I. Sachverhalt
A. 1. Am 21. Juni 2023 veröffentlichte die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) einen Artikel unter dem Titel «Ein IV-Rentner bedroht eine Zürcher Oberrichterin mit dem Tod und flutet Vertreter von Justiz und Politik mit Hassmails». Autor des Artikels ist Tom Felber. Er schildert darin Vorgeschichte und Gerichtsverfahren gegen einen «44-jährigen IV-Rentner», der eine Oberrichterin mit dem Tod bedroht habe. Dies sei in einem Mail geschehen, das der Beschuldigte unter dem Namen einer afrikanischen Frau versendet habe. Der Mail habe er ein Foto des Reisepasses der betreffenden Frau beigelegt. In der Folge sei sie zwei Tage lang in Untersuchungshaft genommen worden. Die Drohmail sei aus einem Internetshop versendet worden. Aufgrund eines Überwachungsvideos, das im Internetshop aufgenommen worden war, habe der wahre Täter identifiziert werden können. Der 44-jährige sei seit langem bekannt als «Querulant und Behördenschreck». Allein zwischen 2019 und 2022 habe er bis zu 30 Adressen gleichzeitig mit E-Mails «bombardiert». Er habe Personen aus der Justiz, Medien und Politik bedroht und verunglimpft. Deswegen sei er schon zweimal zu Geldstrafen verurteilt worden. Im neusten Verfahren sei er wegen falscher Anschuldigung, Drohung und Freiheitsberaubung zu neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Täter sehe sich selber als Justizopfer. Sein Feldzug habe begonnen, nachdem die Justiz eine Strafanzeige gegen seine ehemalige Arbeitgeberin, die ihn wegen «illoyalen Verhaltens» entlassen habe, nicht entgegengenommen habe.
2. Am 27. Oktober 2023 erschien im «Zürcher Unterländer» ein Artikel von Thomas Mathis und Thomas Hasler. Die Spitzmarke lautete «Zürcher Obergericht evakuiert» und der Titel «Mutmasslicher Bombendroher ist ein bekannter Querulant». Die Liste der von ihm oft unter falschen Namen versendeten Hass- und Drohmails sei lang und der Inhalt heftig, hiess es im Text. Nun stelle sich heraus, dass der 44-jährige Schweizer unter dringendem Verdacht stehe, die Drohmail versendet zu haben, die zur Evakuierung des Gerichts führte. Die Mail habe den Betreff «Allahu Akbar» getragen und sei über einen deutschen E-Mail-Service abgesendet worden. Ein Sprengsatz sei dann aber nicht gefunden worden. Der Mann sei verhaftet, inzwischen aber wieder freigelassen worden, das Verfahren laufe jedoch weiter. Anschliessend wird über die früheren Verfahren und Urteile berichtet, die gegen den Mann angestrengt respektive verhängt worden waren. Die früheren Drohmails gegen Richter oder Behördenmitglieder werden wie im oben erwähnten NZZ-Beitrag aufgelistet und zum Teil zitiert. Es wird auch auf die Geschichte des Mannes eingegangen, der Informatiker sei und sich seit einer Entlassung als Opfer fühle. «Im Gegensatz zu anderen Querulanten» seien seine Ausführungen jedoch sprachlich verständlich, auch gebe er sich gerne gebildet, verwende lateinische Zitate und setze sich für diverse politische Anliegen ein. Neben seinen Vorstrafen habe er auch schon eine psychiatrische Betreuung hinter sich.
3. Am selben Tag, 27. Oktober 2023, erschien derselbe Artikel auch in anderen Publikationen von Tamedia.
B. 1. Am 10. Juli 2023 reichte X. Beschwerde 1 beim Schweizer Presserat ein. Er macht dort geltend, der oben unter A. 1. erwähnte Artikel der NZZ vom 21. Juni 2023 verletze die Ziffer 1 (Wahrheit) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»).
