Zusammenfassung
Die «Obersee Nachrichten» in Rapperswil haben mit den Artikeln «Panzer-Fan und Nazidunst in Uznach» sowie «Uznach: Kandidat Müller und seine Nazi-Panzer-Schriften» den Journalistenkodex verletzt. Gemäss Entscheid des Schweizer Presserats hätte die Redaktion den Kandidaten für das Gemeindepräsidium in Uznach SG, Peter Müller, zwingend mit dem impliziten Vorwurf, er tummle sich in einem Nazi-Umfeld, konfrontieren müssen. Weil Müller dazu nicht Stellung nehmen durfte, heisst der Presserat dessen Beschwerde teilweise gut.
Der Presserat hält aber auch fest: «Es gehört zu den Aufgaben einer freiheitlichen Presse, für Aufklärung zu sorgen – gerade wenn es um Bewerber für ein öffentliches Amt geht.» Wenn die «Obersee Nachrichten» den Hintergrund eines Kandidaten für das Vollamt eines Gemeindepräsidenten ausleuchteten, so machten sie nichts anderes, als was eine freiheitliche Gesellschaft von ihnen als «public watchdog» erwarte.
Immerhin war das Amt erstmals öffentlich ausgeschrieben worden, so dass auch Bewerber von ausserhalb der Gemeinde willkommen waren. Welche Bücher der Militärschriften-Verlag des Bewerbers Müller herausgibt, war für die Stimmberechtigten von Bedeutung, ein öffentliches Interesse für die Artikel gegeben.
Anfang März 2016 beleuchteten die «Obersee Nachrichten» den Hintergrund von Müllers Verlag: Müller versammle «eine seltsame Truppe von Autoren». Von seinen Autoren aus dem Nazi-Umfeld habe sich der Verleger nie distanziert.
Peter Müller beschwerte sich beim Presserat. Die «Obersee Nachrichten» bezeichneten ihn zwar nicht direkt als «Nazi», doch werde ihm diese Haltung unterstellt. Der Verleger monierte, er sei vor der Veröffentlichung nicht kontaktiert worden.
Die «Obersee Nachrichten» beriefen sich darauf, sie hätten von einer Konfrontation absehen können, weil sich die Artikel ausschliesslich auf offiziell verfügbare Informationen von Müllers Website abgestützt hätten.
Der Presserat befand, wenn jemandem ungenügend belegt vorgeworfen werde, er publiziere Autoren aus dem Nazi-Umfeld und wenn von Nazidunst die Rede ist, dann unterstelle man ihm eine besondere Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut. Oder anders ausgedrückt: Es wird eine Nazinähe suggeriert. Zu diesem schweren Vorwurf hätte Müller angehört werden müssen. Die Anhörung kann nicht eine Woche später mit einem Interview – wie von der Redaktion angeboten – nachgeholt und der Fehler quasi «geheilt» werden. Die anderen Punkte der Beschwerde wies der Presserat ab.
Résumé
Les «Obersee Nachrichten» de Rapperswil ont porté atteinte au code de déontologie des journalistes en publiant les articles «Panzer-Fan und Nazidunst in Uznach» (fan de panzers et nébulosité nazie à Uznach) et «Uznach: Kandidat Müller und seine Nazi-Panzer-Schriften» (Uznach: le candidat Müller et ses écrits sur les panzers nazis). Selon l’avis du Conseil suisse de la presse, la rédaction aurait dû impérativement confronter Peter Müller, candidat à la présidence de la commune d’Uznach (SG), avec le reproche implicite qui lui était fait de folâtrer dans un environnement nazi. Comme Peter Müller n’a pu prendre position sur le sujet, le Conseil de la presse accepte en partie sa plainte.
Le Conseil de la presse constate toutefois: «C’est une des tâches de la presse libre que de veiller à éclairer la situation, précisément quand il en va d’un candidat à une charge publique.» Quand les «Obersee Nachrichten» mettent en lumière le milieu dans lequel évolue un candidat à la fonction de président de commune, elles ne font rien d’autre que ce qu’attend d’elles une société libre: jouer le rôle de «chien de garde public».
