit dem OECD-Bericht gerate «zum wiederholten Mal der oberste Schweizer Strafverfolger, Bundesanwalt Valentin Roschacher, in die Kritik. Bei den grossen Wirtschaftsfällen – Jukos, Oskar Holenweger, Dieter Behring – reihte sich in seinem Amt Misserfolg an Misserfolg.» Die «scharfe Kritik der OECD-Ermittler» werde die Position Roschachers weiter schwächen. Die OECD verlange konkrete Massnahmen von der Schweiz. Namentlich sollten in komplexen Fällen die Bundesgerichte zuständig sein (was indirekt auf die mangelhafte Arbeit der Bundesanwaltschaft hinweise) und sollten Bundesangestellte von Gesetzes wegen verpflichtet werden, Anzeige zu erstatten, wenn sie den Verdacht hätten, dass Korruption im Spiel sei. Auf Seite 3 der gleichen Ausgabe erschien ein weiterer Artikel von Catherine Boss zum gleichen Thema mit dem Titel «Bundesanwalt muss Korruption stärker bekämpfen» und dem Untertitel «Mangel an Erfahrung und Fachwissen erschwert die Umsetzung der OECD-Forderung».
B. Am 27. Juni 2005 gelangte Bundesanwalt Valentin Roschacher mit einer Beschwerde gegen die am 30. Januar 2005 in der «SonntagsZeitung» erschienenen Berichte an den Presserat. Der Beschwerdeführer rügt, insbesondere der Titel der beanstandeten Berichterstattung «Korruption: Scharfe Kritik am Bundesanwalt» verstosse gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten»). Unwahr seien zudem auch die Aussagen, die Bundesanwaltschaft bekämpfe die Korruption zu wenig aggressiv und «im Amt von Valentin Roschacher reiht sich Misserfolg an Misserfolg bei den grossen Wirtschaftsfällen – Jukos, Oskar Holenweger, Dieter Behring». Die «SonntagsZeitung» habe Fakten und kommentierende, kritisierende Wertungen vermischt (Richtlinie 2.3 zur «Erklärung») und wichtige Elemente von Informationen unterschlagen (Ziffer 3 der «Erklärung»). Sie vermittle damit der Leserschaft ein falsches Bild der Amtstätigkeit des Bundesanwalts und der Bundesanwaltschaft. Die «SonntagsZeitung» habe weiter die Pflicht zur Anhörung bei schweren Vorwürfen (Richtlinie 3.8 zur «Erklärung») nicht respektiert und Professor Pieth offensichtlich falsch zitiert. Schliesslich habe die Zeitung trotz eines eingehenden Gesprächs mit der Bundesanwaltschaft den Abdruck einer Berichtigung verweigert.
C. In ihrer Beschwerdeantwort vom 3. Oktober 2005 beantragte die durch den Rechtsdienst der Tamedia AG vertretene Redaktion der «SonntagsZeitung», die Beschwerde sei abzuweisen. Der beanstandete Titel enthalte keine falschen Tatsachendarstellungen. Die Interpretation, die Bundesanwaltschaft bekämpfe Schmiergeldfälle zu wenig aggressiv und zu wenig effektiv, sei gestützt auf den OECD-Bericht zulässig. Die Kritik an der Arbeit in der Bundesanwaltschaft in den Fällen Jukos, Holenweger oder Behring sei zudem keine Erfindung der «SonntagsZeitung». Weiter sei Professor Pieth korrekt zitiert worden. Er habe der Autorin Catherine Boss wörtlich gesagt, «die Verfolgungspolitik sei zu wenig aggressiv» und der Bericht «sei sehr kritisch». Die «SonntagsZeitung» habe weder Fakten und Kommentare vermischt noch wichtige Elemente unterschlagen. Da keine falschen Tatsachen publiziert worden seien, habe es auch nichts zu berichtigen gegeben. Die von der Bundesanwaltschaft verlangte Richtigstellung sei zudem viel zu weitschweifig gewesen.
