I. Sachverhalt
A. Am 26. September 2010 berichtete der «SonntagsBlick» unter dem Titel «Polizeischutz für Berner Regierungsrat», der Berner Justizdirektor, Christoph Neuhaus, sei von einem «Querulant» massiv bedroht worden. «Auch im Regierungsstatthalteramt wütete der selbsternannte Finanzexperte herum. Regierungsrat Neuhaus bestätigt: ‹Ich bekam deshalb vorübergehend Polizeischutz.›» Das Regierungsstatthalteramt habe einen fürsorgerischen Freiheitsentzug geprüft, um X. «aus dem Verkehr zu ziehen. Dieser bestreitet die Drohungen, ist aber seither untergetaucht. ‹Ich meide den Kanton Bern, damit man mich nicht versorgen und beseitigen kann›, sagt er.» X. gelte als Behördenschreck. Im Gespräch habe er betont, er sei ein «ausgezeichneter Scharfschütze». Das mache Angst und habe schon mehrfach dazu geführt, dass Leute wegen X. «unter Polizeischutz gestellt wurden». Illustriert ist der Bericht je mit einem kleinen Bild von Regierungsrat Neuhaus und von X. Bei letzterem ist die Augenpartie mit einem breiten schwarzen Balken überdeckt.
B. TeleBärn brachte unter Berufung auf den «SonntagsBlick» gleichentags eine Kurzmeldung, wonach Justizdirektor Neuhaus am 12. August 2010 von einem 56-jährigen Mann massiv bedroht worden sei. Wegen dieser Bedrohung sei der SVP-Politiker vorübergehend durch die Polizei beschützt worden.
C. Tags darauf berichtete auch «20 Minuten», ebenfalls unter Anführung des «SonntagsBlick» als Quelle, über die Drohung gegen den Berner Justizdirektor. Der Bieler Amok-Rentner sei nicht der einzige Behördenschreck. Im August habe der Querulant X. laut «SonntagsBlick» massive Drohungen gegen den Berner Regierungsrat Christoph Neuhaus ausgestossen. «‹Er hat mir mit dem Tod gedroht›, so Neuhaus.» Dieser habe daraufhin vorübergehend Polizeischutz erhalten. Auslöser der Drohungen sei eine Million Dollar gewesen, die auf einem Konto von X. «entdeckt wurde und in die Konkursmasse einfloss, nachdem dessen Firma pleitegegangen war. Der selbsternannte ‹ausgezeichnete Scharfschütze› ist untergetaucht.»
D. Am 14. Oktober 2010 beschwerte sich X. beim Presserat gegen die drei obengenannten Medienberichte, die ihn «total zu Unrecht» desavouierten. Die beiden Artikel von «SonntagsBlick» und «20 Minuten» verstiessen «klar» gegen die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Entstellung von Tatsachen), 5 (Berichtigung), 7 (Privatsphäre) und 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten».
E. Auf Anfrage des Presserates, ob der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den beanstandeten Medienberichten ein Gerichtsverfahren anhängig gemacht habe oder ein solches noch einzuleiten gedenke, antwortete X. am 22. Oktober 2010, die Einleitung eines Gerichtsverfahrens sei abhängig von der Entscheidung des Presserates.
F. Am 2. November 2010 beantragte Matthias Lauterburg, Redaktionsleiter, namens der Redaktion von TeleBärn, die Beschwerde sei abzuweisen. Nach der Lektüre der Papiere des Beschwerdeführers komme TeleBärn zum Schluss, dass die Kurzmeldung vom 26. September 2010 sehr wohl gerechtfertigt gewesen sei. Mail-Texte wie «Die rechtlich, sozial und beruflich auf Sie (…) zukommenden Folgen (…) werden gewaltig sein» seien so formuliert, dass sie sehr wohl als Bedrohung von Herrn Neuhaus interpretiert werden könnten.
G Am 5. November 2010 ersuchte die anwaltlich vertretene Redaktion des «SonntagsBlick» den Presserat, den Beschwerdeführer zu einer verbindlichen und unbedingten Aussage bezüglich Gerichtsverfahren anzuhalten. «Der Beschwerdeführer hat – entgegen den Vorgaben des Reglements – keinen Verzicht auf solche erklärt.»
H.. Gleichentags beantragte die durch den Rechtsdienst der Tamedia AG vertretene Redaktion von «20 Minuten», gestützt auf Art. 10 Abs. 2 des Geschäftsreglements sei nicht auf die Beschwerde einzutreten. Eventuell sei das Verfahren auf spezifische, vom Presserat bezeichnete «berufsethische Grundsatzfragen» zu beschränken. Die Ausführungen des Beschwerdeführers vom 22. Oktober 2010 seien jedenfalls nicht als Verzicht auf ein Gerichtsverfahren zu deuten. Zudem stellten sich im Zusammenhang mit der Beschwerde keine Grundsatzfragen, die ein Eintreten trotz eines allfälligen parallelen Gerichtsverfahrens rechtfertigten.