Toujours est-il que la fonction venait d’être mise au concours pour la première fois, de sorte que des candidats extérieurs à la commune étaient également les bienvenus. Les livres que la maison d’édition d’écrits militaires du candidat Müller publie importent pour les électeurs, l’article présente donc un intérêt public.
Début mars 2016, les «Obersee Nachrichten» ont décrit le monde des éditions de Müller: il y rassemble «eine seltsame Truppe von Autoren» (une drôle de troupe d’auteurs). L’éditeur n’a en effet jamais pris ses distances par rapport aux auteurs issus des mouvances nazies.
Peter Müller s’est plaint auprès du Conseil de la presse. Les «Obersee Nachrichten» ne l’ont certes pas qualifié directement de «nazi», mais ont laissé entendre qu’il l’était. L’éditeur critique le fait qu’il n’a pas été contacté avant la publication des articles.
Les «Obersee Nachrichten» se défendent en disant qu’elles se sont dispensées d’une confrontation parce que leurs articles reposent exclusivement sur des informations disponibles publiquement sur le site internet de Müller.
Le Conseil de la presse estime que quand on reproche à quelqu’un de publier des auteurs issus des rangs nazis et qu’on parle de nébulosité nazie, sans fournir suffisamment de preuves, on sous-entend qu’il a une certaine proximité avec la pensée nationale-socialiste. Autrement dit: on suggère qu’il est proche des nazis. Peter Müller aurait dû être entendu au sujet de ce reproche. Il ne suffit pas d’essayer de rattraper cette audition une semaine plus tard en proposant une interview – comme la rédaction l’a fait – et de considérer l’erreur comme quasi «réparée». Le Conseil de la presse rejette les autres points de la plainte.
Riassunto
Violazione accertata, almeno in parte, delle regole deontologiche da parte delle «Obersee Nachrichten»: questa la conclusione a cui è giunto il Consiglio della stampa nel caso riguardante il candidato sindaco di Uznach (SG) Peter Müller, che il periodico accusava di simpatie naziste per le scelte della sua casa editrice. Tali critiche (contenute nei due articoli: «Panzer-Fan und Nazidunst im Uznach» e «Uznach: Kandidat Müller und seine Nazi-Panzer-Schriften») dovevano essere comunicate all’interessato, bisognava dargli la possibilità di esprimersi. In questo consiste la violazione, sia pure parziale, della «Dichiarazione dei doveri e dei diritti dei giornalisti».
Sul principio, il Consiglio della stampa è chiaro: È dovere di una stampa libera fare chiarezza, soprattutto quando è in gioco una carica pubblica. In quanto documentavano gli asseriti retroscena di un candidato alla carica di sindaco, le «Obersee Nachrichten» hanno semplicemente esercitato la funzione di «cane da guardia» proprio della stampa in una società liberale. Poiché il concorso era aperto anche a candidati fuori comune, era di interesse pubblico conoscere che tipo di pubblicazioni edita l’impresa del candidato. In una pubblicazione del marzo 2016, l’«Obersee Nachrichten» lo si rimproverava di non distanziarsi da «una strana congrega di autori». Nel reclamo presentato al Consiglio della stampa, Müller ammette che non si trattava di un’accusa esplicita di nazismo: ma l’insinuazione era evidente. E poi – sostiene sempre nel reclamo – il giornale doveva prendere almeno contatto! Risposta delle «Obersee Nachrichten»: non l’abbiamo interpellato perché i dati li avevamo semplicemente presi dal sito Internet della casa editrice. Il Consiglio della stampa ritiene invece che il candidato Müller – con i termini: «Nazi-Umfeld», «Nazidunst» – è stato di fatto implicitamente accusato di simpatie naziste. L’accusa era grave, egli aveva perciò il diritto di essere ascoltato: e non è stato sufficiente prendere contatto con lui una settimana dopo la pubblicazione, quasi a titolo di riparazione. G
li altri punti del reclamo sono stati respinti dal Consiglio della stampa.
