Nr. 2/2008
Wahrheitspflicht / Unterschlagung wichtiger Informationen / Informationsfreiheit

(X. c. «St. Galler Tagblatt») Stellungnahme des Presserates vom 18. Januar 2008

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I. Sachverhalt

A. Am 11. August 2007 berichtete das «St. Galler Tagblatt» mit einem mittelgrossen Artikel über die Eröffnung der Kinderkrippe «Tutti Frutti» im St. Galler Stadtquartier Heiligkreuz. Mit dieser Eröffnung werde eine Lücke geschlossen, sei doch Heiligkreuz bisher das einzige Stadtquartier ohne Kindertagesstätte gewesen. Neben einem kurzen Abriss zur Entstehungsgeschichte stellte der Bericht die Leiterin der Tagesstätte vor, für die ein Traum in Erfüllung gehe. Bereits seien für das erste Betriebsjahr alle Plätze belegt. Schliesslich zitiert das «St. Galler Tagblatt» die Projektleiterin des Kindertagesstättennetzwerks des Kantons St. Gallen sowie eine Stadtparlamentarierin, die beide die Wichtigkeit dieses zusätzlichen Betreuungsangebots betonen.

B. Am 10. September 2007 gelangte X. mit einer Beschwerde gegen den Bericht vom 11. August 2007 an den Presserat. Er beanstandete, das «St. Galler Tagblatt» habe in seinem Artikel zwar etliche bei der Eröffnungsfeier der Kinderkrippe anwesende Gäste erwähnt, dabei aber den Hauptredner unterschlagen, einen extra aus Wil angereisten Kantonsrat. Nicht einmal dessen Anwesenheit oder die Tatsache, dass er die Eröffnungsrede hielt, sei erwähnt worden. Mit dieser Unterlassung habe das «St. Galler Tagblatt» die Ziffern 1 (Wahrheit), 2 (Informationsfreiheit) und 3 (Unterschlagung wichtiger Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt

C. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen.

D. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg sowie Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina hat die vorliegende Stellungnahme per 18. Januar 2008 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägung

Nach Auffassung des Beschwerdeführers hätte das «St. Galler Tagblatt» in seinem Bericht über die Eröffnung der Kinderkrippe «Tutti Frutti» zumindest den Namen und die Funktion des Eröffnungsredners und die Tatsache erwähnen müssen, dass dieser die Eröffnungsrede hielt. Er übersieht dabei jedoch zweierlei:

Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass der Presserat die Auswahl der zu veröffentlichenden Informationen in das freie Ermessen der Redaktionen stellt (vgl. z.B. die Stellungnahmen 11/1998, 23/2004, 53/2007). Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der in Ziffer 2 der «Erklärung» angesprochenen Freiheit der Information und des Kommentars. Entsprechend wäre das «St. Galler Tagblatt» nicht einmal verpflichtet gewesen, überhaupt über die Eröffnung zu berichten.

Ebenso ist diese Freiheit der Auswahl, Gewichtung und Bewertung der journalistisch bearbeiteten Information gewährleistet, wenn sich ein Medium zu einer Berichterstattung entschliesst. Für die journalistische Bearbeitung und Veröffentlichung von Informationen ist nicht massgebend, welche Aspekte und Themen der Veranstalter eines Anlasses als wichtig und zentral erachtet (Stellungnahme 7/2000). Ebenso wenig hat ein eigens für einen Anlass angereister Politiker, der eine Rede hält, Anspruch darauf, im Medienbericht erwähnt zu werden. Im konkreten Fall erscheint es zudem gerade aus Sicht der Leserschaft vertret- und nachvollziehbar, dass das «St. Galler Tagblatt» in seinem Bericht über die Eröffnung der Kinderkrippe «Tutti Frutti» den Akzent nicht auf den Eröffnungsanlass und die Eröffnungsrede, sondern vielmehr auf die Entstehungsgeschichte und Bedeutung der Institution und deren konkretes Angebot setzte.

III. Feststellung

Die Beschwerde wird abgewiesen.