Nr. 47/2016
Unterschlagen von Informationen

(X. c. «Winterthurer Zeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 29. Dezember 2016

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I. Sachverhalt

A. Am 2. Dezember 2015 erschien in der «Winterthurer Zeitung» auf der Frontseite ein Artikel mit dem Titel «Aus Liebe entsteht Leben!». Auf Seite 15 folgt der Beitrag «Nilo war ein absolutes Wunschkind für uns!». Berichtet wird über ein lesbisches Paar, welches mithilfe einer privaten Samenspende Eltern eines kleinen Sohnes geworden sei. Den Spender hätten sie über ein Inserat gefunden und ihn daraufhin in einer Bar getroffen – schliesslich hätten sie ihn in einer ungezwungenen Atmosphäre kennenlernen wollen. Nach einem dreissigminütigen Gespräch hätten sie ihm den Becher gegeben. Er sei auf die Toilette marschiert, habe ihn gefüllt zurückgegeben und jeder sei seines Weges gegangen. Es sei halt nur um eines gegangen. Zuhause angekommen sei Y. mit der Hilfe ihrer Partnerin Z. mit dem gespendeten Samen befruchtet worden.

B. X. legte am 9. Dezember 2015 beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel der «Winterthurer Zeitung» ein. Er rügt die Verletzung der Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»), welche das Unterschlagen wichtiger Elemente von Informationen verbietet. Gemäss Wortlaut des Textes müsse der Leser davon ausgehen, dass von der künftigen Mutter keine vorsorglichen Untersuchungen gemacht worden seien, um die Ansteckung von Krankheiten wie HIV oder Hepatitis zu verhindern. Aus diesem Grund habe sich der Beschwerdeführer bei der verantwortlichen Journalistin per Mail gemeldet. Janine Sennhauser habe geantwortet, sie habe diesen Aspekt selbstverständlich abgeklärt. Die Eltern des Buben hätten Einsicht in die Krankenakte des Spenders verlangt, um sich über die Unbedenklichkeit ihrer Handlung zu vergewissern. Dies sei im Bericht nicht erwähnt worden, da dieser sehr emotional gehalten gewesen sei und auf die Leser auch so habe wirken sollen. Laut Beschwerdeführer habe das Unterschlagen dieses wichtigen Informationselementes zur Folge, dass er als Leser von der falschen Annahme ausgehen müsse, dass das gleichgeschlechtliche Paar äusserst unverantwortlich gehandelt habe und die Mutter und ihr Kind gefährlichen übertragbaren menschlichen Krankheiten ausgesetzt gewesen seien. Ferner bestehe die Gefahr, die Leserschaft könne annehmen, dass bei einer Samenspende mittels eines Bechers, ja sogar «generell» im Sperma keine Gefahr einer sexuell übertragbaren Krankheiten bestehen würde. Diese mögliche Gefahr bei einem solchen Vorgehen habe ihm die Beratungsstelle «Aids-Info & Sexualpädagogik» in Winterthur auf Anfrage bestätigt. Eine öffentliche Richtigstellung durch die Journalistin Sennhauser oder die «Winterthurer Zeitung» liege nicht vor.

C.
Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 29. Dezember 2016 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
 

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. Ziffer 3 der «Erklärung» hält Journalistinnen und Journalisten dazu an, keine wichtigen Elemente von Informationen zu unterschlagen und weder Tatsachen, Dokumente, Bilder, Töne noch von anderen geäusserte Meinungen zu entstellen. Der Beschwerdeführer bringt vor, diese Bestimmung sei verletzt worden, indem der Bericht nicht erwähne, dass die Eltern Einsicht in die Krankenakte des Spenders genommen hatten. Der Presserat kann dieser Argumen-tation nicht folgen. Der Artikel beleuchtet das Thema gleichgeschlechtliche Eltern von einem gesellschaftlichen und emotionalen Standpunkt aus. Auf spezifische technische Details wird verzichtet. Da der medizinische Aspekt gar nicht erst angesprochen wird – was dem Artikel nicht zum Vorwurf zu machen ist –, kann nicht von einem Unterschlagen wichtiger Informationen die Rede sein. Allerdings hätte die Journalistin ihren Bericht abgerundet, wenn sie den Aspekt der Krankenakte des Spenders kurz erwähnt hätte. Auch ohne diesen Aspekt wird dem Leser jedoch klar, dass das im Artikel beschriebene Vorgehen zur Beschaffung des Spermas verkürzt dargestellt ist – es stellt denn auch nur einen Nebenaspekt der darin aufgeworfenen Thematik dar. Aus diesem Grund ist die Beschwerde bezüglich einer Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» offensichtlich unbegründet.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.