I. Sachverhalt
A. Am Donnerstag 3. März 2016 titelten die «Obersee Nachrichten» auf der Frontseite «Panzer-Fan und Nazidunst in Uznach». Darin leuchtet der Autor Mario Aldrovandi den Hintergrund eines der Kandidaten für das Amt des Gemeindepräsidenten in Uznach aus: Peter Müller habe in seinem Verlag für Militärschriften «eine seltsame Truppe von Autoren» versammelt. Auf Seite 9 der gleichen Ausgabe ist dann der eigentliche Artikel unter dem Titel «Uznach: Kandidat Müller und seine Nazi-Panzer-Schriften» zu finden. Darin verweist der Autor einerseits auf die Bücher, die Müller selbst geschrieben habe («Panzerproduktion im Dritten Reich», «Panzerkampfwagen IV» usw.), die auch auf der Website «www.panzerbook.com» zu finden seien, wo andere bei Nazis beliebte Bücher bestellt werden könnten. Weiter erwähnt der Autor ein Bild von Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels auf der Homepage des Verlags: Im Text neben dem Kriegsverbrecher distanziere sich der Verlag zwar «von allem imperialistischen oder nationalsozialistischen Gedankengut» und «im Speziellen auch vom Sprachgebrauch des Dritten Reiches». Doch, so die «Obersee Nachrichten», «angesichts der Verlagsautoren relativiert sich diese Aussage». Der Artikel geht auf weitere drei Autoren des Verlags näher ein und schliesst mit der Aussage: «Peter Müller hat also eine illustre Truppe in seinem Panzer-Buch- und Kriegs-Verlag versammelt. Von seinen Autoren aus dem Nazi-Umfeld hat es sich nie distanziert. (…)»
B. Am 7. März 2016 beschwerte sich Peter Müller beim Schweizer Presserat. Der Autor der «Obersee Nachrichten» habe die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») dahingehend verletzt, dass die Berichte entstellend seien und nicht gerechtfertigte Anschuldigungen enthielten: Entstellend, weil keiner der Autoren, denen der Autor rechtsradikales Gedankengut vorwerfe, in dieser Szene sei, auch er nicht. Zudem seien Aldrovandis Behauptungen suggestiv. Ohne ihn je direkt als «Nazi» zu bezeichnen, verstehe er es ausgezeichnet, ihm diese Haltung zu unterstellen. Die Leser interessierten sich von der Anlage des Artikels her für ihn als Kandidaten und eigentlich nicht für die Autoren in seinem Verlag. Der Journalist mache seine Autoren schlecht und damit auch ihn. Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen enthalte der Bericht, da es nicht haltbar sein, ihm als jahrelangem FDP-Mitglied und jahrelang in der Lokalpolitik in Andelfingen tätig, rechtsradikale Nähe zu unterstellen, so speziell sein historisches Fachgebiet auch sein möge. Über seine berufliche Tätigkeit sei schon mehrmals in der lokalen Presse berichtet worden, nie sei auch nur im Entferntesten eine solche Idee aufgetaucht. Die Berichterstattung von Mario Aldrovandi sei ein Versuch, einen zufällig ausgewählten Kandidaten für das Gemeindepräsidium Uznach ohne sachlich erkennbaren Grund schlechtzumachen. Dass er Autoren aus Österreich, die sich kaum äussern können, also Dritte, die mit den Wahlen nichts zu tun haben, als Rechtsextreme verunglimpfe, sei für ihn sehr bedauerlich, für ihn ein Versuch, damit etwas zu konstruieren, das es nicht gebe, nämlich ihn als Nazi oder mindestens nazi-nah zu identifizieren. Er habe zudem keine Möglichkeit erhalten, vor Publikation des Artikels etwas zu den Vorwürfen zu sagen. Dass Aldrovandi am Tag der Veröffentlichung des Artikels per E-Mail um ein Interview bei ihm nachgefragt hat, mache den Schaden nicht geringer. Wahr sei, dass er für das Gemeindepräsidium in Uznach kandidiere. Dass er ein Buch mit dem Titel «Sturmgeschütz III» in zwei Bänden veröffentlicht habe; die zwei ihm von der Zeitung zugeschriebenen Panzerbücher seien dagegen erst in Arbeit. Dass er auf seiner Webseite, wo er sich von der Sprache des Dritten Reiches distanziere, ein Foto von Joseph Goebbels abgebildet habe, der diese Sprache massgeblich prägte, was eine Frage des Geschmacks und nicht der politischen Gesinnung sei; dass Mansal Denton, einer seiner Autoren, straffällig geworden sei und nun in den USA eine Strafe absitze. Die von Denton gestohlenen Akten hätten jedoch keinen Zusammenhang mit dem Inhalt dessen Buchs in seinem Verlag. Zudem habe der Journalist laut Müller mit der Veröffentlichung der Vorwürfe auch in den Wahlkampf um das Gemeindepräsidium in Uznach eingegriffen.