D. Das Präsidium des Presserats wies die Beschwerde seiner 3. Kammer zu, der Esther Diener Morscher als Präsidentin sowie Judith Fasel, Claudia Landolt Starck, Peter Liatowitsch, Roland Neyerlin, Daniel Suter und Max Trossmann angehören.
E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 8. Dezember 2005 sowie auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Soweit Bundesanwalt Roschacher geltend macht, die beanstandete Berichterstattung der «SonntagsZeitung» vermische Fakten und kommentierende Wertungen und unterschlage wesentliche Informationselemente, erachtet der Presserat die Beschwerde als unbegründet. Die Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) gebietet keine formale Trennung von Informationen und Einschätzungen. Für die Leserschaft der «SonntagsZeitung» war aus dem Text von Catherine Boss ersichtlich, dass sie auf der Grundlage des ihr vorgängig zugespielten OECD-Berichts eine kritische, wertende Einschätzung der Tätigkeit der Bundesanwaltschaft bei der Korruptionsbekämpfung vornahm. Und selbst wenn sich der OECD-Bericht zur Korruptionsbekämpfung in der Schweiz nur zu einem kleinen Teil mit der Tätigkeit des Bundesanwaltschaft auseinandersetzt, ist es journalistisch zulässig, sich in der Berichterstattung auf einen einzelnen Aspekt zu fokussieren, der aber nicht verzerrt wiedergegeben werden darf (Stellungnahmen 9/1994, 54/2004, 4/2005). Näher zu prüfen sind hingegen nachfolgend die geltend gemachten Verletzungen der Wahrheits- und Berichtigungspflicht sowie die Vorwürfe der unterlassenen Anhörung bei schweren Vorwürfen und der inkorrekten Wiedergabe eines Zitats von Professor Pieth.
2. a) Grundlage des Berichts der «SonntagsZeitung» war der bereits mehrfach erwähnte Bericht einer OECD-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung in der Schweiz. Gemäss Angaben der Zeitung lag ihr der Bericht in der englischsprachigen Version vor. Der Presserat verfügt dagegen lediglich über die ihm von Bundesanwalt Roschacher mit der Beschwerde eingereichte französischsprachige Berichtsfassung. Ungeachtet von nicht von vornherein auszuschliessenden Differenzen zwischen den beiden Texten ist für den Presserat auch die in einer Diplomatensprache abgefasste französischsprachige Ausgabe schwierig einzuordnen. Soweit ersichtlich, lässt der Bericht Interpretations- und Wertungsspielräume offen. Der differenzierte Befund der Experten enthält zu den einzelnen Bereichen neben wiederholtem Lob («les experts saluent les efforts engagés par les autorités helvetiques») auch verschiedene Hinweise und Empfehlungen, auch solche zu Handen der Strafverfolgungsbehörden. So seien auch nach dem Ausbau der Bundespolizei nur sehr wenige Verfahren aus eigener Initiative eingeleitet worden; meist seien die entsprechenden Strafuntersuchungen vom Ausland initiiert worden (Ziffer 33 des Berichts, S. 15). Weiter sei zum Zeitpunkt der Untersuchungen der Arbeitsgruppe vor Ort angesichts der noch beschränkten personellen Kapazitäten der Strafverfolgungsbehörden des Bundes zu vermuten, dass weiterhin eigentlich der ausschliesslichen Bundeskompetenz zugedachte Fälle bei den dafür teils schlecht geeigneten Kantonen landen würden (Ziffer 70, S. 28). Mit der Umsetzung der Effizienzvorlage sei zwar einerseits eine zunehmende Zahl von Fällen von den Kantonen an den Bund übertragen worden, anderseits hätten sich aber dessen Strafverfolgungsbehörden weniger schnell als vorgesehen entwickelt. Dies habe diese dazu gezwungen, Prioritäten bei der Verbrechensbekämpfung zu setzen (Ziffer 73, S. 29). Diese Bemerkungen führten die Experten schliesslich zur Schlussfolgerung: «Le vœu de voir créer une autorité fédérale de poursuite pénale qui soit forte, indépendante et centrale, ne peut toutefois être réalisé que si celle-ci dispose de moyens nécessaires. Dans ce contexte, les examinateurs principaux invitent le Groupe de travail à procéder à un suivi afin de vérifier si la S
uisse continue à mettre à la disposition des autorités de poursuite pénale fédérales les moyens nécessaires pour assurer la poursuite efficace de l’infraction de corruption d’agents publics étrangers» (S. 30).