I. Am 26. November 2010 erwiderte X. in einer Stellungnahme zu den Eingaben von «SonntagsBlick» und «20 Minuten» vom 5. November 2010, es sei «für jedermann klar verständlich», dass er als Betroffener sämtliche rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen müsse, um einem «nachgewiesenen, strafrechtlich relevanten Fehlverhalten (…) ein Ende zu setzen» und eine «Korrektur dieser ehrverletzenden Aussagen» zu erwirken. Eine unbedingte und verbindliche Aussage bezüglich der Einleitung eines Strafverfahrens könne «zurzeit unmöglich erbracht werden». Das Geschäftsreglement des Presserats enthalte keinerlei Anweisungen in Bezug auf eine Verzichtserklärung eines Beschwerdeführers auf ein gerichtliches Verfahren. Bis heute habe er keine Strafanzeige eingereicht und «hege auch jetzt keine diesbezügliche Absicht».
J. Am 7. Dezember 2010 teilte der Presserat den Parteien des Verfahrens mit, der Presserat trete auf die Beschwerden gegen «SonntagsBlick», «20 Minuten» und TeleBärn» ein. Zwar seien die Ausführungen des Beschwerdeführers in Bezug auf ein allfälliges Gerichtsverfahren alles andere als durch Klarheit geprägt. Art. 10 des Geschäftsreglements des Presserats fordere jedoch keinen ausdrücklichen Verzicht des Beschwerdeführers auf Einleitung eines Gerichtsverfahrens. Der Beschwerdeführer habe bisher weder ein Gerichtsverfahren eingeleitet noch stehe fest, dass er ein solches noch anhängig machen werde.
K. Am 10. Dezember 2010 teilte der Rechtsvertreter von «20 Minuten» dem Presserat mit, er sei sehr irritiert, dass der Presserat «Eingaben mit ehrverletzendem Inhalt entgegennimmt und behandelt wie anständige Schriften». Jedenfalls beabsichtige er nicht, sich mit diesem «Machwerk» auseinanderzusetzen und werde seiner Redaktion raten, auf eine Stellungnahme zu verzichten.
L. Am 21. Dezember 2010 wies die wiederum anwaltlich vertretene Redaktion des «SonntagsBlick» die Beschwerde als unbegründet zurück.
Aus den Beschwerdeunterlagen sei herauszulesen, dass der Beschwerdeführer seine Eingaben «ausserhalb der Normalbandbreite» verfasse. Soweit dieser zudem lediglich in einer E-Mail vom 7. Oktober an den Presserat und nicht in der Beschwerdeschrift behaupte, die Ziffern 1, 3, 5, 7 und 8 der «Erklärung» seien verletzt, sei damit weder dem Rügeprinzip noch dem Substantiierungsgebot Genüge getan.
Dessen ungeachtet entsprächen die im Bericht vom 26. September 2010 enthaltenen Fakten jedenfalls der Wahrheit. Dass der Justizdirektor unter Polizeischutz stand, ergebe sich aus der als Zitat präsentierten Äusserung von Regierungsrat Neuhaus. Dies werde vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Ebenso wenig bestreite dieser, dass es ein Verfahren wegen fürsorgerischen Freiheitsentzugs gegeben habe. Im Gegenteil gehe aus dem im Bericht enthaltenen Zitat, wonach er den Kanton Bern meide, damit man ihn «nicht versorgen» könne hervor, dass er dieses Verfahren kenne. Schliesslich bestreite der Beschwerdeführer auch nicht explizit, dass er auf dem Regierungstatthalteramt «gewütet» habe. Unter den gegebenen Umständen sei es zulässig, ihn als «Behördenschreck» zu qualifizieren.
Im beanstandeten «SonntagsBlick»-Bericht vom 26. September 2010 sei der Beschwerdeführer mit seinen Initialen bezeichnet. Weiter seien Angaben über Alter (56) und Berufstätigkeit («selbsternannter Finanzexperte») enthalten. Allein mit diesen Angaben sei der Beschwerdeführer – ohne zusätzliches Vorwissen – für die Leserschaft nicht erkennbar. Ebenso wenig sei ein Bezug zur Menschenwürde (Ziffer 8 der «Erklärung») zu sehen.
M. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.
N. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina, hat die vorliegende Stellungnahme per 25. Februar 2011 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gemäss Art. 10 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf offensichtlich unbegründete Beschwerden ein.
2. Zwar hat der Presserat den Parteien am 7. Dezember 2010 mitgeteilt, er trete auf die Beschwerde ein, da weder ein Gerichtsverfahren hängig sei noch – trotz der äusserst ambivalenten Äusserungen des Beschwerdeführers – feststehe, dass dieser ein solches nachträglich einleiten werde. Dieser allein unter dem Aspekt – paralleles Gerichtsverfahren – gefällte Zwischenentscheid hindert den Presserat nicht daran, nach eingehender Prüfung der vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen nun aus einem anderen Grund doch nicht auf die Beschwerde einzutreten.