C. Am 28. März 2016 beschwerte sich in der Folge auch einer der Autoren aus Müllers Verlag, der Gegenstand des Berichts in den «Obersee Nachrichten» geworden war, über den gleichen Artikel. Michael Winninger aus St. Valentin in Österreich sah die Ziffern 1, 3 und 7 der «Erklärung» durch die «Obersee Nachrichten» verletzt. Er verwahrt sich dagegen, dass ihm unter Nennung seines vollen Namens «Schwärmen für eine Nazi-Panzerfabrik» vorgeworfen werde. Das sei Rufschädigung. Dazu findet Winninger, der Autor verbreite unrichtige Tatsachen und Unwahrheiten. So sei der Titel seines ersten Buches falsch zitiert, zudem sei es in einem deutschen Verlag erschienen und habe mit Müller nichts zu tun. Die Aussagen, Winninger nenne sich ein Kind von «Donauschwaben» sowie, als «Donauschwaben» bezeichneten sich Deutsch-Ungarn, von denen sich im Weltkrieg viele freiwillig der Waffen-SS angeschlossen hätten, seien ebenfalls irreführend. Diesen Umstand erwähne er in seinem Buch gar nicht, sondern er stamme von seiner Autorenseite bei Amazon. Diese Zeilen seien ein Schlag ins Gesicht eines jeden aus seiner Heimat vertriebenen Donauschwaben. Ungenau sei zudem die Aussage, eine Grosstante von Winninger sei die Sekretärin des Direktors der Nazi-Panzerfabrik gewesen. Diese habe als junge dienstverpflichtete Sekretärin, wie viele andere auch, unter anderem auch für den Werksdirektor Dr. Judtmann gearbeitet, wenn dessen Hauptsekretärin nicht anwesend war. Ausserdem sei es falsch, dass er sich auf dem Klappentext bedanke, dass für ihn mit diesem Buch, das in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fachverlag History Facts entstand, ein ganz grosser Wunsch in Erfüllung gegangen sei. Auch dieser Text finde sich auf seiner Autorenseite bei Amazon. Sodann sei die Zahl der in der Panzerfabrik Nibelungenwerk arbeitenden KZ-Häftlinge viel höher gewesen, als im Artikel beziffert. Und zudem sei es klar Rufschädigung, wenn er im Artikel als Teil einer illustren Truppe aus dem Nazi-Umfeld bezeichnet werde. Die «Obersee Nachrichten» hätten auf seine Aufforderung, sämtliche Passagen, die seine Person betreffen, von der Webseite zu entfernen, nicht einmal reagiert.
