Nr. 33/2015
Diskriminierung / Unterschlagen wichtiger Informationen

(JUSO Schwyz c. «Bote der Urschweiz») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 4. September 2015

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I. Sachverhalt

A. Am 8. Juli 2014 publizierte der «Bote der Urschweiz» auf Seite 5 einen Artikel mit dem Titel «Arth besorgt über steigende Sozialkosten». Auf den Bericht wurde auf der Frontseite unter dem Titel «Arth hat ein Eritreerproblem» hingewiesen. Der Artikel berichtet über die Schwyzer Gemeinde, welche sich mit einer wachsenden Zahl von einkommensschwachen Personen konfrontiert sieht. Laut dem Präsidenten der Fürsorgebehörde der Gemeinde Arth, Ruedi Beeler, seien in den letzten fünf Jahren die Ausgaben der Gemeinde unter dem Titel «Wirtschaftliche Sozialhilfe an Ausländer» von 1 auf 1,7 Mio. Franken gestiegen. Zitiert wird er unter anderem mit der Aussage: «Bei uns leben 60 Eritreer, und alle 60 leben von der wirtschaftlichen Sozialhilfe.» Die Zuwanderung der Eritreer habe in den letzten vier Jahren stark zugenommen. Er verweist auf eine Untersuchung als Quelle für die Daten.

B. Am 10. Juli 2014 reichte Elias Studer als Präsident der JUSO Kanton Schwyz, Beschwerde gegen den Artikel ein. Die JungsozialistInnen beanstanden einen Verstoss gegen die zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») gehörige Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot). Der Titel sei klar rassistisch, indem Eritreerinnen und Eritreer pauschal als Problem dargestellt würden. Die Aussage «Sämtliche 60 Personen aus diesem Land leben von der sozialen Wohlfahrt, obwohl sie einer Lohnarbeit nachgehen dürften» sei zwar nicht unbedingt falsch. Es handle sich aber um eine subtile Unterstellung, denn der Durchschnittsleser denke, all diese Menschen würden nicht arbeiten, obwohl sie es könnten. Den Eritreern werde zudem pauschal Integrationsunwillig-keit unterstellt. Weiter sieht die JUSO einen Verstoss gegen Ziffer 3 der «Erklärung» darin begründet, dass bei der Aussage, «sämtliche 60 Personen aus diesem Land leben von der sozialen Wohlfahrt, obwohl sie einer Lohnarbeit nachgehen dürften» nicht darauf hingewiesen wurde, dass die Zahlen aus dem letzten Jahr stammen, obwohl mehrere Eritreer in der Gemeinde Arth gar nicht oder nur teilweise von der Sozialhilfe lebten. Zudem machen die Jungsozialisten einen Verstoss gegen Richtlinie 5.2 (Berichtigungspflicht) geltend, denn der «Bote der Urschweiz» habe nach einem entsprechenden Hinweis keine Berichtigung publiziert und klargestellt, dass die Zahlen aus dem letzten Herbst stammten, wodurch mit dem Text der Eindruck erweckt werde, momentan würden alle Eritreerinnen und Eritreer von der Sozialhilfe leben.

C. Am 23. Oktober 2014 wies die Redaktion des «Bote der Urschweiz» die Vorwürfe des Beschwerdeführers zurück. Der kritisierte Titel fasse zusammen, was nachfolgend im Artikel zum Ausdruck gebracht werde, nämlich dass die Gemeinde Arth als einzige im Kanton Schwyz unter dem spezifischen Problem tiefer Mieten, vieler  Altwohnungen, Cluster, vieler Beratungsstellen, guter ÖV-Verbindungen «leide». Nachdem die Sozialkosten in der Gemeinde Arth im letzten Jahr um 18 Prozent gestiegen seien, habe die Gemeinde eine Untersuchung über die Ursachen dafür durchgeführt. Die Studie beziehe sich auf das Jahr 2013. Sie habe aufgezeigt, dass von den 60 in der Gemeinde Arth wohnhaften Eritreern alle Sozialhilfe bezögen. Der Artikel setze sich mit dieser Studie und der Situation in Arth auseinander. Die Redaktion könne zudem nichts berichtigen, das sie nicht geschrieben habe.

D. Am 3. August 2015 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 25. August 2015 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.