3. a) Dem vom Beschwerdeführer selber eingereichten E-Mail-Verkehr mit Regierungsrat Neuhaus ist zu entnehmen, dass X. den Berner Justizdirektor ultimativ aufforderte, «diesem kriminellen Treiben Ihres Untergebenen sofort ein Ende zu setzen. Die (…) auf Sie und alle anderen, an diesem Verbrechen gegen die Allgemeinheit und speziell gegen mich und meinen Darlehensgeber Beteiligten, zukommenden Folgen (…) werden gewaltig sein» (E-Mail vom 21. Mai 2010). Am 10. August 2010 sandte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die vorangehende E-Mail eine «letzte Mahnung» an Neuhaus: «Ich gebe Ihnen noch 48 Stunden, bis am Donnerstag 12. August 2010 Mittag/High Noon Zeit, das unten durch mich an Sie längst zugesandte, aufgeführte, geforderte, beantragte zu erledigen».
3. a) Dem vom Beschwerdeführer selber eingereichten E-Mail-Verkehr mit Regierungsrat Neuhaus ist zu entnehmen, dass X. den Berner Justizdirektor ultimativ aufforderte, «diesem kriminellen Treiben Ihres Untergebenen sofort ein Ende zu setzen. Die (…) auf Sie und alle anderen, an diesem Verbrechen gegen die Allgemeinheit und speziell gegen mich und meinen Darlehensgeber Beteiligten, zukommenden Folgen (…) werden gewaltig sein» (E-Mail vom 21. Mai 2010). Am 10. August 2010 sandte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die vorangehende E-Mail eine «letzte Mahnung» an Neuhaus: «Ich gebe Ihnen noch 48 Stunden, bis am Donnerstag 12. August 2010 Mittag/High Noon Zeit, das unten durch mich an Sie längst zugesandte, aufgeführte, geforderte, beantragte zu erledigen».
b) Aus einer im gleichen Zusammenhang vom Beschwerdeführer am 17. August 2010 bei der Bundesanwaltschaft eingereichten Strafanzeige u.a. wegen Amtsmissbrauch und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation gegen eine ganze Reihe von Magistraten geht weiter hervor, dass X. offenbar seit Jahren durch alle Instanzen hindurch und im Widerspruch zu rechtskräftigen Urteilen behauptet, im Zusammenhang mit seinem Privatkonkurs sei ein Darlehen eines ungenannten Darlehensgebers zu Unrecht für die Konkursmasse beschlagnahmt worden. Und um ihn an der Verfolgung seiner Rechte zu verhindern, habe die Berner Justiz Beweggründe erfunden, um ihn einem fürsorgerischen Freiheitsentzug zu unterziehen.
c) Weiter nimmt der Presserat Kenntnis von Patientenakten aus dem Jahr 2003, die der Beschwerdeführer auf der von ihm betriebenen Website Y. veröffentlicht hat. Aus diesen geht hervor, dass er laut Darstellung der Behörden während Jahren unzählige Prozesse geführt und verschiedensten Amtsstellen mehrfach massiv gedroht haben soll, worauf Behördenmitglieder vorübergehend polizeilich hätten geschützt werden müssen. So habe er gegenüber den Behörden auch den Amokläufer von Zug erwähnt. Er verstehe diesen Mann und er werde jetzt dann auch so handeln. Er sei Scharfschütze und werde nicht wahllos, sondern gezielt schiessen.
4. In Bezug auf die vom Beschwerdeführer pauschal behauptete Unwahrheit des Inhalts der von ihm beanstandeten Medienberichte («eine reine, vollkommen unhaltbare, schlecht recherchierte, beweislose, erfundene, nachgesprochene, auf Geheiss von Kriminellen erfundene Lüge») ist es nicht Aufgabe des Presserates, den umstrittenen Sachverhalt in einem Beweisverfahren zu überprüfen. Vielmehr wäre es Sache des Beschwerdeführers, seine Rügen näher zu begründen und seine Behauptungen gegebenenfalls mit Dokumenten zu belegen. Die von ihm eingereichten Unterlagen legen jedoch im Gegenteil den Schluss nahe, dass die in den Berichten gegenüber ihm erhobenen Vorwürfe offenbar zu wesentlichen Teilen zutreffen. Unter diesen Umständen ist für den Presserat eine Verletzung der Ziffern 1 und 3 der «Erklärung» offensichtlich nicht erstellt, womit auch eine Verletzung der Berichtigungspflicht (Ziffer 5 der «Erklärung») ausscheidet.
5. Offensichtlich nicht verletzt sind nach Auffassung des Presserates schliesslich auch die Ziffern 7 (identifizierende Berichterstattung) und 8 (Menschenwürde) der «Erklärung». Der Beschwerdeführer ist aufgrund der in den beanstandeten Berichten enthaltenen, wenigen Angaben zu seiner Person – beim «SonntagsBlick» auch nicht in Kombination mit dem Bild – für Dritte ausserhalb seines näheren sozialen Umfelds nicht erkennbar. Zudem begründet weder X., inwiefern die Berichte gegen die Menschenwürde verstossen sollen noch sieht der Presserat irgendwelche Anhaltspunkte, welche die nähere Prüfung einer allfälligen Verletzung von Ziffer 8 der «Erklärung» rechtfertigen würden.
III. Feststellungen
1. Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.