Der Beschwerdeführer gibt sich als «der genannte IV-Rentner» zu erkennen und macht geltend, es sei unwahr, wenn die NZZ schreibe: «Der Bülacher Richter geriet ins Visier des IV-Rentners, nachdem er ihn im März 2021 zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt hatte, unter anderem wegen Todesdrohungen gegen Regierungsrätin Jacqueline Fehr.» Er sei nie wegen Todesdrohungen gegen Frau Fehr verurteilt worden, sondern in jenem Fall wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Weiter sei falsch berichtet worden, die afrikanische Inhaberin des Passes sei zwei Tage lang im Gefängnis gesessen. Richtig sei, dass sie um 00:50 Uhr festgenommen, aber noch am gleichen Tag wieder entlassen worden sei. Der Artikel erwecke im Übrigen auch den Eindruck, es habe sich so abgespielt, wie es die Staatsanwaltschaft dargestellt habe. Statt im Konjunktiv sei im Indikativ geschrieben worden. Wie die Zeitung korrekt dargestellt habe, sei nicht klar, wie er – der Beschuldigte – an den Pass der Afrikanerin habe kommen können. Womit ausgeschlossen werden könne, «dass ich der Absender der Mails bin», schreibt der Beschwerdeführer. Zudem werde mit der genannten Schilderung gegen sein verfassungsmässiges Recht (Art. 32 Abs. 1 Bundesverfassung) auf die Unschuldsvermutung verstossen.
2. Am 6. November 2023 reichte die gleiche Person Beschwerde 2 ein gegen den oben unter A. 2. beschriebenen Artikel des «Zürcher Unterländer» vom 27. Oktober 2023. Dieser verstosse gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung»).
Die Behauptung, die Liste seiner unter falschem Namen verschickten Hass- und Drohmails sei lang und der Inhalt heftig, sei unwahr. Er habe diese E-Mails nicht verschickt. Dafür gebe es keinen Nachweis und kein rechtskräftiges Urteil. Er habe auch nie die Erschiessung einer Oberrichterin angekündigt, auch dafür gebe es keinen Nachweis und kein rechtskräftiges Urteil. Ebenso wenig habe er Regierungsrätin Fehr den Tod angedroht. In dieser Sache habe er schon gegen einen Artikel der NZZ den Presserat angerufen (gemeint: Beschwerde 1; d. Presserat), er habe keine solchen E-Mails verschickt. Weiter habe er nicht wie berichtet Klage gegen Sicherheitsdirektor Mario Fehr wegen Amtsmissbrauchs eingereicht. Diese habe den Tatbestand einer Verletzung des Amtsgeheimnisses betroffen. Was in indirekter Rede als Behauptung hätte zitiert werden müssen, stehe im Indikativ als Fakt. Im Übrigen seien alle Angaben zu seinem Vorleben falsch, er sei nicht wegen illoyalem Verhalten entlassen worden, sehe sich deswegen auch nicht als Opfer, wie behauptet werde, er habe auch nie ein Konto auf einem sozialen Medium gehabt und habe nie seine Wohnung verloren.
3. Am 1. Januar 2024 gelangte der gleiche Beschwerdeführer ein weiteres Mal an den Presserat: Beschwerde 3 wendet sich gegen den oben unter A. 3. erwähnten Artikel des «Tages-Anzeiger», der wortwörtlich gleich lautet wie derjenige des «Zürcher Unterländer». Auch hier macht er Verletzungen der Ziffer 1 (Wahrheit) der «Erklärung» geltend, mit – im Wesentlichen – den gleichen Argumenten: Er habe nie Drohmails unter falschem Namen verschickt, das anders lautende Urteil sei noch nicht rechtskräftig, entsprechend sei er nach Art. 32 Abs. 1 der Bundesverfassung unschuldig. Dasselbe gelte im Falle eines später ergangenen Urteils, laut welchem er zwischen 2019 und 2022 Hass- und Drohmails versendet habe, insbesondere auch im Falle eines Bezirksrichters, den er sogar sechs Jahre lang mit Mails bombardiert habe: unschuldig gemäss Art. 32 der Bundesverfassung.
C. 1. Mit Beschwerdeantwort vom 6. Oktober 2023 beantragte der Rechtsdienst der «Neuen Zürcher Zeitung», auf die Beschwerde 1 sei nicht einzutreten. Eventualiter sei diese abzuweisen. Den Antrag auf Nichteintreten begründet die NZZ mit einer nicht weiter erläuterten mangelhaften Begründung des behaupteten Verstosses gegen die Wahrheitspflicht.