D. Für die «Obersee Nachrichten» nahmen Verleger Bruno Hug und Redaktor Aldrovandi am 6. Juni 2016 Stellung. Sie halten fest, dass die «Obersee Nachrichten» Müller nie rechtsradikales Gedankengut unterstellt hätten. Zur Verdeutlichung hätten die «Obersee Nachrichten» am 10. März geschrieben: «Nach den vorliegenden Informationen ist Peter Müller kein Rechtsextremer, aber er verbreitet unkritisch Schriften über das Nazireich.» In eine ähnliche Richtung ziele der Satz im Artikel vom 3. März 2016: «Einer der zwei Kandidaten hat ein eigenartiges berufliches Umfeld.» Weiter fügen die Beschwerdegegner an, dass Müller als Verleger unkommentiert die sogenannten Führer-Protokolle von Albert Speer weiterverbreite. Im Wahlkampf habe sich Müller als Verleger von militärhistorischen Schriften bezeichnet. Mit den Artikeln hätten die «Obersee Nachrichten» aufgezeigt, welche Schriften damit gemeint seien. Der Redaktion sei aufgefallen, dass es in Müllers Militär-Verlag keine Schriften über Waffen der britischen, russischen oder amerikanischen Armee gebe, sondern das Waffenarsenal des Grossdeutschen Reichs behandelt werde. Die «Obersee Nachrichten» seien der Meinung, dass die Bevölkerung darüber und über Müllers berufliches Umfeld orientiert werden solle. Was den Autor Mansal Denton angehe, so werde dieser auf Neonazi-Webseiten als
Opfer der «amerikanisch jüdischen» Justiz und Held des «faschistischen Widerstands» gewürdigt und erhalte dennoch weiterhin Tantiemen von Verleger Müller. Tatsächlich habe die Redaktion vor Publikation des Artikels vom 3. März 2016 darauf verzichtet, Müller Stellung nehmen zu lassen. Dies, weil man für den Artikel nur die «offiziell verfügbaren Fakten auf der Basis seiner eigenen Verlags-Website und der dort aufgeführten Autoren aufgezeigt» habe. Müller habe ja an der öffentlichen Veranstaltung vom 29. Februar 2016 mit einer kurzen Stellungnahme die offenen Fragen nicht ausräumen können. Man habe ihm danach aber ein Interview für die Folgeausgabe vom 10. März 2016 angeboten, was Müller jedoch abgelehnt habe.
Was die Beschwerde von Michael Winninger betreffe, so beklage sich dieser, dass gewisse Texte und Informationen nicht aus seinen Büchern entnommen seien, sondern aus der Autorenseite des Amazon-Buchverlags. Dazu gehöre das Zitat über seine Herkunft als «Donauschwabe» oder «dass mit diesem Buch ein grosser Wunsch in Erfüllung ging». Winninger behaupte nicht, dass diese Informationen falsch seien, er wende sich aber im Fall der «Donauschwaben» gegen eine historische Einordnung, die für ihn offenbar nicht stimme. Was die laut Winninger zu tief angesetzte Zahl der Zwangsarbeiter in der Panzerfabrik Nibelungenwerk betreffe, so unterschlage er, dass er diesen Umstand in seinem Buch nur sehr knapp würdigte. Korrekt sei seine Reklamation der falschen Wiedergabe des Buchtitels. Die «Obersee Nachrichten» hätten geschrieben, das Buch heisse «Das Nibelungenwerk 1939–1945». Dieses Buch sei tatsächlich in einem anderen Verlag erschienen. Weder Winninger noch Müller hätten jedoch jemals eine Gegendarstellung verlangt.
E. Das Präsidium des Presserats vereinigte die beiden Beschwerdeverfahren und wies diese seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Max Trossmann als Präsident an sowie Marianne Biber, Jan Grüebler, Matthias Halbeis, Barbara Hintermann, Markus Locher und Franca Siegfried.
F. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 14. September 2016 sowie auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Es gehört zu den Aufgaben einer freiheitlichen Presse, für Aufklärung zu sorgen – gerade wenn es um Bewerber für ein öffentliches Amt geht. Wenn die «Obersee Nachrichten» den Hintergrund eines Kandidierenden für das Vollamt des Gemeindepräsidenten einer Gemeinde wie Uznach SG ausleuchtet, so machen sie nichts anderes, als was von ihnen in einer freiheitlichen Gesellschaft als «public watchdog» erwartet wird. Der Prozess, der zur Wahl eines neuen Gemeindepräsidenten in Uznach führte, war einzigartig: Die Gemeindebehörden hatten das Amt erstmals öffentlich ausgeschrieben, so dass auch Bewerber von ausserhalb der Gemeinde willkommen waren. Insofern kann man von einem anderen Informationsbedürfnis als bei «normalen» Wahlen ausgehen, welches das Blatt auszugleichen versuchte. Insofern gibt es nichts daran auszusetzen, wenn die «Obersee Nachrichten» näher untersuchten, welche Bücher der Militärschriften-Verlag des Bewerbers Müller für eine Majorz-Wahl herausgibt. Diese Fragen sind für die Stimmberechtigten für die Wahl von grosser Bedeutung. Damit ist auch selbstredend festgestellt, dass ein öffentliches Interesse für die Artikel gegeben ist. Aus Sicht des Presserates ist dabei auch in Kauf zu nehmen, dass durch die Publikation eines Artikels die Wahlen allenfalls beeinflusst werden können. Andernfalls könnten die Medien ihre Aufsichtsfunktion im Interesse der Öffentlichkeit bei Wahlen gar nicht mehr wahrnehmen.
2. Die «Obersee Nachrichten» haben für den Artikel öffentlich zugängliche Informationen auf der Website des Verlags von Peter Müller ausgewertet. Dazu fand der Journalist auf der Handelsplattform Amazon weitere Angaben zu den Büchern der im Artikel erwähnten Autoren. Dort werden Bücher vom Verlag oder den Autoren mit entsprechenden Texten beworben. Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung von Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) der «Erklärung» geltend. Die Beschwerdeführer Müller und Winninger belegen jedoch nur ganz vereinzelt konkret, was explizit falsch sein soll an den jeweiligen Darstellungen der «Obersee Nachrichten». Winninger macht geltend, gewisse Texte und Informationen seien nicht seinen Büchern entnommen, sondern der Autorenseite von Amazon. Für die Beurteilung der Frage, ob die Wahrheitspflicht verletzt worden ist, ist es unerheblich, ob die Information für den Artikel von der Website des Verlags, aus einem Buch oder von einer Autorenseite bei Amazon stammt. Winninger bemängelt weiter die beiden Aussagen, wonach dieser (Winninger) sich ein Kind von «Donauschwaben» nenne bzw. sich als «Donauschwaben» Deutsch-Ungarn bezeichneten, von denen sich im Weltkrieg viele freiwillig der Waffen-SS angeschlossen hätten. Er macht geltend, es sei eine «unglaubliche Darstellung», dass viele «Donauschwaben» sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet hätten. Winninger schreibt wörtlich: «Diese Zeilen sind ein Schlag in das Gesicht eines jeden aus seiner Heimat vertriebenen Donauschwaben.» Am Satz der «Obersee Nachrichten» ist jedoch kaum etwas auszusetzen, gibt er doch nur einen Umstand wieder, der als gesicherte historische Tatsache gilt. Dieser Passus ist somit vor dem Hintergrund der Wahrheitspflicht nicht zu beanstanden.
Die «Obersee Nachrichten» ihrerseits konzedieren, den Titel von Winningers erstem Buch falsch zitiert zu haben. Statt «Das Nibelungenwerk 1939 bis 1945. Panzerfahrzeuge aus St. Valentin» zitierte die Zeitung den Titel mit «Das Nibelungenwerk 1938–1945». Dies ist eine Ungenauigkeit, die jedoch für sich allein noch keine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung» zu begründen vermag. Schwerer wiegt allerdings, dass dieser Bildband gar nicht von Peter Müller verlegt wurde. Michael Winningers Buch in Müllers Verlag History Facts heisst: «Das Nibelungenwerk. OKH Spielwaren: Die Panzerfabrik in St. Valentin». Als sehr ungenau erachtet der Presserat auch den Hinweis der «Obersee Nachrichten» auf einen Autor, der als Jugendlicher Hitlerjunge gewesen sei. Dieser Autor beleuchtet in seinem Tagebuch seine Rolle als österreichischer Flakhelfer und dass die Luftwaffenhelfer im Ausgang eine Art HJ-Uniform tragen mussten. Der Autor ein Hitlerjunge? Wohl kaum, schliesslich kam sein Vater 1943 ins KZ Majdanek, er selbst desertierte 1945.