b) Ob man diese Vorbehalte und Hinweise des OECD-Berichts – wie dies die «SonntagsZeitung» geltend macht – als Kritik an der «Verfolgungspolitik der Schweiz» sieht oder ob man im Gegenteil wie der Beschwerdeführer zum Schluss gelangt, der Bericht falle für die Strafverfolgung des Bundes ausschliesslich positiv aus, hängt letztlich vom Standpunkt des Betrachters und dessen Wertungen ab. Nach Lesart des Presserats attestiert der Bericht der Schweiz, grundsätzlich auf guten Wegen zu sein, wenn auch der eingeschlagene Prozess konsequent zu Ende zu führen sei und sich punktuelle Verbesserungen aufdrängten. Auch bei einer grosszügigen Auslegung der Kommentarfreiheit führt es jedenfalls zu weit, aus der im Bericht enthaltenen allgemeinen Forderung an die Schweiz und ihre Behörden, bei der Korruptionsbekämpfung (noch) aktiver zu werden, abzuleiten, diese Hinweise und Empfehlungen richteten sich in erster Linie an die Bundesanwaltschaft und kritisierten den Beschwerdeführer persönlich. Diesen durch den Bericht nicht gedeckten wahrheitswidrigen Eindruck erhält die Leserschaft insbesondere durch den überspitzten Titel «Korruption: Scharfe Kritik am Bundesanwalt». Denn eine «scharfe» Kritik am Beschwerdeführer ist dem Bericht auch bei sehr einseitiger Interpretation nicht zu entnehmen. Hingegen ist der weitere Titel «Bundesanwaltschaft muss Korruption stärker bekämpfen» zusammen mit dem Untertitel «Mangel an Erfahrung und Fachwissen erschwert die Umsetzung der OECD-Forderung» ebenso wenig zu beanstanden wie die Lauftexte der beiden Artikel.
c) Dies gilt auch für die harsche Kritik der «SonntagsZeitung», wonach sich «bei den grossen Wirtschaftsfällen – Jukos, Oskar Holenweger, Dieter Behring» bei der Bundesanwaltschaft Misserfolg an Misserfolg reihe. Wie sich aus den von der Beschwerdegegnerin eingereichten Berichten anderer Medien ergibt, ist der Beschwerdeführer in jüngerer Zeit nicht nur in der «SonntagsZeitung» ins Kreuzfeuer der (Medien-)Kritik geraten. Es kann nicht Sache des Presserates sein, den dieser Kritik zugrunde liegenden Sachverhalt zu erforschen und zu beurteilen, ob diese Kritik im Einzelnen gerechtfertigt ist oder nicht. Unbestrittenermassen bezog sich ein wesentlicher Teil der Kritik in der Öffentlichkeit auf die drei erwähnten Fälle, in denen auch aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden nicht immer alles nach Plan verlaufen ist. Die daraus abgeleitete – für die Leserschaft als kommentierende Wertung erkennbare und deren faktischen Grundlagen wenigstens in Stichworten nennenden – Formulierung, in seiner Amtsführung reihe sich Misserfolg an Misserfolg, mag aus Sicht des Beschwerdeführers zwar als hart und ungerechtfertigt erscheinen, überschreitet den weit auszulegenden Rahmen der Kommentarfreiheit aber nicht. Zumal daraus entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers für die Leserschaft keineswegs der Eindruck entsteht, auch der OECD-Bericht und der Vorsitzende der Arbeitsgruppe OECD teile diese Kritik.