II. Erwägungen

1. Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot) hält fest, dass die Nennung der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit, der Herkunft, der Religion, der sexuellen Orientierung und/oder der Hautfarbe diskriminierend wirken kann, insbesondere wenn sie negative Werturteile verallgemeinert und damit Vorurteile gegenüber Minderheiten verstärkt. Journalisten wägen deshalb den Informationswert gegen die Gefahr einer Diskriminierung ab und wahren die Verhältnismässigkeit. Der beanstandete Artikel bezieht sich auf eine in der Gemeinde Arth durchgeführte Untersuchung, welche den Gründen für die starke Zunahme der Sozialkosten in der Gemeinde im Jahr 2013 nachgeht. Die genannten Zahlen – Zunahme der ausländischen Sozialhilfebezüger um 18 Prozent auf 252 Personen, Sozialhilfebezug aller 60 in der Gemeinde Arth wohnhaften Eritreer – stammen aus dieser Studie. Im Text werden die Ursachen und die Rahmenbedingungen dargestellt. Als Ergebnis der Studie nennt der Artikel, Arth werde zunehmend zu einem Zentrum für Eritreer, weil es gute Bahnverbindungen und günstige Altwohnungen habe. Zudem kämen sie nach Arth, weil viele ihrer Landsleute hier wohnten. Der Titel «Arth hat ein Eritreerproblem» wird bereits mit dem Lead «Attraktive Bahnverbindungen, günstiger Wohnraum und eine wachsende Anzahl Eritreer lassen die Sozialhilfekosten in der Gemeinde Arth stark ansteigen» erklärt. Der Leser versteht somit unmittelbar, worauf sich das im Titel genannte «Problem» bezieht, er kann die im Titel vorgenommene leichte Zuspitzung einordnen. Der Presserat kann deshalb dem Beschwerde-führer nicht folgen, wenn dieser aus dem Titel ableitet, Eritreer würden pauschal als Problem dargestellt, denn der Titel ist nicht isoliert zu beurteilen. Dasselbe gilt für den Vorwurf, es würde Eritreern pauschal Integrationsunwilligkeit unterstellt. Nach dem Untertitel «Riesige kulturelle Unterschiede» nennt der Präsident der Fürsorgebehörde u.a. die miserablen Sprachkenntnisse, die riesigen kulturellen Unterschiede und die fehlende Ausbildung. Weil seitens der Erwachsenen wenig Bereitschaft bestehe, die hiesige Sprache zu lernen, werde es sehr schwierig, dass sie wirtschaftlich je auf eigenen Beinen stehen könnten. Die Gemeinde setze Hoffnung auf die zweite Generation, dass diese sich integriere und die Eltern dazu bringe, die Sprache zu lernen. Im Artikel werden somit mögliche Ursachen für den Sozialhilfebezug von Eritreern genannt, es wird ihnen jedoch keine Integrationsunwilligkeit unterstellt. Damit wird auch der weitere Vorwurf der JUSO, der Text erwecke den Eindruck, die Eritreer würden nicht arbeiten, obwohl sie es könnten, entkräftet. Ein Verstoss gegen das in Ziffer 8 der «Erklärung» statuierte Diskriminierungsverbot liegt demnach nicht vor.

2. Ziffer 3 der «Erklärung» verlangt von Journalisten, keine wichtigen Elemente von Informationen zu unterschlagen und weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen zu entstellen. Der Beschwerdeführer sieht darin, dass im Artikel nicht darauf hingewiesen wurde, dass die Zahl von 60 Eritreern, welche Sozialhilfe bezögen, aus dem Jahr 2013 stamme, einen Verstoss gegen Ziffer 3 der «Erklärung». Es entstehe der Eindruck, dass dies auch im Moment der Berichterstattung noch der Fall sei.

Die Aussage, sämtliche 60 Personen aus Eritrea lebten von der sozialen Wohlfahrt, obwohl sie einer Lohnarbeit nachgehen könnten, ist im Artikel zwar im Präsens verfasst. Allerdings wird zu Beginn des Artikels klargestellt, dass sich die genannte Zahl unterstützter Personen in Arth auf 2013 bezieht. Dass dies im Zusammenhang mit der Nennung der Zahl von Eritreern nicht noch einmal präzisiert wird, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Ziffer 3 der «Erklärung» ist somit nicht verletzt. Wie die Redaktion zudem schreibt, kann sie nichts berichtigen, was sie nicht geschrieben hat. Auch eine Verletzung der in Ziffer 5 statuierten Berichtigun
gspflicht liegt demnach nicht vor.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Der «Bote der Urschweiz» hat mit den Artikeln «Arth hat ein Eritreerproblem» und «Arth besorgt über steigende Sozialkosten» vom 8. Juli 2014 Ziffer 3 (Unterschlagen von Informationen), Ziffer 5 (Berichtigung) und Ziffer 8 (Diskriminierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.