Unpräzise sind auch die Ausführungen unter dem Untertitel «Dieb von Holocaust-Dokumenten». Darin wird einleitend auf die Verurteilung von Autor Denton hingewiesen, um dies anschliessend als Beispiel dafür zu nennen, dass Müller eine «illustre Truppe in seinem Panzer-Buch- und Kriegs-Verlag versammelt» habe. Beschwerdeführer Müller macht hierzu geltend, dass Mansal Denton einige Jahre nach der Publikation seines Buchs in seinem Verlag straffällig geworden sei und nun seine Strafe in seiner Heimat USA absitze. Obwohl er Dentons Tat ebenfalls verurteile, schulde er ihm die vertraglich vereinbarten Tantiemen. Die von ihm gestohlenen Holocaust-Dokumente hätten zudem keinen Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches. Für den Presserat ist es fragwürdig, einen Zusammenhang zwischen der Straftat eines Autors und dem Inhalt von dessen Buch herzustellen. Fragwürdig ist auch die Aussage, Autor Winninger sei ein Schwärmer für Nazi-Panzerfabriken. Dies unterstellt ihm eine Gesinnung, die zu konstruieren allein gestützt auf seine historische Arbeit über eine Panzerfabrik der Nationalsozialisten in seinem Heimatort St. Valentin nicht statthaft ist. Dies alles sind Ungenauigkeiten, die sich die «Obersee Nachrichten» entgegen halten lassen müssen. Sie wiegen jedoch nicht so schwer, eine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung» zu begründen.
3. a) Die Beschwerdeführer machen weiter eine Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» geltend. Ziffer 3 verlangt von Journalisten, d
ass sie nur Informationen, Dokumente, Bilder und Töne, deren Quellen ihnen bekannt sind, veröffentlichen. Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen. Wie erwähnt haben sich die «Obersee Nachrichten» auf öffentlich zugängliche Informationen der Webseite von Müllers Verlag History Facts sowie auf Angaben zu den Autoren auf Amazon gestützt. Müller selbst konzediert, sein historisches Fachgebiet sei «speziell». Auch Winninger liefert keine weiteren Angaben, inwiefern der «Obersee Nachrichten» bei der Quellenbearbeitung handwerkliche Fehler unterlaufen sein sollen. Für die Beurteilung, ob die Forderung nach korrekter Quellenbearbeitung verletzt worden ist, erscheint es gleichermassen unerheblich, ob die Information für den Artikel von der Website des Verlags, aus einem Buch oder von einer Autorenseite bei Amazon stammt. Eine genaue Bezeichnung der Quellen wäre wünschenswert gewesen. Handwerkliche Fehler bei der Quellenbearbeitung sind für den Presserat jedoch nicht ersichtlich, weshalb keine Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» vorliegt.
b) Weiter moniert Peter Müller eine Verletzung von Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen). Vor Publikation des Artikels sei er nicht kontaktiert worden. Ohne ihn je direkt als «Nazi» zu bezeichnen, verstehe es der Autor ausgezeichnet, ihm diese Haltung zu unterstellen. In der Tat finden sich im Artikel keine direkten Vorwürfe an die Adresse von Müller. Es sind vielmehr indirekte Anspielungen, welche Müller geltend machen lassen, ihm werde rechtsradikale Nähe unterstellt. Ein indirekter Vorwurf ist zum einen die Erwähnung, auf der Website von Müllers Verlag finde sich ein Bild von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. Konkret heisst es in den «Obersee Nachrichten»: «Publiziert sind Müllers Panzer-Bücher auch auf seiner Verlags-Webseite. In der Rubrik ‹Über uns› erscheint der Text ‹Politische Einstellung› und ein Foto vom ‹Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Dr. Joseph Goebbels›. Im Text neben dem Kriegsverbrecher distanziert sich der Verlag zwar ‹von allem imperialistischen oder nationalsozialistischen Gedankengut› und ‹im Speziellen auch vom Sprachgebrauch des Dritten Reiches!›» Doch angesichts der Verlagsautoren relativiere sich diese Aussage. Unter «Team» seien sechs Autoren aufgeführt: ein Hitlerjunge, ein Dieb von Holocaust-Dokumenten, ein Panzerfabrik-Schwärmer und drei Waffennarren. Es folgen unter den Zwischentiteln «Hitlerjunge als Autor», «Schwärmen für Nazi-Panzerfabrik» und «Dieb von Holocaust-Dokumenten» genauere Ausführungen über die verschiedenen Autoren. Am Schluss des Artikels halten die «Obersee Nachrichten» fest, Müller habe also eine illustre Truppe in seinem Panzer-Buch- und Kriegs-Verlag versammelt. Von seinen Autoren aus dem Nazi-Umfeld habe er sich nie distanziert.