Den Antrag auf Abweisung der Beschwerde leitet die NZZ-Stellungnahme mit einer Vorbemerkung ein, in welcher erläutert wird, der Beschwerdeführer sei in Justiz-, Politik- und Medienkreisen seit Jahren bekannt als notorischer Querulant. Zum konkreten Vorwurf, die NZZ habe die Wahrheitspflicht verletzt, indem sie den Haftaufenthalt der Passinhaberin mit «zwei Tagen» beziffert habe, verweist die NZZ auf die Anklageschrift, welche festhalte, dass die Angeschuldigte 39 Stunden, also knapp zwei Tage inhaftiert gewesen sei und nicht nur einige Stunden. Dass noch immer unklar sei, wie der Pass oder das Abbild davon in die Hände des Beschwerdeführers gekommen sei, sei letztlich nicht relevant. Der Autor habe für den Vorgang bewusst die defensive Formulierung «abhandenkommen» gewählt, um dem Beschwerdeführer keinen Identitätsdiebstahl zu unterstellen. Dass aber der Beschwerdeführer und nicht die afrikanische Passinhaberin Absender des Drohmails gewesen sei, habe das Bezirksgericht als erwiesen erachtet.
Was den Vorwurf der missachteten Unschuldsvermutung betrifft, weist die NZZ darauf hin, dass es sich um ein so deklariertes erstinstanzliches Urteil handle. Am Ende des Textes werde erklärt, um welches Urteil es sich genau handle mit dem ausdrücklichen Hinweis «noch nicht rechtskräftig». Zudem werde der Beschwerdeführer gar nicht identifiziert.
2. Als Antwort auf die Beschwerde 2 verweist die Rechtsabteilung der TX Group, welche sowohl den «Zürcher Unterländer» als auch den «Tages-Anzeiger» vertritt, auf die Antwort zur Beschwerde 3 vom 24. Mai 2024, da diese den wortwörtlich gleichen Text betrifft.
Sie bestreitet im Namen beider Redaktionen eine Verletzung der Ziffer 1 der «Erklärung».
Auch die TX Group verweist einleitend auf eine lange Vorgeschichte des Beschwerdeführers als Querulant, der «bekannt und berüchtigt» sei, seinen Unmut ungefiltert kundzutun, wobei er vor Drohungen und äusserst obszönem Sprachgebrauch nicht zurückschrecke. Er produziere sich laut seinem früheren Anwalt in der «Querulantenszene» gekonnt als Opfer und geniesse dort Anerkennung. Ein Gutachten attestiere ihm krankhafte Streitsucht.
In Bezug auf den Vorwurf, eine Unwahrheit geschrieben zu haben mit der Behauptung, der Beschwerdeführer habe einer Oberrichterin mit der Ermordung gedroht, verweist die TX Group als Quelle auf die Anklageschrift, über welche das Bezirksgericht im Juni 2023 geurteilt hat. Der Beschwerdeführer sei wegen dieser Drohung denn auch verurteilt worden. Das Urteil sei später auch vom Obergericht bestätigt worden, die Formulierung sei entsprechend gestützt. Die Passage, wonach der Beschwerdeführer der Justizdirektorin Jacqueline Fehr Rache angedroht habe, man werde sie eines Tages leblos in einem Graben finden, stütze sich auf einen – vom Beschwerdeführer angefochtenen – Strafbefehl, der vom Bezirksgericht bestätigt worden sei.
Richtig sei hingegen, dass der Beschwerdeführer Sicherheitsdirektor Mario Fehr nicht wegen Amtsmissbrauchs, sondern wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses angezeigt habe. Dies sei aber kein Verstoss gegen die Wahrheitspflicht, sondern allenfalls ein handwerklicher Fehler, der inzwischen korrigiert worden sei.
Wenn der Beschwerdeführer behaupte, nicht Informatiker zu sein, widerspreche dem das Diplom «Wirtschaftsinformatiker», das er selber der Beschwerde beigelegt habe. Ähnliches gelte für seine Behauptung, er könne sich nicht auf sozialen Netzwerken geäussert haben, weil er kein Konto auf einem sozialen Netzwerk besitze: Sein eigener Anwalt habe berichtet, dass X. Videos auf Facebook verbreite.