3. a) Die Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» lautet: «Aus dem Fairnessprinzip und dem ethischen Gebot der Anhörung beider Seiten (‹audiatur et altera pars›) leitet sich die Pflicht der Journalistinnen und Journalisten ab, Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören. Deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben. Ausnahmsweise kann auf die Anhörung verzichtet werden, wenn dies durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist. Der von schweren Vorwürfen betroffenen Partei muss nicht derselbe Umfang im Bericht zugestanden werden wie der Kritik. Aber die Betroffenen sollen sich zu den schweren Vorwürfen äussern können.»
b) Obwohl sich der OECD-Bericht zur Korruptionsbekämpfung in der Schweiz nicht spezifisch zum Beschwerdeführer und seiner Amtsführung äussert, richtet die «SonntagsZeitung» ihre Berichterstattung stark auf seine Person aus und behauptet, nach der – von ihm Ende 2004 zurückgewiesenen – bisherigen Kritik an seiner Arbeit, werfe ihm der OECD-Bericht vor, nun auch noch zu wenig gegen die Korruption zu unternehmen. Dieser Vorwurf, zu dem Bundesanwalt Roschacher in den beiden Berichten vom 30. Januar 2005 nicht direkt zu Wort kommt, wiegt schwer und hätte deshalb eine vorgängige Anhörung zwingend erfordert.
c) Die «SonntagsZeitung» macht dazu geltend, die Autorin habe im Vorfeld der beanstandeten Kommunikation verschiedentlich versucht, Kontakt aufzunehmen und Nachrichten zu hinterlassen, doch nie einen Rückruf erhalten. Der Pressechef der Bundesanwaltschaft sei abwesend, sein Stellvertreter Peter Lehmann schwierig zu erreichen gewesen. Deshalb habe der Standpunkt der Bundesanwaltschaft nicht in den Text aufgenommen werden können.
d) Ist ein von schweren Vorwürfen Betroffener für eine Stellungnahme nicht erreichbar, müssen Journalistinnen und Journalisten vorab abwägen, ob ein Aufschub der Publikation zumutbar wäre. Zumindest aber sollten sie im Artikel erwähnen, dass der Betroffene für eine Stellungnahme nicht erreichbar war (vgl. z.B. die Stellungnahmen 60/2004 und 3/2005). Vorliegend hätte die «SonntagsZeitung» ebenso zumindest darauf hinweisen müssen, dass sie die Bundesanwaltschaft vor der Publikation nicht für eine Stellungnahme erreichte.
4. a) Gemäss Ziffer 5 der «Erklärung» sind Journalistinnen und Journalisten verpflichtet, jede von ihnen veröffentlichte Meldung zu berichtigen, deren materieller Inhalt sich ganz oder teilweise als falsch erweist. Die Richtlinie 5.1 zur «Erklärung» verdeutlicht hierzu, dass die Berichtigungspflicht von den Medienschaffenden von sich aus wahrzunehmen ist. Die Berichtigungspflicht erstreckt sich auf sämtliche relevanten Fakten eines Artikels, auch wenn diese nicht zentral für dessen Aussage erscheinen. Allerdings hat der Presserat jüngst darauf hingewiesen, dass eine Pflicht zur Veröffentlichung einer Berichtigung nur dann besteht, wenn diese verhältnismässig erscheint (Stellungnahme 26/2005).
b) Im konkreten Fall hätte die blosse Berichtigung des Titels «Korruption: Scharfe Kritik am Bundesanwalt» als überspitzt kaum Sinn gemacht. Hingegen wäre es fair gewesen, den Beschwerdeführer wenigstens nachträglich in einer kurzen Stellungnahme zu Wort kommen zu lassen (Stellungnahmen 13/2001; 54/2004).