Die «Obersee Nachrichten» berufen sich darauf, man habe von der Konfrontation abgesehen, weil man sich ausschliesslich auf offiziell verfügbare Informationen auf der Basis von Müllers Website abgestützt habe. Und auch deswegen, weil Müller mit seiner Stellungnahme an der öffentlichen Veranstaltung vom 29. Februar 2016 für die Gemeindepräsidenten-Wahl die offenen Fragen nicht habe ausräumen können. Deshalb hätten die «Obersee Nachrichten» nach dem Erscheinen dieses ersten Artikels ein grosses Interview für die Ausgabe vom 10. März angeboten. Müller habe darauf verzichtet.
Gestützt auf die Praxis des Presserats wiegt ein Vorwurf schwer, wenn jemandem ein illegales oder damit vergleichbares besonders unredliches Verhalten vorgeworfen wird. Wenn jemandem vorgeworfen wird, er publiziere in seinem Verlag Autoren aus dem Nazi-Umfeld, von denen er sich überdies nie distanziert habe, dann wird ihm eine besondere Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut unterstellt, es wird eine Nazinähe suggeriert. Dasselbe gilt für den Vorwurf des Nazi-Dunstes, welcher im Titel auf der Frontseite erhoben wird. Dies sind schwere Vorwürfe, zu denen Müller hätte angehört werden müssen. Müller selbst gibt zu, dass sein historisches Fachgebiet «speziell» sei. Bei den von ihm publizierten Autoren scheint es sich allesamt um Waffenbegeisterte zu handeln. Jemandem, wenn auch indirekt, rechtsradikales Gedankengut zu unterstellen, muss auf gut recherchierten, hieb- und stichfesten Fakten beruhen. Zudem ist eine Anhörung zu diesen Vorwürfen zwingend. Diese kann nicht eine Woche später mit einem Interview – wie es die «Obersee Nachrichten» Müller angeboten haben – nachgeholt und der Fehler quasi «geheilt» werden. Somit liegt eine Verletzung von Richtlinie 3.8 vor.
4. Die Beschwerdeführer – insbesondere Michael Winninger – machen weiter die Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» geltend. Danach respektieren Journalisten die Privatsphäre der einzelnen Personen, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen. Die Beschwerdeführer unterlassen es auch hier, diese Verletzung klar zu belegen oder genauer zu definieren. Peter Müller kandidierte für das Gemeindepräsidium von Uznach. Als Kandidat für ein politisches Amt gilt er als Person von öffentlichem Interesse. Bei einem Buchautor wie Michael Winninger, der sich freiwillig ins Rampenlicht begibt und auf grossen Buchhandelsplattformen präsent ist, gilt das ebenfalls. Im Zusammenhang mit Winningers Beschwerde sind im Text der «Obersee Nachrichten» keine anonymen und sachlich nicht gerechtfertigten Anschuldigungen ersichtlich. Somit ist keine Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» festzustellen.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2. Die «Obersee Nachrichten» haben mit dem Artikel «Uznach: Kandidat Müller und seine Nazi-Panzer-Schriften» Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Die Redaktion hätte Müller zwingend zum schweren Vorwurf anhören müssen, er publiziere Autoren aus dem Nazi-Umfeld.
3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.