D. Am 6. Februar 2025 teilte der Presserat den Parteien gestützt auf Art. 10 Abs. 2 des Geschäftsreglements mit, die Beschwerden würden vereinigt und vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Jan Grüebler, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin.
E. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 27. April 2025 verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Zur Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung»): Der Beschwerdeführer gibt sich offen zu erkennen als der 44-jährige IV-Rentner, von dem in den Artikeln als Täter oder mutmasslichem Täter die Rede ist. Im gleichen Zusammenhang postuliert er: «Somit kenne ich die Sache.» Der Verteidiger des Beschwerdeführers konzedierte im fraglichen Prozess – laut Text der NZZ –, dass der Beschwerdeführer und mutmassliche Täter sich bei der mit dem Tod bedrohten Oberrichterin für die entsprechenden Mails entschuldigt habe. Der Presserat hat keinen Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln. Deswegen, aber auch wegen der ganzen Vorgeschichte, durfte die vom Beschwerdeführer mehrfach behauptete Basis seiner Argumentation, wonach er nie Drohmails unter falschem Namen geschrieben habe, mit gutem Grund bezweifelt werden. Hinzu kommt, dass entsprechende Gerichtsurteile vorliegen, dass also die beschriebenen Sachverhalte in gerichtlichen Verfahren abgeklärt wurden, wenn auch zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht letztinstanzlich. Von einem Verstoss gegen die Pflicht zur Wahrheit (Ziffer 1 der «Erklärung») ist nicht auszugehen.
Dies gilt auch für die falsche Beschreibung seiner Klage gegen den Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr, welche nicht Amtsmissbrauch, sondern eine Amtsgeheimnisverletzung betraf. Dieser Unterschied ist – gemessen an der Fülle der übrigen Sachverhaltselemente – marginal und entsprechend als handwerklicher Fehler zu kritisieren, nicht als eigentlicher Verstoss gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung»).
2. Zur Unschuldsvermutung: Der Beschwerdeführer macht in seinen Beschwerden eine Verletzung der Unschuldsvermutung geltend (Art. 32 BV). Der Presserat prüft diesen Punkt unter Richtlinie 7.4 (Gerichtsberichterstattung; Unschuldsvermutung und Resozialisierung). Richtlinie 7.4 verlangt von JournalistInnen, dass sie der Unschuldsvermutung Rechnung tragen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer irrt, wenn er regelmässig feststellt, dass er als unschuldig dargestellt werden müsse, solange gegen ihn ausgefällte Strafurteile noch nicht rechtskräftig seien. Die Unschuldsvermutung gemäss Richtlinie 7.4 zur «Erklärung» bedeutet nicht, dass über Strafprozesse nicht berichtet und Urteile nicht zitiert werden dürfen. Schon gar nicht bedeutet sie, wie der Beschwerdeführer impliziert, dass der Beschuldigte bis zum abschliessenden Urteil sozusagen erwiesenermassen unschuldig sei. Die Bestimmung verlangt vielmehr, dass das Publikum darauf hingewiesen werden muss, dass Angeklagte rechtlich nicht abschliessend schuldig gesprochen worden sind. Der zugrundeliegende Sachverhalt darf und muss dennoch beschrieben werden können. Die Berufsethik ist gewahrt, wenn die LeserInnen verstehen, dass noch kein rechtskräftiges Urteil gefällt wurde (vgl. Stellungnahme 17/2013). Dies wurde sowohl im Artikel der NZZ (Beschwerde 1) wie in denjenigen der Tamedia-Titel (Beschwerden 2 und 3) klar ersichtlich. Die Richtlinie 7.4 (Unschuldsvermutung) wurde somit nicht verletzt.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerden werden abgewiesen.
2. Die «Neue Zürcher Zeitung», der «Zürcher Unterländer» und der «Tages-Anzeiger» haben mit den eingangs erwähnten Artikeln über den Beschwerdeführer die Ziffern 1 (Wahrheit) und 7 (Unschuldsvermutung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.