5. a) Der Beschwerdeführer legt für seine Behauptung, Professor Pieth sei von der «SonntagsZeitung» falsch zitiert worden, ein Schreiben des Staatssekretariats für Wirtschaft, Abteilung Welthandel, vom 28. April 2005 als Beleg vor. Darin wird wiederum Professor Mark Pieth zitiert, der u.a. Folgendes ausgeführt habe: «Ich muss feststellen, dass diese Berichte sehr unpräzise abgefasst sind. Ich habe tatsächlich mit Frau Boss gesprochen, die mich mit Gerüchten über den Bericht konfrontiert hatte. Ich hatte ihr bestätigt, was ich im Januar oder Februar in Paris an einer Pressekonferenz gesagt hatte: Die OECD Working Group on Bribery scheut sich nicht, auch grosse Länder zu kritisieren. Ich hatte damals v.a. Japan, Italien und England erwähnt, hatte aber beigefügt, dass auch etwa die Schweiz kritisiert wird. Verschiedene Medien haben dies hochstilisiert zur Aussage, der Bericht über die Schweiz sei kritisch oder sehr kritisch. Das Zitat, das Frau Boss hier verwendet, wirkt aus dem Zusammenhang gerissen und bezieht sich nicht auf die Bundesanwaltschaft.» Weiter führt das Seco aus: «In seiner Antwort fügt Herr Pieth an, dass die Bundesanwaltschaft sich – ungeachtet der erwähnten Unzulänglichkeiten der Berichterstattung – mit den durch die ‹SonntagsZeitung› angesprochenen Themen auseinandersetzen sollte.»
b) Die «SonntagsZeitung» hält dazu «mit Nachdruck fest, dass sie Professor Pieth korrekt zitiert hat. Herr Pieth hat Autorin Catherine Boss wörtlich erklärt, dass ‹die Verfolgungspolitik zu wenig aggressiv› un
d der Bericht ‹sehr kritisch› sei. In einem Recherchegespräch zog Professor Pieth gegenüber der Autorin das Fazit, der Bericht sei eine ‹harte Kritik an den Strafverfolgungsbehörden›, weil diese eine ‹wenig aggressive Verfolgungspolitik› betrieben. Dies entnimmt die Autorin ihren Notizen, die sie glücklicherweise aufbewahrt hat. Dieses Zitat wollte Professor Pieth später abgeschwächt haben. Er wollte sich als Kommissionsleiter nicht derart exponieren.»
c) Der Presserat ist angesichts dieser unterschiedlichen Darstellungen der Parteien und der ihm vorliegenden Belege nicht in der Lage, zu beurteilen, wie sich Professor Pieth im Gespräch mit Catherine Boss tatsächlich geäussert hat. Der Vorwurf, Herr Pieth sei von der «SonntagsZeitung» falsch zitiert worden, ist für ihn deshalb nicht erstellt. Zumal sich der Beschwerdeführer bloss auf ein indirektes Dementi stützt und Professor Pieth anlässlich der Präsentation des OECD-Berichts an der Pressekonferenz vom 1. Februar 2005 neben grundsätzlich guten Noten für die Schweiz offenbar auch auf «ernst zu nehmende Defizite» hinwies (vgl. Bericht der «Südostschweiz» vom 2. Februar 2005).
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2. Die «SonntagsZeitung» hat mit dem Titel «Korruption: Scharfe Kritik am Bundesanwalt» eine allgemeine Kritik an der Praxis der Korruptionsbekämpfung in der Schweiz in wahrheitswidriger Weise zu einem Vorwurf an den Bundesanwalt überspitzt und damit die Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten verletzt.
3. Die «SonntagsZeitung» wäre verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer vor der Veröffentlichung zum schweren Vorwurf anzuhören, er vernachlässige die Korruptionsbekämpfung. Zumindest hätte sie darauf hinweisen müssen, dass die Bundesanwaltschaft vor der Publikation für eine Stellungnahme nicht erreichbar war. Mit dieser Unterlassung hat sie die Richtlinie 3.8 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
4. Auch wenn die «SonntagsZeitung» nicht zur Veröffentlichung einer Berichtigung oder Richtigstellung verpflichtet war, wäre es fair gewesen, wenigstens nachträglich eine kurze Stellungnahme des Beschwerdeführers abzudrucken.
5. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.