I. Sachverhalt
A. In seiner Ausgabe Nr. 6/September 2006 veröffentlichte der «Quartier-Anzeiger für Witikon und Umgebung» unter dem Titel «80 Ministranten hat Seltenheitswert» ein Abschiedsporträt des zurücktretenden Präsidenten der katholischen Kirchgemeinde Witikon. Der Lead des von Erik Eitle verfassten Textes lautete: «20 Jahre war Urs Broder katholischer Kirchgemeindepräsident von Maria Krönung. Jetzt trat er ab. Zufrieden, denn es kommen mehr Junge in die Kirche als früher.» Neben der Erwähnung der mit verschiedenen Beispielen illustrierten «eindrücklichen Bilanz» des «versierten Kirchenrechtlers (und beruflichen Staatsanwalts)» spielt der Bericht am Schluss auch kurz auf einen Konflikt an: «Das ökumenische Klima in Witikon findet er immer noch gut, auch wenn sich das Pfarrer-Duo Y.-Z. wegen der schwachen Bistumsleitung damals ‹weit aus dem Fenster gelehnt und gemacht hat, was es wollte›. Die Retourkutsche kam, als ein Spitzel die Witiker im Vatikan verpfiff und der Churer Bischof deswegen nach Rom musste. Doch heute steht die Kirche wieder im Dorf.»
B. Am 19. September 2006 gelangte X. mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie beanstandete, beim letzten Abschnitt des obengenannten Berichts des «Quartier-Anzeigers» fehle eine klare Trennung zwischen Information und Kommentar. Insbesondere seien die gegenüber dem «Pfarrer-Duo Y.-Z.» erhobenen Vorwürfe für die nicht eingeweihten Leser nicht nachvollziehbar und hätten durch den Autor deshalb besser nachrecherchiert und für die Leserschaft in verständlicher Weise dargelegt werden müssen. Mit dieser Unterlassung habe der «Quartier-Anzeiger» die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht, Wahrheitssuche), 2 Kommentarfreiheit und 3 (Quellenbearbeitung, vollständige Information) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
C. In der Ausgabe Nr. 7/November 2006 veröffentlichte der «Quartier-Anzeiger für Witikon und Umgebung» drei Leserbriefe zum im September veröffentlichten Abschiedsporträt von Kirchgemeindepräsident Urs Broder sowie eine dazu gehörige Stellungnahme von Redaktor Erik Eitle.
Neben den Texten von zwei Leserinnen, die sich über die Aussagen von Urs Broder zu den beiden ehemaligen Pfarrern befremdet zeigten, äusserten sich in einem längeren Leserbrief auch die im Vorbericht erwähnten Y., ehemaliger reformierter Pfarrer, Witikon, und Z., ehemaliger katholischer Pfarrer, Witikon. Das Abschiedsporträt über Urs Broder enthalte zum Thema Ökumene «einige Unwahrheiten, Halbwahrheiten und Unterlassungen», die sie nicht einfach stehen lassen könnten. Sie hätten ihre ökumenischen Tätigkeiten nicht «wegen der schwachen Bistumsleitung» ausgeübt, sondern im Rahmen das Vatikanischen Konzils und ihrer seelsorgerischen Tätigkeit. Im Übrigen habe es nicht nur eine «schwache Bistumsleitung» gegeben, sondern auch zwei für die Innerschweiz und Zürich verantwortliche Weihbischöfe. Es könne unter diesen Umständen nicht die Rede davon sein, dass sie gemacht hätten, «was sie wollten». Dass das ökumenische Klima «noch immer gut ist», sei der «jahrzehntelangen ökumenischen, geschwisterlichen Arbeit (unter Reformierten und Katholiken) zuzuschreiben».
Die zugehörige Stellungnahme mit dem Titel «Viel Pulverdampf in der Kirche ohne Schuss auf die Kanzel» von Redaktor Erik Eitle lautete: «Der Artikel zum Rücktritt des katholischen Witiker Kirchgemeindepräsidenten (…) hat ungewohnt – ungewollt Wellen geworfen. Ein Wort zur Klärung tut not, denn die erhobenen Vorwürfe an die Adresse von Urs Broder sind ungerechtfertigt.» Dieser habe immer voll hinter der Ökumene gestanden und tue dies nach wie vor. Er habe lediglich den «mottenden Widerstand gegen die liturgischen Neuerungen» angedeutet und gesagt, «dass vor einiger Zeit der Wind aus Rom zu drehen schien. Der befürchtete Stillstand trat jedoch nicht ein, die Ökumene in Witikon blieb weiter in Bewegung. Deshalb – so die gemeinsame Bilanz des Gesprächs zwischen dem ‹Quartier-Anzeiger› und Urs Broder – habe sich die Aufregung gelegt. Etwas salopp formuliert ‹steht die Kirche wieder im Dorf›».
D. Am 7. November 2006 legte X. auch gegen die Berichterstattung in der November-Ausgabe des «Quartier-Anzeigers» Beschwerde ein. Sie vermisse eine Berichtigung des ersten Artikels und eine Entschuldigung bei den beiden Pfarrern. «Mit der Art der einleitenden Redaktionssätze» sei Erik Eitle «nicht aus der redaktionellen Verantwortung zu entlassen». Vielmehr habe der «Quartier-Anzeiger» erneut die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht, Wahrheitssuche), 2 Kommentarfreiheit und 3 (Quellenbearbeitung, vollständige Information) der «Erklärung» verletzt.
E. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Präsidium abzuweisen.
F. Das Presseratspräsidium, bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher, hat die vorliegende Stellungnahme per 25. Mai 2007 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Kommentarfreiheit (Ziffer 2 der «Erklärung») rügt, ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere auch die Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) keine formale Trennung zwischen Sachverhaltsdarstellung und Bewertung verlangt. Vielmehr genügt es, wenn das Publikum in der Lage ist, zwischen Fakten und kommentierenden, kritisierenden Einschätzungen zu unterscheiden. Sowohl bei der beanstandeten Passage des Artikels «80 Ministranten hat Seltenheitswert» in der Ausgabe September 2006 wie auch bei der darauffolgenden Stellungnahme des Redaktors («Viel Pulverdampf in der Kirche ohne Schuss auf die Kanzel») ist diese Voraussetzung nach Auffassung des Presserates offensichtlich erfüllt. Insbesondere die als Zitat gekennzeichnete umstrittene Äusserung, das frühere Pfarrer-Duo habe sich «weit aus dem Fenster gelehnt und gemacht, was es wollte» ist eindeutig als Wertung von Urs Broder erkennbar. Ebenso ist die kurze Stellungnahme von Erik Eitle in der darauffolgenden Ausgabe des «Quartier-Anzeigers» als kommentierende Antwort auf die gleichzeitig abgedruckten Leserbriefe erkennbar.
2. Ebenso wenig gestützt werden kann weiter der Standpunkt der Beschwerdeführerin, der «Quartier-Anzeiger» hätte vor der Veröffentlichung der umstrittenen Passage des Abschiedsporträts von Urs Broder den Hintergrund der früheren Ökumene-Diskussionen nachrecherchieren und zudem auch für nicht eingeweihte (später zugezogene) Leserinnen und Leser nachvollziehbar zusammenfassen sollen. Zwar ist ihr zuzugestehen, dass die umstrittene Passage des Abschiedsporträts durchaus in einem anderen, die beiden früheren Pfarrer stärker kritisierenden Sinne verstanden werden konnte, als dies der nachträglichen Interpretation des Redaktors in der Folgenummer entsprach. Trotzdem würde es nach Auffassung des Presserates hier zu weit gehen, dem «Quartier-Anzeiger» eine ungenügende Recherche vorzuwerfen und die Unterschlagung von wichtigen Informationselementen festzustellen. Später Zugezogene, die das Wirken des früheren «Pfarrer-Duos» nicht kannten, hätten sich auch mit zusätzlichen Erläuterungen nur schwerlich eine eigene Meinung bilden können, währenddem «Eingeweihte», wie dies auch die beiden abgedruckten Briefe von zwei Leserinnen und die vorliegende Beschwerde zeigen, sich trotz der missverständlichen Formulierung ein eigenes Bild machen konnten.
3. Zu prüfen bleibt die Frage, ob nichts wenigstens die beiden Pfarrer im Sinne der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» (Anhörungspflicht) vor der Publikation des Abschiedsporträts zwingend zur Aussage, sie hätten gemacht, was sie wollten, hätten befragt und ihre Stellungnahme zumindest kurz hätte wiedergegeben werden müssen. Voraussetzung
hierzu ist allerdings, dass die gegenüber den Betroffenen erhobenen Vorwürfen schwer erscheinen. Die unbestimmte metaphorische Anspielung an die beiden früheren Pfarrer, sie hätten sich etwas weit aus dem Fenster gelehnt und gemacht, was sie wollten, reicht nicht für einen schweren Sachvorwurf, der eine Anhörung zwingend machen würde (ebenso die Stellungnahme 8/2002 beim Vorwurf «Eine Spur zu stur»).
4. Wenn eine Verletzung der Ziffern 1 und 3 bereits in Bezug auf das in der Ausgabe September 2006 veröffentlichte Abschiedsporträt zu verneinen ist, gilt dies erst recht für die in der Folgeausgabe abgedruckten Reaktionen. Der «Quartier-Anzeiger» war nicht verpflichtet, eine Berichtigung oder gar eine Entschuldigung abzudrucken. Aufgrund der verschiedenen Standpunkte der veröffentlichten Zuschriften war die Leserschaft zudem ohne weiteres in der Lage, sich ein Bild über die Auseinandersetzung zu machen, zumal nun auch die beiden früheren Pfarrer zu Wort kamen.
III. Feststellung
Die Beschwerden werden abgewiesen.